Japan Rail Pass: Warum das beliebte Ticket nun 70 Prozent teurer wird

Matthias Reich
Matthias Reich

Man findet sie nicht allzu oft - Dinge, die fast zu gut sind, um wahr zu sein. Dazu gehört(e) zweifelsohne der Japan Rail Pass. Einmal von Tōkyō nach Ōsaka und zurück. schon hatte er sich rentiert. Doch ab Oktober 2023 muss man genau nachrechnen, ob er sich noch lohnt.

shinkansen
Eine Fahrt mit dem Shinkansen wird für ausländische Touristen nun deutlich kostspieliger.

Im Jahre 1981 führte die japanische Bahngesellschaft Japan Railways (kurz JR), entstanden aus der einst staatlichen Kokutetsu, den sogenannten Rail Pass ein. Zu einem festen Preis konnten damit alle Ausländer:innen mit Touristenvisum sämtliche Bahnen (inkl. den Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszug), Busse und Fähren der Gesellschaft ein, zwei oder drei Wochen lang – und wahlweise in der 2. oder 1. Klasse – nutzen. Das hatte für ausländische Reisende zwei große Vorteile:

  1. Man konnte spontan und ohne Budgetsorgen quer durch Japan fahren. Selbst ein Tagesausflug von Tōkyō nach Kyōto oder Niigata, für Otto-Normalverbraucher ohne dickes Konto undenkbar, war kein Problem.
  2. Man musste sich nicht ständig mit leidlich Englisch sprechenden Bahnangestellten oder komplizierten Automaten herumschlagen – man lief einfach lächelnd oder mit einem breiten, inneren Grinsen, den Rail Pass hochhaltend an den Ticketschranken vorbei.

Nach 42 Jahren ohne Preisänderungen wird der Japan Rail Pass, oder JR Pass, ab Oktober 2023 im Schnitt um 70 % teurer (JAPANDIGEST berichtete). Allein mit höheren Strompreisen, einer moderaten Inflation und einem schwachen Yen lässt sich diese enorme Preissteigerung nicht erklären, doch JR hat durchaus gute Gründe dafür.

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Verschiedene Gründe für den Preisanstieg

Als Hauptgrund könnte man natürlich den einfachsten vermuten: JR erhöht die Preise kräftig, weil JR es kann. Ausländische Reisende haben keine große Lobby in Japan, und ob deshalb nun ein paar zehntausend Touristen nicht mehr den Rail Pass kaufen, dürfte dem Unternehmen egal sein. Was man jedoch bei der Preiserhöhung bedenken muss, sind die folgenden Punkte: Der Basispreis, also der Preis ohne Mehrwertsteuer, hat sich seit der Einführung 1981 nicht ein einziges Mal geändert. Vergleichbare Produkte sind in anderen Industrieländern auch meistens wesentlich teurer.

Außerdem bezieht sich die Preissteigerung bezieht sich auf den Preis in Yen. Da man den JR Pass jedoch nicht in Japan erwirbt, sondern im Ausland und damit vor der Japanreise, ist nicht der Yen-Preis relevant, sondern der in der jeweiligen Landeswährung. Da der Yen jedoch im Jahr 2023 gut 30 % an Wert eingebüßt hat, ist der wahre Preisanstieg viel geringer. Der 7-Tage-Pass kostet bisher 29.650 Yen, nach der Erhöhung 50.000 Yen. Im Januar 2023 zahlte man also rund 214 Euro – steigt der Preis auf 50.000 Yen, wird er nach dem aktuellen Umtauschkurs (September 2023) etwa 312 Euro kosten. Der effektive Preisanstieg liegt deshalb bei 45 % und nicht 70 %. Für US-Bürgerinnen und -Bürger zum Beispiel liegt der effektive Anstieg gar nur bei rund 30 %.

JR hat weiterhin regionale Pässe eingeführt, die zum Beispiel nur auf Strecken in Kyūshū oder Hokkaidō gültig sind. Die Preisgestaltung dieser Varianten ist jedoch beim jetzigen JR Pass-Preis schwierig – der Unterschied zwischen dem landesweit nutzbaren JR Pass  und den regionalen Pässen beträgt momentan nur ca. 35 Euro für 7 Tage. Dementsprechend werden die regionalen Varianten kaum genutzt. Allerdings hat JR auch bei diversen Regionalpässen (u.a. JR Tokyo Wide Pass, Hokkaido Rail Pass, Kyushu Rail Pass, Kansai Wide Area Pass) eine deutliche Preiserhöhung ab Oktober 2023 angekündigt. Lesen Sie auf der Website der Japanischen Fremdenverkehrszentrale (JNTO) mehr dazu.

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Zu guter Letzt verbraucht die Eisenbahn natürlich viel Strom, und der ist auch in Japan spürbar teuer geworden. Doch noch scheut man sich vor Preiserhöhungen für alle Passagiere. Zudem sind viele Shinkansen-Züge aufgrund der fast auf Vor-Corona-Zeiten hochgeschnellten Besucherzahlen so gut ausgebucht. Nicht zuletzt muss auch viel in die Zukunft investiert werden – so unter anderem in den derzeit laufenden Bau der Maglev-Trasse des neuen Chuō-Shinkansen.

Neue Funktionen und Ermäßigungen

Mit den Preissteigerungen kommen auch ein paar Verbesserungen: So soll man demnächst mit dem JR Pass ganz normal die Ticketschranken passieren können (derzeit muss man diese beim Bahnpersonal vorzeigen, um zu den Gleisen zu gelangen). Außerdem soll man ab Oktober – gegen Aufpreis – auch die Nozomi- und andere Shinkansenklassen nutzen können. Der Nozomi ist der schnellste Shinkansen auf der Route von Tōkyō bis Fukuoka und war bisher nicht vom JR Pass abgedeckt. Auch sollen Pass-Inhaber:innen auf ausgewählte Sehenswürdigkeiten Ermäßigungen erhalten, wobei diese im Detail noch nicht bekannt sind. 

Dennoch müssen Reisende ihre Routen und Finanzen genau planen – wer nur einmal von Tōkyō nach Kyōto und zurück möchte, sollte gegebenenfalls auf klassische Einzeltickets oder Regionalpässe zurückgreifen. 

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