EDO TATTOO

Die Takarazuka Revue: Über 100 Jahre schillernde Shows

Constanze Thede
Constanze Thede

Die rein weibliche Takarazuka Revue begeistert schon seit über 100 Jahren ihre Zuschauer*innen mit schillernden Shows. Dabei können sowohl historische als auch popkulturelle Stoffe als Vorlage dienen: Hauptsache, das Publikum wird bestens unterhalten. Für die Schauspielerinnen selbst ist der Weg auf die Bühne allerdings oft steinig.

Die Takarazuka Revue in bunten Kostümen bei einer Probe in Taiwan.
Die Takarazuka Revue bei einer Probe in Taiwan (Kyodo). © Newscom / Alamy Stock Photo

Die Takarazuka Revue ist in ihrer Art einzigartig auf der Welt, da es sich um ein rein weibliches Schauspiel-Ensemble handelt. Bekannt ist es für seine schillernden Bühnenshows, die nicht selten auf Manga oder TV-Serien basieren, sich aber auch das historische Japan oder internationale Musicals zum Vorbild nehmen können. Alles ist potenzieller Bühnenstoff, der noch ein bisschen extra Glitter und Glamour verpasst bekommt. Tauchen Sie ein in die wunderbare Welt der Takarazuka Revue!

Alles begann mit einem Swimmingpool

Die Geschichte der Takarazuka Revue begann 1914, als ihr Gründer Kobayashi Ichizō, damals Mitarbeiter der Hankyu Railway Group, „Paradise“ gründete, ein zweistöckiges Spa mit einem Indoor Pool, mit dem er potenzielle Kunden gewinnen wollte. Paradise musste jedoch schon nach zwei Monaten schließen, da Schwimmen damals nur nach Geschlechtern getrennt erlaubt war. So kam Kobayashi auf die Idee, den Pool zu einer Theaterbühne umzubauen und den Gästen statt Wasserspaß unterhaltsame Shows anzubieten.

Die Takarazuka Music School, an der zukünftige „Takarasiennes“ (abgeleitet aus dem Französischen, wie bei Parisiennes) ausgebildet werden sollten, wurde bereits im Juli 1913 ins Leben gerufen und die ersten Mitglieder der Takarazuka Revue waren 17 Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren. Dies war Teil des Programms: Die Mädchen sollten jung und unverheiratet sein und bei ihren Darbietungen dem Grundsatz Kiyoku, Tadashiku, Utsukushiku („rein, aufrichtig und elegant“) folgen, an den sich die Mitglieder bis heute halten.

Harte Schule

Die Takarazuka Music School ist nach wie vor die Eintrittskarte in die Welt der Takarasiennes. Nur wer diese Schule absolviert, kann Teil des Ensembles werden. Pro Jahrgang gibt es ca. 40 Schülerinnen und nur etwa eine aus 22 Bewerberinnen hat das Glück, in das Ausbildungsprogramm aufgenommen zu werden.

Die zweijährige Ausbildung ist sehr hart und erfordert volles Engagement, doch dafür winkt eine Karriere als zukünftiger Bühnenstar. Kobayashis Leitlinie folgend, wird jedoch Wert darauf gelegt, dass die Takarasiennes nie ihre Würde als Einzelpersonen und Mitglieder der Gesellschaft verlieren. Sie sollten sich also selbst treu bleiben und nicht etwa Starallüren entwickeln. So bekommen die Schülerinnen nicht nur Tanz-, Gesangs- und Klavierunterricht, sondern lernen auch gutes Benehmen.

Allerdings entwickelte sich über die Jahre eine strenge Hierarchie zwischen älteren und jüngeren Schülerinnen und in der Vergangenheit fiel die Schule durch die an Mobbing und Schikane grenzenden „ungeschriebenen Regeln“ unangenehm auf. So durften die Jüngeren den Älteren gegenüber nur bestimmte Gesichtsausdrücke zeigen oder Fragen nur mit „Ja“, „Nein“ und einer kleinen Auswahl festgelegter Ausdrücke beantworten. In jüngster Zeit entschloss sich die Schule, diese Regeln endlich abzuschaffen, da diese nicht mehr zeitgemäß seien [1].

verbeugungJapanisches Mentorenprogramm: Senioritätsprinzip Sempai – KōhaiDer Respekt gegenüber höher Gestellten und Älteren bestimmt in Japan die zwischenmenschlichen Beziehungen. Ausgeprägt ist es im System von S...23.04.2017

Absolventinnen der Takarazuka Music School schluchzend in schwarzen Roben bei der Abschlusszeremonie
Absolventinnen der Takarazuka Music School schluchzen bei der Abschlusszeremonie (Kyodo). © Newscom / Alamy Stock Photo

Klare Strukturen

Nicht nur in der Takarazuka Music School, sondern auch in der Takarazuka Revue selbst herrschen klare Strukturen. So werden die Absolventinnen je nach Neigung und Eignung in Männer- und Frauenrollen (otoko-yaku bzw. musume-yaku) eingeteilt, wobei die Männerrollen am beliebtesten sind. Außerdem werden die Schauspielerinnen folgenden fünf Gruppen zugeordnet:

  1. Hana-gumi („Blumengruppe“)
  2. Tsuki-gumi („Mondgruppe“)
  3. Yuki-gumi („Schneegruppe“)
  4. Hoshi-gumi („Sternengruppe“)
  5. Senka („Profis“)

Die Hana-gumi und die Tsuki-gumi feiern 2021 bereits ihren 100. Jahrestag. 1924 eröffnete das Takarazuka Grand Theater im Städtchen Takarazuka in der Präfektur Hyōgo. Im selben Jahr wurde die Yuki-gumi gegründet, während die Hoshi-gumi erst 1933 hinzukam, als das Takarazuka Theater in Tōkyō seine Pforten öffnete. In den 1950er Jahren feierte die Takarazuka Revue ihren internationalen Durchbruch und inzwischen tritt das Ensemble auch außerhalb Japans auf, wie unter Anderem 2015 in Taiwans Hauptstadt Taipeh.

Die Takarazuka Revue bei einer Probe in Taipeh.
Die Takarazuka Revue bei einer Probe am 7. August 2015 in Taipeh (Kyodo). © Newscom / Alamy Stock Photo

Pro Gruppe gibt es je zwei sogenannte „Top Stars“, die in der Regel die männliche und weibliche Hauptrolle im jeweiligen Bühnenstück übernehmen. Die Senka ist die Gruppe der „Veteraninnen“ und führt keine eigenen Stücke auf, deren Mitglieder springen nurmehr ein, wenn Rollen mit älteren Schauspielerinnen zu besetzen sind. Jede Gruppe hat ihren individuellen Darbietungsstil.

Ein buntes Programm

International besonders bekannt wurde die Takarazuka Revue mit der Aufführung des österreichischen Erfolgs-Musicals Elisabeth sowie dem auf der gleichnamigen Mangavorlage basierenden Stück Berusaiyu no bara („Die Rosen von Versailles“). Letzteres hatte 1974 Premiere, als der von Ikeda Riyoko gezeichnete Manga besonders populär war. Das Stück wurde noch vielfach wiederaufgeführt und ist bis heute legendär.

Manchmal ist sogar Deutschland Schauplatz eines Takarazuka-Stücks, wie beispielsweise im 2017 aufgeführten Berurin, waga ai (engl. “The Cinema Rhapsody” – In the Scene of Berlin), das eindrucksvoll porträtiert, wie die Schatten der Nazi-Ideologie in den 1930er Jahren die deutsche Kulturszene trüben. Wenn auch historisch nicht hundertprozentig korrekt, ist den Dramaturgen hier doch eine herzergreifende Geschichte gelungen, die zeigt, wie es ist, sich mit seinen Überzeugungen gegen eine übermächtige Ideologie aufzulehnen. Für Februar bis März 2022 ist wieder ein ähnliches Stück geplant: Never Say Goodbye widmet sich der Volksolympiade in Barcelona 1936, die als Protest gegen die von Nazi-Deutschland ausgerichteten Olympischen Spiele stattfand.

Werbeplakat für das Stück "Beruruin, waga ai" in einem Zug der Hankyu Railway Company
Werbeplakat für das Stück "Beruruin, waga ai" in einem Zug der Hankyu Railway Company 2017. © Constanze Thede

100 Jahre Hana-gumi und Tsuki-gumi

Anlässlich des 100. Jahrestages der Hana-gumi führte das Ensemble zuletzt das Stück Genroku Baroque Rock auf. Die Genroku-Ära (1688-1704) war eine Epoche innerhalb der Edo-Zeit, die von florierendem Handel und der Ausbreitung westlicher Trends und Technologien geprägt war. So ist die Handlung des Stücks in Edo (heutiges Tōkyō) angesiedelt. Der Uhrmacher Chronosuke wird dort in ein trügerisches Spiel verwickelt, als er eine Uhr erfindet, mit der er in die Vergangenheit reisen kann und in der Gegenwart der mysteriösen Kira begegnet.

Video: Vorschau für das Stück Genroku Baroque Rock

Das neueste Stück der Tsuki-gumi wiederum basiert auf dem gleichnamigen japanischen Film Konya, romansu gekijo de (engl. Color Me True) von 2018 und wird im Januar 2022 im Takarazuka Grand Theater zu sehen sein. Es handelt sich um eine Liebesgeschichte mit fantastischen Elementen, in der sich der aufstrebende Regisseur Kenji in die Schauspielerin Miyuki verliebt, die er allerdings nur aus ihren Schwarz-Weiß-Filmen kennt. 

Beide Stücke stehen exemplarisch für die Vielfalt der Takarazuka Revue: Während Genroku Baroque Rock im historischen Japan spielt und mit üppig bestickten Kimonos begeistert, zeigt Konya, romansu gekijo de ein Stück Filmgeschichte und Kostüme, die sich an der Mode der 1960er Jahre orientieren.

Obwohl sich auch die Takarazuka Revue während der Pandemie einschränken musste und weniger Sitzplätze vergeben konnte, wird sie hoffentlich noch lange die Herzen ihrer Fans weltweit höher schlagen lassen.

Der Eingang zum Takarazuka Grand Theater im Städtchen Takarazuka mit Torbögen und goldener Schrift.
Der Eingang zum Takarazuka Grand Theater im Städtchen Takarazuka. © Constanze Thede

Kommentare

TOKYO INK

Diese Woche meistgelesen

Top Stories

Autoren gesucht

Lesen Sie hier, wie Sie Teil unseres Teams werden!