Die Jōmon-Zeit – Beginn der japanischen Kultur

Maria-Laura Mitsuoka
Maria-Laura Mitsuoka

Samurai, Teezeremonie oder Kimono sind erst ein spätes Kapitel japanischer Geschichte. Wie Japan vor vielen 1 000 Jahren aussah, können sich viele nicht vorstellen. Machen wir eine Reise in die Jōmon-Zeit, die als Beginn der japanischen Kultur betrachtet wird.

Jomon-Dorf in Nagano
Die Nachstellung eines Dorfes der Jomon-Zeit in Hiraide (Präfektur Nagano). © Mr.アルプ (photo-ac)

Es ist schwierig, einen genauen Zeitpunkt für den Beginn der Jōmon-Epoche zu bestimmen, da der Entwicklungsstand der archäologischen Kulturen je nach Region variierte. Einige Forscher vertreten die Meinung, die Jōmon-Zeit habe vor ca. 16 000 Jahren mit dem Fund der ältesten Keramik in Ōdai Yamamoto (Präfektur Aomori) begonnen. Andere glauben, die Entwicklung der Keramik mit Schnurverzierungen 1 500 Jahre später habe sie eingeleitet. Eine dritte Theorie besagt, die Jōmon-Zeit startete erst vor 11 500 Jahren mit der Einführung von Keramik mit breitem Rand an der Öffnung. Die Meinungen über die Anfänge dieser Epoche gehen also so weit auseinander, dass wir den Beginn nicht klar erfassen können. Beim Ende der Jōmon-Zeit sind sich die meisten Archäologen jedoch einig: Die Einführung des Nassreisanbaus und die immer einflussreicheren Kontakte zum asiatischen Kontinent stellten ca. 300 v. Chr. den Übergang zur Yayoi-Epoche dar.

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Benannt wurde die Jōmon-Zeit durch den Zoologen Edward Sylvester Morse, der 1877 kaizuka (貝塚, Muschelhügel) in Ōmori (heutiges Shinagawa in Tōkyō) untersuchte. Dieser legte bei seinen Forschungen Keramik mit schnurhaften Verzierungen frei, welche in der deutschen Archäologie als „Schnurkeramik” bezeichnet wird. Jōmon (縄文) bedeutet „japanisches Schnurmuster“ und geht auf diese Art der Bearbeitung zurück.

Wie sah ein Jōmon-Mensch aus?

Anthropologische Studien belegen, dass die Ureinwohner der Jōmon-Zeit genetische Verbindungen zu sibirischen Stämmen aufwiesen. Die meisten Individuen zeichneten sich durch einen kräftigen, muskulösen Körperbau aus und hatten eine quadratische, maskuline Gesichtsform. Im Durchschnitt betrug ihre Lebensspanne ca. 15 Jahre, wobei wenige Jōmon-Menschen auch höhere Altersstufen erreichten.

Große regionale Unterschiede sind bei der Gesundheit der Zähne festzustellen. Während auf Hokkaidō nur wenige Fälle von Karies nachgewiesen werden konnten, sah es auf Honshū und Kyūshū ganz anders aus. Dies wird vor allem auf die Ernährung zurückgeführt, da die im Süden dominierende Landwirtschaft Zahnerkrankungen begünstigte. Interessante Erkenntnisse liefern zudem auch die Zähne von Schädelfunden aus Ōsaka. Diese waren bei den erwachsenen Individuen spitz gefeilt, sodass Forscher von unterschiedlichen Initiationsriten ausgehen, welche die Optik des jeweiligen Menschen stark beeinflusst haben könnten.

Die indigenen Völker Ainu und Emishi gelten als direkte Nachfahren, weswegen sie oft zum optischen Vergleich herangezogen werden.

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Die Photographie eines Ainu aus einem alten Anthropologie-Buch.

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Siedlungen und Behausungen

In der Jōmon-Zeit gaben die Menschen ihren nomadischen Lebensstil auf und fertigten Grubenhäuser an, deren Aufbau sich im Laufe der Epochen kaum veränderte. Die Durchschnittsgröße betrug im Durchmesser ca. 20 m, weswegen davon ausgegangen wird, dass kleinere Familienverbände miteinander residierten. Jedes Grubenhaus bestand aus einer Feuerstelle und einem Wohnbereich.

Die Siedlungen der Jōmon-Zeit fielen eher klein aus, wobei die Größe über die Jahrhunderte variierte. Im Durchschnitt bestand eine Gemeinschaft aus drei Grubenhäusern, allerdings existierten auch “Ringsiedlungen” mit über zehn Hütten und einer Art Marktplatz, auf dem sich möglicherweise Rituale und gesellschaftliche Veranstaltungen abspielten. Größere Gemeinschaften waren zudem mit einer Abgrenzung und einem kleinen Damm vor äußeren Gefahren geschützt und von dichten Wäldern umschlossen.

Grubenhütte
Der Grundriss einer Grubenhütte mit Pfostenlöchern. © Whitechocolate (photo-ac)

Keramik als Markenzeichen

Wie bei den meisten vorgeschichtlichen Kulturen sind Gegenstände aus Keramik die häufigsten Zeugen vergangener Epochen. Dies kann so erklärt werden, dass Ton anders als organische Materialien wie Holz oder Leinen über viele Jahrhunderte hinweg unter der Erde erhalten bleibt. Die meisten Gefäße der Jōmon-Zeit sind spitzbodige Fukabachi-Keramik, Tongefäße länglicher Form, welche hauptsächlich zur Aufbewahrung von Lebensmitteln genutzt wurden.

Insgesamt gibt es mehr als 300 archäologische Gefäß-Typen, die in jeweils sechs Hauptkategorien unterteilt werden. Am bekanntesten ist die Kaen-Keramik (火炎, „Flamme“) der mittleren Jōmon-Zeit (5 400-4 400 v. Chr.). Diese zeichnet sich durch die ausladenden Arme an der Öffnung aus, welche sich wie lodernde Flammen erheben. Zudem ist deren Oberfläche mit aufwendigen Mustern und Linien verziert.

Ebenfalls prägend für die Jōmon-Zeit sind dogū (土偶), Tonfiguren unterschiedlichster Größen und Formen, welchen ein ritueller Hintergrund beigemessen wird.

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Kaen-Keramik aus der mittleren Jōmon-Zeit. © metmuseum.org

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Was geschah nach dem Tod?

Je nach Epoche und Region sind mehrere Arten der Bestattungen bekannt. In den frühen Tagen der Jōmon-Zeit dominierten kaizuka, in deren Mitte die Toten zur Ruhe gebettet wurden. Später aber fanden Gruben- oder Gefäß-Bestattungen ihren Weg in den Alltag der Bevölkerung. Einige archäologische Funde belegen sogar Massengräber und Dorffriedhöfe mit Grabmarkierungen.

Zu Beginn der Epoche bestatteten die Jōmon-Menschen ihre Toten mit alltäglichen Gegenständen wie Fukabachi-Gefäßen, Steinwerkzeugen, Pfeilspitzen und Schabern. Etwa ab der mittleren Jōmon-Zeit wurden die Beigaben immer hochwertiger und extravaganter. Ton-, Stein- und Jadeperlen, Muschelarmbänder, Anhänger aus Elfenbein, Haifischzähnen und Hirschgeweih, Bernsteinschmuck und geschlitzte Steinohrringe waren sehr beliebt. Zum Ende der Epoche hin verbreiteten sich rituelle Gegenstände wie Tonfiguren, Steinstäbe, alle Arten von Töpferwaren und lackierte Holzgegenstände. Auch Tiere wurden bestattet, wie Knochenfunde von Hunden belegen.

Grubenhaus
Die Rekonstruktion eines Jōmon-Grubenhauses in Iide (Präfektur Yamagata). © 丸岡ジョー (photo-ac)

Entwicklung zur Yayoi-Zeit

Mit den Einwanderungsströmen koreanischer und chinesischer Flüchtlinge fanden viele Neuerungen ihren Weg auf die japanische Insel. Neben landwirtschaftlichen Werkzeugen und Rohstoffen wurde auch der Nassreisanbau eingeführt, welcher den Lebensalltag der Jōmon-Bevölkerung von nun an bestimmen sollte.
Allerdings konnte sich diese neue Form der Landwirtschaft aus klimatischen Gründen nicht in allen Teilen des Landes bewähren. Aus diesem Grund entwickelten sich auf Hokkaidō die sog. Zoku-Jōmon-Kultur, welche als Vorstufe zur Ainu-Kultur gesehen wird und auf den Nansei-Inseln (Inselregion südwestlich von Kyūshū, einschl. heutiges Okinawa) die Goki-Kaizuka-Kultur, der Vorgänger der Ryūkyū-Kultur.

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Die Jōmon-Zeit ist reich an kulturellen Gütern und keramischen Formen , welche nur auf der japanischen Insel nachgewiesen werden konnten. Sie markiert den Beginn der japanischen Kultur und stellt den ersten Schritt zur Entwicklung unseres heutigen Japans dar.

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