Ōzuka-Kofun-Grabstätte: Die Welt der bunten Wandmalereien

Maria-Laura Brandmann
Maria-Laura Brandmann

Kreisformen, lebhafte Dreiecksmuster und hypnotische Spiralen – die Malereien im Ōzuka-Kofun könnten glatt als zeitgenössische Kunst durchgehen. Doch in Wahrheit stammen sie aus längst vergangenen Tagen und eröffnen faszinierende Einblicke in die Ritualwelt und Bestattungskultur des Kofun-zeitlichen Japans.

Wände und die Decke der inneren Grabkammer des Ōzuka-Kofun
Die Wände und die Decke der inneren Grabkammer des Ōzuka-Kofun sind reich mit farbenfrohen Mustern verziert. © Saigen Jiro (wikipedia.de / Public Domain)

Japan ist ein Land der Vielfalt, das sich über zahlreiche Breitengrade erstreckt und dadurch nicht nur klimatisch, sondern auch kulturell bemerkenswerte Unterschiede aufweist. Diese regionalen Eigenheiten haben sich über die Jahrtausende hinweg tief in die Geschichte und Kultur des Landes eingeschrieben. Ein faszinierendes Beispiel dafür sind die sōshoku kofun, prachtvolle Gräber aus der Kofun-Zeit (ca. 250–538 n. Chr.), in denen mächtige Herrscher bestattet wurden. Die kunstvollen Darstellungen im Inneren der Grabkammer gewähren nicht nur einen Einblick in die damalige Begräbniskultur, sondern erzählen auch Geschichten von regionaler Identität und künstlerischer Ausdruckskraft. Das wohl bekannteste Beispiel eines sōshoku kofun ist der Ōzuka-Kofun in Keisen (Präfektur Fukuoka), der im Jahr 1934 durch einen glücklichen Zufall bei Bodenaushubarbeiten entdeckt wurde.

Eine Schatzkammer der Kunst

Der Ōzuka-Kofun ist ein schlüssellochförmiges Hügelgrab, das vermutlich in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts entstand und durch einen zweistufigen, imposanten Aufbau noch heute zu beeindrucken weiß. Leider fiel mehr als die Hälfte des ursprünglichen Grabhügels den Arbeiten zum Opfer, die im Jahr 1934 zu seiner Entdeckung beitrugen. Zahlreiche Grabbeigaben kamen im Laufe der anschließenden Ausgrabungen zum Vorschein, darunter Pferdegeschirre, kunstvoll gearbeitete Waffen, Bronzespiegel (dōkyō), Schmuck, Perlen, Sue-Keramik und feines Steingut. Doch das wahre Herzstück des Ōzuka-Kofun ist seine kunstvoll bemalte Grabkammer, deren Wände mit einer spektakulären Vielfalt an Mustern geschmückt sind. Diese reichen von Darstellungen von Köchern und Schilden bis hin zu abstrakten geometrischen Verzierungen. Die Farben – Rot, Gelb, Grün, Schwarz, Weiß und Grau – entführen den Betrachter in eine Mythenwelt, die einen bunten Einblick in den Jenseitsglauben der Kofun-Zeit gewährt.

In der Kofun-Zeit gehörten Bronzespiegel zu den häufigsten Grabbeigaben und wurden bei Ausgrabungen in großer Zahl entdeckt. © 葵花音 (photo-ac)

Forschungen zufolge erreichte der Grabhügel zu seiner Blütezeit eine beeindruckende Länge von etwa 86 Metern. Der runde, hintere Abschnitt wies einen Durchmesser von 56 Metern auf, während der quadratische, vordere Abschnitt 60 Meter breit war. Als architektonische Meisterleistung gilt vor allem die zweistufige Struktur: Während der untere Teil direkt aus dem natürlichen Felsen gehauen wurde, besteht der obere Teil aus abwechselnden Schichten von gelbem und schwarzem Boden. Diese Bauweise zeugt von bemerkenswertem Wissen, denn durch das geschickte Aufschichten von Böden mit unterschiedlichen Eigenschaften wurde eine stabile und verdichtete Struktur geschaffen, die den Grabhügel über die Jahrhunderte hinweg erhalten sollte.

Die farbenfrohe Welt der Kofun-Zeit

Die Wandmalereien des Ōzuka-Kofun erstrecken sich nahezu über die gesamte Innenfläche der Kammer – unbemalt sind lediglich die Seitenwände der kleineren Vorkammer. Besonders faszinierend ist die außergewöhnliche Auswahl der Farbpalette, denn mit Rot, Gelb, Grün, Schwarz, Weiß und Grau kamen alle Töne zum Einsatz, die im damaligen Japan bekannt waren. Die Farben, vermutlich hauptsächlich aus Ton hergestellt, wurden in dicken, kräftigen Schichten aufgetragen und verleihen den Malereien bis heute eine beeindruckende Lebendigkeit und Tiefe. Der Autor Yanagisawa Kazuo vermutet, dass diese Malereien als Ersatz für haniwa-Figuren dienten, um den Verstorbenen auf seinem Weg in die Nachwelt zu beschützen. Zudem legt er nahe, dass die Bilder auch die Lebensgeschichte des Bestatteten erzählen könnten.

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Anzeichen einer kriegerischen Elite

Pferde spielten offenbar eine bedeutende Rolle in der damaligen Gesellschaft, denn sie wurden mit beeindruckender Detailtreue auf die Eingangswand zur Hauptkammer gemalt. Deutlich zu erkennen sind Zaumzeug, Zügel, Schweifriemen und Sattel. Besonders hervorzuheben sind die kunstvoll verzierten Metallbeschläge an den Zügeln, die die Präzision und den künstlerischen Anspruch der Malereien eindrucksvoll unterstreichen. Neben den Pferdedarstellungen sind in der Hauptkammer auch Köcher für Pfeile, lange Schwerter und quadratische Schilde abgebildet, was auf eine mögliche kriegerische Elite hindeutet.

Viele Motive der Kofun-Zeit wurden als auch haniwa-Figuren verewigt, dabei galten Pferdedarstellungen als besonders prestigeträchtig. Ähnlich wie in den Wandmalereien des Ōzuka-Kofun zeigen auch die haniwa-Nachbildungen des Imashirozuka-Kofun in Ōsaka Pferde mit Sätteln und aufwendigem Schmuck. ©アタゴール (photo-ac)

Geometrische Muster, rätselhafte Motive

In der Vorkammer springen neben liebevoll gemalten Pferden auch konzentrische Kreismuster sofort ins Auge. Diese setzen sich aus mehreren bunten Farbringen zusammen und erreichen einen Durchmesser von etwa 10 Zentimetern. Betritt man die Hauptkammer, eröffnet sich dem Betrachter eine völlig neue Welt: Die Wände sind zum großen Teil mit Dreiecksmustern bemalt, während den Deckenbereich gepunktete Verzierungen schmücken. Diese werden als Himmelskarte interpretiert und könnten, ähnlich wie bei den Koguryo-Grabkammern in Nordkorea, Sternkonstellationen darstellen. Die gepunkteten Verzierungen, im Japanischen als „Perlenmuster“ bekannt, wurden durch das Aufdrücken tonartiger Pigmente auf die Oberfläche geschaffen und verleihen dem Ōzuka-Kofun seine charakteristische Ästhetik.

Auch geheimnisvolle Motive, deren Bedeutung bis heute ungeklärt ist, schmücken die Wände. Besonders auffällig sind Kreisringmuster mit zwei beinartigen Auswüchsen, im Japanischen sōkyakurinjōmon genannt. Einige Forscher vermuten, dass es sich um ein zeremonielles Schirmemblem für hochrangige Persönlichkeiten handeln könnte, während andere glauben, dass die Form eine Chiragra-Spinnenschnecke (suijigai) darstellt. Solche Schneckengehäuse wurden beispielsweise im Ōmaruyama-Kofun in der Präfektur Yamanashi als Grabbeigaben entdeckt.

Nicht weniger faszinierend sind die sogenannten Warabi-te-Muster – spiralartige Abbildungen, die als magische Symbole interpretiert werden und möglicherweise vor bösen Energien schützen sollen. Landesweit weisen nur sieben Kofun-Gräber, darunter der Ōzuka-Kofun, das Warabi-te-Muster auf.

Vor Regen und Schimmel geschützt

Um die Malereien auch für zukünftige Generationen zu bewahren, wird die Steinkammer seit 1990 durch eine spezielle Erhaltungsanlage geschützt. Diese macht den Zugang für die Öffentlichkeit nur zweimal im Jahr – im Frühling und Herbst – möglich. In dieser Zeit strömen Besucher aus ganz Japan herbei, um die einzigartigen Malereien mit eigenen Augen zu bewundern. Der Ōzuka-Kofun bleibt bis heute eines der faszinierendsten Fenster in die Vergangenheit Japans: Seine kunstvollen Malereien und geheimnisvollen Symbole erzählen von den ästhetischen, spirituellen und gesellschaftlichen Errungenschaften einer längst vergangenen Epoche – und werfen zugleich Fragen auf, die auch zukünftige Generationen von Forschern weiterhin beschäftigt werden.

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Quelle Header-Bild (Wikipedia)

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