Das japanische Rechtswesen | Teil 2: Immobilienrecht

RA Mikio Tanaka, City-Yuwa Partners, Tokyo
RA Mikio Tanaka, City-Yuwa Partners, Tokyo

Im ersten Teil der Serie zum japanischen Recht wurde der historische Einfluss des deutschen Rechtswesens auf das japanische erläutert. Nicht betroffen von diesem Einfluss ist das japanische Immobilienrecht. Dieser Artikel erklärt die drei größten Unterschiede zum deutschen Immobilienrecht.

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Grund und Gebäude

In Deutschland werden ein Grundstück und das darauf befindliche Gebäude als eine Immobilie angesehen, in Japan dagegen als zwei separate Einheiten. Die Eintragung des Grundstücks und die des Gebäudes erfolgen getrennt. Folglich ist es von wesentlicher Bedeutung, welche Nutzungsrechte an dem Gebäude existieren. Es gibt viele Arten von Nutzungsrechten, aber grob kann man zwischen zwei Gruppen unterscheiden: schuldrechtliche Nutzungsrechte gegenüber einer Person und dingliche Nutzungsrechte, die gegenüber jedem geltend gemacht werden können.

Das schuldrechtliche Nutzungsrecht ist nicht mehr als eine vertragliche Forderung dem Vertragspartner gegenüber und bindet nur diesen, also den Vermieter. Im Fall, dass der Vermieter das Grundstück an einen Dritten verkauft und der Käufer die Räumung des Grundstücks fordert, muss i.d.R. das Gebäude abgerissen und das Grundstück dem Käufer übergeben werden, da der Käufer mit eventuell laufenden Mietverträgen nichts zu tun hat. Diese Art des Grundstücksverkaufs wird unter japanischen Juristen als „Erdbebentransaktion“ bezeichnet, da das Gebäude zerstört wird. Dieses Prinzip gilt auch für den Fall, dass der Käufer des Grundstücks Kenntnis davon hatte, dass ein Gebäude und ein Grundstücksmieter existiert. Eine Ausnahme bilden „besonders arglistige“ Fälle, in denen der Käufer sich z.B. mit dem Verkäufer zusammentut, um den Mieter zu vertreiben. Laut deutschem Immobilienrecht wird beim Kauf einer vermieteten Immobilie das Mietverhältnis i.d.R. übernommen; es ist prinzipiell nicht möglich, den Mieter zu vertreiben („Kauf bricht nicht Miete“). Im japanischen Recht ist es genau umgekehrt und das Prinzip „Kauf bricht Miete“ tritt ein.

Wenn andererseits das Grundstücksnutzungsrecht des Gebäudeeigentümers ein dingliches Recht ist, also eines, das gegen jeden eingefordert werden kann, und als solches im Landregister eingetragen ist, kann der Gebäudeeigentümer auch dem Grundstückskäufer gegenüber das Nutzungsrecht des Grundstücks entgegenhalten.

Hinsichtlich des vertraglichen Grundstücksmietrechts für Wohngebäude, das eigentlich nur dem Vermieter entgegengehalten werden kann, gibt es unter bestimmten Bedingungen einen rechtlichen Schutz ähnlich eines dinglichen Rechts.

Bedeutung der Eintragung

Das deutsche Recht ist dadurch gekennzeichnet, den Schwerpunkt auf die Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten zu legen. Eine Besonderheit des deutschen dinglichen Rechts ist das sogenannte ,,Abstraktionsprinzip“, wonach dingliche Rechte nur durch ein besonderes notarielles Verfahren übertragen werden können. Da der Notar vor der Eintragung der Rechtsübertragung die Sachlage streng prüft, gilt das Eintragungssystem als sehr zuverlässig.

In Japan ist es dagegen theoretisch möglich, Eigentumsrechte, auch an Immobilien, durch mündliche Absprache zu übertragen. D.h. die Parteien können frei entscheiden, wann das Recht übertragen wird. In der Regel wird in der Gerichtspraxis jedoch in Fällen, in denen im Vertrag keine klare Regelung hinsichtlich des Zeitpunkts der Rechtsübertragung vorliegt, häufig feststellt, dass ,,es der rationelle Wille der Parteien war, gleichzeitig mit der Eintragung auch die Rechte zu übertragen“.

Da das japanische Recht kein Abstraktionsprinzip kennt, ist die Eintragung nicht mehr als die sogenannte Perfektion (taikō yōken) der Übertragung. Das folgende Beispiel veranschaulicht die Rolle der Eintragung: Eigentümer X verkauft eine Immobilie an Käufer Y1 und dieselbe Immobilie vor der Eintragung an Käufer Y2. Nehmen wir an, ein Dritter Z hat aus Fahrlässigkeit das Gebäude zerstört. Sowohl Y1 und Y2 sind im Verhältnis zu X der neue Eigentümer der Immobilie. Sowohl Y1 und Y2 haben jedoch das Recht, von Z Schadensersatz geltend zu machen, denn dazu ist keine Eintragung nötig. Zwischen Y1 und Y2 ist derjenige, der zuerst eingetragen ist, der endgültige Eigentümer. Dieses Beispiel veranschaulicht, wie kompliziert die Vollendung der Rechtsübertragung nach japanischem Gesetz ist.

Sicherheiten

In der Darlehenspraxis in Japan ist festzustellen, dass Finanzierungen weniger vom Wachstumspotential des Schuldnerunternehmens als vielmehr vom Wert der Immobilien, die als Sicherheiten gestellt werden, abhängen. Die bei Besicherungen in Deutschland übliche Grundschuld gibt es als solche im japanischen Recht nicht. Die üblichste Form der Immobiliensicherheit ist die Hypothek (teitōken) oder die revolvierende Hypothek (neteitōken). Der größte Unterschied zwischen Hypothek und Grundschuld liegt darin, dass bei der Hypothek immer eine Akzessorietät besteht. Dies bedeutet, dass das Pfandrecht abhängig ist von der Forderung, die sie besichert. Wenn z.B. zur Sicherung einer Forderung eine Hypothek bestellt wird und der Schuldner die Gesamtsumme zurückzahlt, erlischt die Hypothek automatisch. Die Eintragung besteht zwar weiter, wird aber als gegenstandslos angesehen. Zumindest sofern der Schuldner nachweisen kann, dass er den Gesamtbetrag bereits zurückgezahlt hat.

Die mit der Zivilrechtsreform von 1971 eingeführte revolvierende Hypothek hat die damit gesicherte Forderung von einer spezifischen Forderung in eine Forderung mit einem gewissen Umfang (gesetzlich definiert) erweitert, so dass die Akzessorietät von den spezifischen Einzelforderungen getrennt wurde. Darin ähnelt die revolvierende Hypothek der deutschen Grundschuld und sie wird auch häufig bei B2B Finanzierungen verwendet.

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