Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Onigiri: Klebreisbällchen mit langer Geschichte

Marie-Louise Helling
Marie-Louise Helling

Klein, dreieckig und lecker: Bestens als Snack für zwischendurch geeignet, begeistern japanische Onigiri mittlerweile weltweit mit ihren vielfältigen Geschmacksrichtungen und ihrer praktischen Form.

Mit Umeboshi (eingelegter Pflaume) gefüllte, dreieckige Onigiri
Das Onigiri: Ein Grundpfeiler der japanischen Hausmannskost. © subarasikiai / pixabay.com

In Japan werden sie Onigiri, omusubi oder nigirimeshi genannt. Wer einmal die Reisbällchen probiert hat, wird sie gewiss ein zweites Mal essen wollen. Knusprige Nori-Algenblätter hüllen den weichen Kern aus Reis ein, in dem wiederum die eigentliche Füllung eingebettet ist. Sie sind so klein und handlich, dass sie sogar Leben retten können, wie sich 1995 bei dem Hanshin-Awaji-Erdbeben in Westjapan zeigte. Tausende Ehrenamtliche verteilten Onigiri an die Verletzten und Obdachlosen. Somit ist dem Reisbällchen der 17. Januar, der Tag des Erdbebens, eines jeden Jahres gewidmet – der Tag des omusubi. Die Bedeutung von omusubi hängt stark mit diesem Ereignis zusammen und findet ihren Ursprung im Wort musubu, welches übersetzt „verbinden“ bedeutet. Somit bezieht sich das Wort nicht nur auf das Reisbällchen, sondern steht symbolisch für die Herzensverbindung zwischen uns Menschen. Wenn wir omusubi essen, verinnerlichen wir diese Idee und öffnen unser Herz für andere Menschen.

Votivtafeln mit dreieckige Onigiri (Reisbällchen) als Motiv
Omusubi: Die Reisbällchen auf diesen Votivtafeln stehen symbolisch für die Verbindung zwischen uns Menschen. © Susann Schuster / unsplash.com

Onigiri im alten Japan

In den Tagebüchern der Hofdame Murasaki Shikibu steht geschrieben, dass das Onigiri zum ersten Mal in der Heian-Zeit (794-1185) auf den Banketten der Adligen kredenzt wurde. Damals trug es den Namen tonjiki. Allerdings war das tonjiki nicht für die Adligen selbst bestimmt, sondern für deren Diener, Leibwächter und Soldaten. Aufgrund der handlichen Form konnte das kleine Reisbällchen auch mühelos als Wegproviant mitgenommen werden und etablierte sich schnell als Verpflegung für die Soldatentruppen, die in der frühen Kamakura-Zeit (1185-1333) in den Kampf zogen.

In den Wirren des Jōkyū-Aufstandes 1221 sorgten die Onigiri für volle Mägen der Krieger der östlichen Provinzen, die auf der Seite des Kamakura-Shōgunats kämpften. Die Kämpfe und Aufstände nahmen auch während der Sengoku-Zeit (1467-1603) kein Ende und so kam es, dass die Füllungen der Onigiri kreativer wurden, um den Soldaten Trost zu spenden. Neben eingelegten Pflaumen (umeboshi) kamen auch Gemüsefüllungen in Mode. Doch nicht nur die Füllungen veränderten sich, sondern auch der Reis. Wo zuvor noch roter und schwarzer Reis verwendet worden war, fand nun der klebrige Rundkornreis (uruchi-mai) Gefallen bei den Köchen des Landes. Nach der Einigung Japans; im Jahr 1590 durch den Feldherrn Toyotomi Hideyoshi, setzte sich weißer Reis aufgrund seines höheren Ertrags im Vergleich zu rotem und schwarzem Reis vollkommen durch.

Während der Genroku-Periode (1688-1704) in der Mitte der Edo-Zeit (1603-1868), wickelte man erstmalig quadratische Nori-Algenblätter um die Reisbällchen. Der Anbau von Seetang begann ebenfalls zu dieser Zeit. Bald waren Onigiri in der gesamten Bevölkerung in aller Munde und sie wurden als Mahlzeit oder Snack Bestandteil des alltäglichen Speiseplans.

Onigiri im modernen Japan

In der Meiji-Zeit (1868-1912) gesellte sich als populäre Füllung in Mirin und Sojasauce angebratener Lachs dazu. Yamamoto Tokujirō, Besitzer eines Nori-Geschäfts, entwickelte diese delikate Kombination speziell für einen Besuch bei Kaiser Matsuhito, der 1868 noch in Kyōto residierte. Von da an galt Kyōto als der Geburtsort dieser neuen Onigiri-Variante.

Bereits wenige Jahre später entstand am Bahnhof Utsunomiya in der Präfektur Tochigi die Idee, Onigiri in einer Bambusbox als sog. ekiben („Bahnhofs-Bentō“) für Zugreisende zu verkaufen. Zu zwei Reisbällchen wurden eingelegte Pflaumen und Rettich (takuan) gelegt, um den Geschmack herzhaft abzurunden, ganz im Sinne des japanischen Umami.

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Weiter führt die Geschichte in die Shōwa-Zeit (1926-1989), wo im Jahr 1952 im Restaurant Chizu in der Stadt Tsu (Präfektur Mie) der Tenmusu-Reisball erfunden wurde. Dabei handelt es sich um ein Onigiri mit einer Füllung aus frittierten Garnelen, umhüllt mit einem Nori-Blatt. Der Ruf der Leckerei schaffte es bis in die Großstadt Nagoya, wo der Tenmusu-Reisball heutzutage als regionale Köstlichkeit gilt.

Seit 1969 eröffneten in ganz Japan immer mehr Convenience Stores. Nach ungefähr zehn Jahren fand das Onigiri in den Regalen der 24-Stunden-Supermärkte seinen Platz, den es bis jetzt nicht wieder verlassen hat. Tatsächlich leisteten diese einen wichtigen Beitrag zur Popularität der Onigiri, als sie die sog. Parikko-Folie einführten, welche den Reis frisch und die Nori knusprig hält. Die Kommerzialisierung machte die Reisbällchen erschwinglich für Groß und Klein. Mittlerweile reicht der Onigiri-Ruhm so weit, dass die leckeren Bällchen es sogar auf die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO geschafft haben.

In Parikko-Folie verpackte, dreieckige Onigiri.
Durchdachte Konservierung: Die Parikko-Folie gewährleistet den Erhalt des leckeren Geschmacks. © Markus Winkler / unsplash.com

Die berühmte Dreiecksform

Im alten Japan gaben die Menschen den Onigiri bewusst eine dreieckige Form aus Respekt vor der Natur. Im Shintōismus gibt es viele Legenden über die Berge Japans, in denen die Geisterwesen und Götter (kami) wohnen. Die dreieckige Form sollte daher an die Berge erinnern und die Götter ehren. Reisende, die in den rauen Bergen unterwegs waren, glaubten daran, dass die dreieckige Form sie vor bösen Geistern beschützen würde.

Heutzutage zählt der Aberglauben nicht mehr so sehr wie früher.  Wichtiger ist die platzsparende, komfortable Form, um das Onigiri bequem mit in die Schule oder zur Arbeit nehmen zu können. Egal ob dreieckig oder rund, mit oder ohne Nori-Algen – die leichten, nährstoffreichen Onigiri sind aus dem japanischen Alltag nicht mehr wegzudenken! Unter den zahlreichen Varianten werden bestimmt auch Sie schnell Ihr Lieblings-Onigiri finden.

Zweifarbiges, dreickiges Onigiri auf Glasteller
Typische Dreiecksform: In Gedanken an den heiligen Berg Fuji. © Alison Pang / unsplash.com

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