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Der Fundplatz Yoshinogari: Juwel der Yayoi-Zeit

Maria-Laura Mitsuoka
Maria-Laura Mitsuoka

Ob Großstadttrubel oder beeindruckende Berglandschaften - Japan bietet für alle Gemüter das Passende. Auch Geschichtsinteressierte kommen nicht zu kurz, denn die zahlreichen historischen Denkmäler und Freilichtmuseen bieten tiefe Einblicke in längst vergangene Epochen. So gewährt der Yoshinogari-Fundplatz einen Zugang zur Yayoi-Zeit.

Yoshinogari Siedling
Die Rekonstruktion der Yayoi-zeitlichen Siedlung Yoshinogari wartet zwischen Bergketten und Tälern darauf, von Touristen aus aller Welt entdeckt zu werden. © これこれ (photo-ac)

Für viele Archäologen und Historiker gilt die Yayoi-Zeit (ca. 300 v. Chr. bis ca. 300 n. Chr.) als die Geburtsstunde der japanischen Kultur. In dieser Epoche brachten Einwanderer von der koreanischen Halbinsel das Metallhandwerk und den Nassreisanbau nach Japan, und die nomadische Lebensweise wurde durch zunehmende Sesshaftigkeit und landwirtschaftliche Aktivitäten ersetzt. Erste soziale Strukturen entwickelten sich durch die Herstellung wertvoller Bronzegegenstände, Menschen, die kulturelle Kontakte zum asiatischen Kontinent pflegten, wurden wohlhabend und politisch einflussreich.

Es entstanden sogenannte Kleinkönigreiche, die sich gegenseitig bekriegten und um die Vorherrschaft im Land wetteiferten. Eines der berühmtesten Reiche dieser Zeit ist das legendäre Yamatai, das dem gishi wajinden („Das Leben der Menschen von Wa“), einem Abschnitt aus den Chroniken der Drei Reiche, zufolge von der Schamanenkönigin Himiko regiert wurde und 70.000 Haushalte zählte. Bis heute ist der genaue Standort von Yamatai unbekannt, aber einige Forscher halten Yoshinogari für dieses Land der Mythen und Legenden.

Sehenswürdigkeiten

Yoshinogari liegt in der Stadt Kanzaki im Osten der Präfektur Saga (ca. 1 Stunde Bahnfahrt von Fukuoka entfernt) und bietet viele verschiedene Attraktionen, die Besuchern das Leben der Yayoi-Zeit offenbaren. Während die wohlhabende Bevölkerung im nördlichen Teil der Siedlung residierte, war der Süden für die ärmere Einwohnerschaft vorgesehen. Dieses Konzept stammt aus dem alten China und wurde in Yoshinogari übernommen. Im Gegensatz zum nördlichen Teil, wo Gräben und hohe Palisaden Schutz vor feindlichen Eindringlingen bieten sollten, fehlte es im Süden an Wällen und anderen aufwendigen Verteidigungsanlagen. Das Dorf bestand lediglich aus einem hochgeschossigen Lagerhaus und mehreren Grubenhäusern, die in dieser Form in ganz Japan vorzufinden waren.

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Hauptschrein von Yoshinogari
Der Hauptschrein innerhalb der nördlichen Umfriedung war ein imposantes Gebäude, das aus mehreren Geschossen bestand. Während das zweite Stockwerk als Versammlungsraum genutzt wurde, diente das dritte der Ahnenverehrung. ©恵藤 (photo-ac)

Verehrung der Götter

Die nördliche innere Umfriedung wird von Archäologen als der wichtigste Bereich der Siedlung interpretiert, denn hier sollen saisonale Feste, Zeremonien und große Märkte organisiert worden sein. Auch auf spiritueller Ebene habe er eine wichtige Rolle gespielt, da im Hauptschrein vermutlich Gebete und Rituale abgehalten wurden, um den Ahnen und Göttern zu huldigen. Neben den religiösen Gebäuden existierten auch takayukajūkyo (wörtl. Hochbodenhaus) und takayukasōko (Hochbodenlager), die in der archäologischen Fachsprache als Pfahlbauten bezeichnet werden.

Eine weitere Attraktion in diesem Gebiet ist die „schlüsselförmige Palisade“, die Eindringlinge davon abhalten sollte, das Dorf direkt zu betreten. Diese Art von Konstruktion wurde auch in alten chinesischen Siedlungen entdeckt, was erneut darauf hindeutet, dass Yoshinogari enge Beziehungen zu China unterhielt.

Der Wachturm in der südlichen inneren Umfriedung ermöglicht einen hervorragenden Ausblick auf die gesamte Siedlung und die ferne Landschaft. © RERE0204 (photo-ac)

Die Residenz der Herrscher

Die südliche innere Umfriedung im nördlichen Bereich diente vermutlich den Herrschern von Yoshinogari und der Oberschicht als Wohnsitz. Für diese These sprechen nicht nur die zahlreichen Befestigungsanlagen, wie etwa ein Wachturm und eine Aussichtsplattform, sondern auch die Pfahlbauarchitektur und Spuren der Eisenverarbeitung. Neben den Pfahlbauten gab es hier auch Grubenhäuser, die bis zu etwa 1 m tief in den Boden eingebettet waren. Hier war es im Sommer angenehm kühl und in den Wintermonaten wohlig warm.

In der Nähe der Herrscherhäuser wurden die Hinterlassenschaften eines großen Gebäudes aufgedeckt, das mittlerweile als Kochhaus bezeichnet wird. Ausgrabungen ergaben, dass die einzelnen Behausungen zwar über Feuerstellen verfügten, diese aber nicht zum Zubereiten von Speisen genutzt wurden. Vielmehr diente das Kochhaus als eine Art “Zubereitungsstätte”.

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Ruhestätte der Ahnen

Nach Ansicht vieler Forscher dienten die nördlichen Grabhügel aus dem 1. Jh. v. Chr. als letzte Ruhestätte der Herrscher und Ahnen. Es wurden nicht weniger als 14 Urnengräber entdeckt, von denen eines mit wertvollen Glasperlen und einem verzierten Bronzeschwert ausgestattet war. In späteren Zeiten wurde diese Anlage nicht mehr beansprucht, wahrscheinlich um die Ruhe der Ahnen nicht zu stören. Vor den Grabhügeln stand eine große Säule, die von Archäologen als ricchū bezeichnet wird. Es schien sich um einen symbolischen Pfeiler zu handeln, in dem die Geister der Ahnen weilten. In der Nähe stand ein Pfahlgebäude, das heute als Gebetshalle gedeutet wird.

Am nördlichen Grabhügel wurden Urnengräber entdeckt, die wertvolle Beigaben wie Glasperlen enthielten. Daraus lässt sich schließen, dass hier hochrangige Personen bestattet worden waren. © 恵藤 (photo-ac)

Die Forschung geht weiter

Obgleich die Stätte bereits ausgiebig untersucht wurde, schlummern noch zahlreiche Artefakte unter der Erde, die das Licht der Welt erblicken wollen. So startete nach zehn Jahren Stillstand am 3. Mai 2022 eine neue Ausgrabung, die einen bisher noch unerforschten Bereich unter die Lupe nahm. Mit einigen unwetterbedingten Unterbrechungen liefen die Untersuchungen bis zum 14. Juni dieses Jahres. Dabei wurde im April ein Steinkistengrab aus der Erde geborgen, das komplett rot pigmentiert war. Daraus schlussfolgerten Forscher, dass es sich um die Ruhestätte einer bedeutenden Persönlichkeit handelte. Japanische Archäologen sind zuversichtlich, dass künftige Forschungsarbeiten das Geheimnis um den Standort von Yamatai lüften werden.

Und es gibt noch mehr

Neben der Besichtigung der Attraktionen bietet Yoshinogari auch interaktive Workshops für alle Altersgruppen. So können Besucher die dōtaku (Bronzeglocke) läuten oder Tonflöten sowie magatama (gebogene kommaförmige Perlen) herstellen.

Im Nishi Service Center können Reservierungen für Minigolf oder Picknicks auf dem großen Yayoi-Feld vor dem Museum vorgenommen werden. Wem der Sinn nach einem Spaziergang in der Natur steht, der sollte eine Wanderung durch die alten Reisfelder unternehmen, die auf der Grundlage archäologischer Forschungen neu bepflanzt worden sind. Besonders reizvoll ist die Zeit vom Frühsommer bis zur Herbstmitte, wenn roter Reis und andere Feldfrüchte angebaut werden und die Gegend in ein Meer aus roten Farbtönen verwandeln.

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Auf nach Yoshinogari: Anfahrt

Für diejenigen, die auf den Geschmack der Yayoi-Kultur gekommen sind, stellen wir im Folgenden die Anreise mit Auto oder Bahn vor.

Mit dem Auto

Vom Flughafen Saga ca. 40 Minuten, vom Flughafen Fukuoka ca. 60 Minuten Fahrt. Alternativ dauert es von der JR Station Saga 25 Minuten, von der JR Station Hakata ca. 60 Minuten. 

Mit der Bahn

Von der JR Station Hakata mit der Kagoshima Honsen-Linie bis zur JR Station Tosu (20-30 Minuten). Von dort mit der Nagasaki Honsen-Linie zur JR Station Kanzaki (ca. 17 Minuten). 

Der Yoshinogari-Fundplatz liegt ca. 15 Minuten Fußweg vom Bahnhof Kanzaki entfernt. 

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