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Sannai Maruyama: Das Tor in die Jōmon-Zeit

Maria-Laura Mitsuoka
Maria-Laura Mitsuoka

Keine archäologische Stätte ist so bekannt wie Sannai Maruyama in der Präfektur Aomori. Sie bildet nicht nur das kulturelle Zentrum der Region, sondern dient dank ihrer reichen Vielfalt an Artefakten und Befunden auch als Tor in die ferne Jōmon-Zeit. Heute bietet sie Besuchern in Form eines Freilichtmuseums ein abenteuerliches Erlebnis.

Sannai Maruyama Landschaft
Das berühmte Freilichtmuseum im immergrünen Norden des Landes bietet einen Einblick in die längst vergangene Jōmon-Zeit. © kazu_m4 (photo-ac)

Einige archäologische Stätten bleiben so lange im Erdreich verborgen, bis sie erst im Zuge großer Bauprojekte ans Licht kommen, wohingegen andere schon seit Jahrhunderten historisch dokumentiert sind. Zu letzterem zählt der Fundplatz Sannai Maruyama, eine archäologische Siedlung aus der Jōmon-Zeit, die bereits im Edo-zeitlichen Werk Eiroku Nikki von Yamazaki Ryūboku aus dem Jahr 1623 erwähnt wird. Allerdings sollte der Fundplatz erst ab 1953 durch Ausgrabungen der Kyōto Keiō-Universität und des Bildungsausschusses der Präfektur Aomori wieder Popularität erlangen. Ein wissenschaftlicher Durchbruch gelang schließlich 1992, als die Ausgrabungsarbeiten zahlreiche Funde zutage förderten, die ein genaueres Bild der lange vergessenen Jōmon-Zeit offenbarten.

Der bedeutendste Fundplatz des Nordens

Neben Pfostenlöchern ehemaliger Hütten und Pfahlbauten wurden auch Gräben und Grabstätten untersucht, die eine große Anzahl von Artefakten aus Ton, Stein, Holz, Knochen und Geweih hervorbrachten. Dies ermöglichte eine Datierung der Siedlung in die frühe bis mittlere Jōmon-Zeit, d.h. ca. 3.900 bis 2.200 v. Chr. Als besonders repräsentativ für diese Epoche gelten die freigelegten Töpferwaren des Entō-Typs, die sich durch ein breites Spektrum an zylindrischen Formen auszeichnen. Aufgrund dieser wertvollen Zeugnisse beschloss die Präfektur Aomori 1995, die Siedlung für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nur zwei Jahre später wurde Sannai Maruyama zu einer nationalen historischen Stätte erklärt. Heute bietet sie verschiedene Rundgänge, welche die Gäste durch die zahlreichen Stationen des Geländes führen, sowie eine pittoreske, von Bäumen und Bergketten gesäumte Naturlandschaft.

Grubenhäuser in Sannai Maruyama
Drei unterschiedliche Arten von Grubenhäusern sind in Sannai Maruyama rekonstruiert worden: einige mit einem Dach aus Stroh, andere mit einem aus Rinde und wieder andere mit einem Dach aus Lehm und Schlamm. © kilmyway (photo-ac)

Schöner Wohnen in der Jōmon-Zeit

Sannai Maruyama ist eine wahre Fundgrube an archäologischen Überresten, anhand derer sich der Alltag in der Jōmon-Zeit gut nachvollziehen lässt. So verraten die Pfostenlöcher und Gruben viel über das Lebensumfeld der damaligen Bevölkerung. Die ersten Siedler wohnten in sogenannten tateana-jūkyō (Grubenhäusern), die einen Durchmesser von drei bis fünf Metern hatten. Diese wurden etwa einen Meter tief in den Boden eingelassen und boten in den kalten Wintertagen Wärme und Schutz, während sie im Sommer eine angenehme Kühle spendeten. Drei verschiedene Typen von Grubenhäusern wurden in Sannai Maruyama rekonstruiert, die sich durch ihre Dächer voneinander unterscheiden.

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Neben den Pfostenlöchern erregten auch die Vorratsgruben, die bei jeder Hütte gefunden wurden und zur Lagerung von Lebensmitteln dienten, großes Interesse. Denn anhand der hinterlassenen Pollen und Essensreste wurden die natürliche Landschaft und die Ernährung in der Jōmon-Zeit greifbar. Auf dem Speiseplan standen vor allem Kastanien und Walnüsse, außerdem vermuten die Forschenden, dass auch Kartoffeln, Wildgemüse, Hülsenfrüchte und Kürbisse verzehrt wurden.

Auffällige Pfostenbauten

Bei den Ausgrabungen erregten sechs Pfostenlöcher mit einem Durchmesser von 2 m, einer Tiefe von 2 m und einem Abstand von 4,2 m besonders große Aufmerksamkeit, da sie nicht zuletzt Spuren von Kastanienholzsäulen enthielten. Diese waren aufgrund des reichlich vorhandenen Grundwassers konserviert worden und trugen zu einem genaueren Verständnis der Jōmon-zeitlichen Bauweise bei. Die Analyse des Bodendrucks ergab, dass es sich um ein großes Gebäude mit drei Stockwerken handelte. Der Zweck dieses Bauwerks ist nicht bekannt, eventuell handelte es sich um einen Wachturm. Forschenden zufolge ist die Konstruktion etwa 4.600 Jahre alt.

Pfostenbau in Sannai Maruyama
Anhand der Abmessungen der großen Pfostenlöcher und des Bodendrucks konnte diese Rekonstruktion eines turmartigen Gebäudes angefertigt werden. © kilmyway (photo-ac)

Wenn Hügel sprechen

Archäologen konnten im Norden, Süden und Westen von Sannai Maruyama Hügel identifizieren, die im Laufe der Jahre durch Kompostierung und Abfallentsorgung entstanden waren. Besonders interessant für Touristen dürfte der nördliche Hügel sein, da dieser nicht wieder zugedeckt wurde und noch im Zustand der Ausgrabung zu besichtigen ist. Der feuchte Boden ermöglichte die Entdeckung gut erhaltener organischer Überreste: So wurden neben Tier- und Fischknochen auch Pflanzensamen, Lackwaren, Holzgegenstände, gewebte Objekte und Parasiteneier geborgen. Heute können bei einem Besuch im Erdboden zahlreiche Keramikscherben bewundert werden, die einen Einblick in einen archäologischen Arbeitsalltag ermöglichen.

Bis 2022 fanden Ausgrabungen statt, die immer wieder neues Licht in das Dunkel der Vergangenheit brachten. Auch in den kommenden Jahren sind weitere Forschungsarbeiten zu erwarten. © リュウキ (photo-ac)

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Grabstätten als Zeugen der Vergangenheit

Über die Jahre hinweg wurden auf dem japanischen Archipel zahlreiche Bestattungsarten praktiziert, die sich je nach Epoche und Region stark unterschieden. In Sannai Maruyama war die Grubenbestattung mit ovalen oder runden Gruben, die im östlichen Teil der Siedlung gefunden wurden, eine verbreitete Methode. Kinder wurden nach ihrem Tod in Tonurnen beigesetzt, wie ca. 900 Urnengrabfunde belegen. Ab der mittleren Jōmon-Zeit änderte sich die Bestattungsform, was auf eine gesellschaftliche Veränderung oder eine Entwicklung der religiösen Praktiken hinweisen könnte. Die Verstorbenen wurden zwar immer noch in Gruben beigesetzt, doch lagen diese nun entlang eines Weges und waren mit runden Steinsetzungen versehen.

Sehr untypisch für die Jōmon-Zeit und entsprechend interessant ist außerdem die Beobachtung, dass aus der Anordnung der Gräber hierarchische Strukturen zu erkennen sind. Dies würde die allgemeine Meinung entkräften, dass sich soziale Schichten erst ab der Yayoi-Zeit (ca. 300 v. Chr. – 300 n. Chr.) bildeten. Als Grabbeigaben wurden Jadeanhänger, Schmuck und Steinwerkzeuge verwendet, die zum Teil von weit her importiert wurden. Daraus lässt sich schließen, dass Sannai Maruyama über Wirtschaftswege verfügte und mit anderen Siedlungen Handel betrieb.

Informationen für Interessierte

Das Freilichtmuseum empfiehlt seinen Gästen verschiedene Wanderrouten, die sich je nach Angebot für japanische und ausländische Gäste unterscheiden. Sollten Sie einen entspannten Spaziergang durch die Landschaft planen, können Sie sich die “Relaxed stroll”-Route aussuchen, die etwa drei Stunden in Anspruch nimmt. Darin enthalten sind ein Besuch des Jōmon-Theaters, das ein kurzes Einführungsvideo zeigt, eine geführte Tour (ca. 50 Minuten) und ein Besuch des Museums. Außerdem werden verschiedene Workshops angeboten, die je nach Projekt zwischen 30 und 120 Minuten umfassen können. Für den Hunger zwischendurch bietet das Restaurant Gosen-Nen no Hoshi traditionelle Gerichte mit Zutaten an, die an die Jōmon-Zeit angelehnt sind.

Anfahrt:

Mit dem Auto: Vom Tohoku Express Way Aomori Interchange ca. 5 Minuten

Mit dem Bus:

  • Vom Flughafen Aomori ca. 35 Minuten (JR Bus)
  • Vom JR-Bahnhof Aomori ca. 30 Minuten (Aomori City Bus)
  • Vom JR-Bahnhof Shin-Aomori ca. 15 Minuten (Nebutan-Bus)

Zu Fuß: Ca. 35 Minuten vom JR-Bahnhof Shin-Aomori

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