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Jahresrückblick: Das war Japan 2018

Matthias Reich
Matthias Reich

Das alte Jahr neigt sich dem Ende, das neue naht mit schnellen Schritten. Zeit für einen kurzen Blick zurück auf das, was Japan 2018 bewegte.

hanyu yuzuru
Hanyū Yuzuru gewinnt Gold beim Cup of Russia - trotz Knöchelverletzung. © Valery Sharifulin/Tass/PA Images

Ein guter Indikator für das, was die Menschen im jeweiligen Jahr am meisten beschäftigte, ist das Wort des Jahres, beziehungsweise im Falle Japans, das Schriftzeichen des Jahres. Das am 12.12. bekannt gegebene Zeichen lautete 災 (gelesen SAI, oder wazawa-i) und bedeutet schlicht und einfach „Katastrophe”. Dieses bezog sich jedoch im Jahr 2018 nicht auf das Jahr als solches, sondern auf diverse Naturkatastrophen, allen voran ein paar tödliche Taifune sowie zwei starke Erdbeben. Besonders schlimm war tatsächlich die Taifunsaison – so gab es doch mehr und vor allem stärkere Taifune sowie ein paar „direkte Treffer” die vor allem Ōsaka arg in Mitleidenschaft zogen und das Wort Klimawandel zu einem viel diskutierten Thema machten.

Wirtschaftlich gesehen verlief das Jahr nicht allzu schlecht – vielleicht erreichte man sogar eine Wachstumsrate von rund 2%, und das hatte man schon lange nicht mehr. Dass die Wirtschaftslage verhältnismäßig gut war, erkennt man besonders im Dezember: Je besser die Wirtschaft, desto mehr Firmen spendieren Jahresendfeiern und desto mühseliger wird es, im Dezember ein Restaurant oder ein Taxi zu finden. Letzteres ist in diesem ausklingenden Jahr deutlich schwieriger als in den Vorjahren.

Apropos Wirtschaft: 2018 endete mit einem Paukenschlag. Carlos Ghosn, ein sehr erfolgreicher französischer Manager und seit Jahren an der Spitze von Nissan, wurde plötzlich verhaftet – ihm wird die massive Unterschlagung von Steuern vorgeworfen, doch der ganze Skandal sieht nach einem üblen Staatsstreich im Hause Nissan aus. Die Ganze Wahrheit über den Vorfall wird man jedoch entweder nie oder erst nach langer Zeit und zahllosen Gerichtsverhandlungen sehen. Der Fall des Carlos Ghosn ist alles in allem jedoch sehr bedauerlich, denn er war ein leuchtendes Beispiel dafür, dass japanische Konzerne durchaus auch von ausländischem Management profitieren können.

In der Politik geschah letztendlich nichts Bahnbrechendes. Ministerpräsident Abe sitzt mit seinen Liberaldemokraten fest im Sattel, und das trotz unzähliger größerer und kleiner Skandale. Dazu gehören massive Korruptionsvorwürfe, die in vielen anderen Ländern schon längst zur Amtsenthebung geführt hätten. Doch nicht in Japan: Teflon-Abe lässt noch immer alles an sich abprallen und der Opposition fehlt seit Jahren schon eine Lichtgestalt, die den ganzen Ärger bündeln könnte. Während jedoch Abe nach wie vor sehr redegewandt und selbstbewusst im Parlament auftritt, kann man das von einigen seiner Kabinettsmitglieder leider nicht behaupten: 2018 war das Jahr einiger äußerst peinlicher Ministerauftritte – Außenminister Kōno zum Beispiel beantwortete alle Fragen während einer Pressekonferenz mit einem schlichten „Die nächste Frage bitte”, und Sakurada, Minister fūr die Ausrichtung der Olympischen Spiele und Minister für Cyber-Sicherheit kann nicht einmal „Olympische Spiele“ oder „Paralympische Spiele“ aussprechen. Hinzu kamen dann noch seine Aussagen als amtierender Minister für Cyber-Sicherheit, er habe noch nie im Leben einen PC benutzen müssen.

Zum Thema Außenpolitik: Das Jahr war vor allem durch die sich positiv entwickelnden Beziehungen zur Volksrepublik China geprägt – und durch einen erneuten Tiefpunkt der Beziehungen zu Südkorea. Ein paar Bemerkungen des russischen Präsidenten Vladimir Putin ließen (mal wieder) Hoffnungen aufkeimen, dass es zu einer Einigung im Streit um die Nördlichen Territorien (Südkurilen) kommen könnte, doch das, so viel kann man schon mal hellseherisch behaupten, wird wohl eine Illusion bleiben. Zudem wurde das Freihandelsabkommen mit der EU ratifiziert, was zum Wegfall zahlreicher Zollschranken führen wird.

ContainerDas japanisch-europäische Freihandelabkommen: Gegengewicht zu Trumps „America First“-PolicyDas in diesem Jahr unterzeichnete Freihandelsabkommen zwischen Japan und der EU intensiviert die Vernetzung beider Wirtschatfsräume. Doch wa...11.11.2018

Der Sport sorgte auch im Jahr 2018 für viele Schlagzeilen – teils gute, teils aber auch schlechte. Einen wahren Aufwind erfuhren vor allem Badminton, Fußball, Tennis, Eiskunstlauf, aber auch Curling (die Redewendung des Jahres 2018, “sodanē そだねー”, wurde immerhin von den Curlingdamen geprägt). Besonders gefeiert wurden dabei der Eiskunstläufer Hanyū Yuzuru, ein wahres Ausnahmetalent, sowie Naomi Ōsaka, Tennisspielerin, die allerdings auch Diskussionen entfachte: Kann die in den USA aufgewachsene Tochter japanisch-haïtianischer Eltern mit ihren leidlichen Japanischkenntnissen als Japanerin durchgehen? Die Medien waren sich einig: Sie kann. Negative Schlagzeilen gab es jedoch vor allem vom Traditionssport Sumō: Fälle exzessiver Gewalt, Geklüngel im Sumōverband und eine Ärztin, der erste Hilfeleistung im Ring untersagt worde, da sie eine Frau sei, kratzten arg am Image dieser sonst als so ehrwürdig geltenden Sportart.

Musikalisch gab es sicherlich keine Revolution: Im Gegenteil. Der Hit des Jahres, “U.S.A.” von DA PUMP ist eher eine Hommage an die Diskomusik der wilden Bubble-Jahre. Bemerkenswert war jedoch der (lang geplante) Rückzug von Namie Amuro, der wohl beliebtesten Popqueen Japans.

Was sonst noch geschah:

Februar: Der Direktor einer öffentlichen Grundschule nahe der Ginza gibt bekannt, dass die Schuluniformen ab dem kommenden Schuljahr vom Nobeldesigner Armani kommen sollen. Kostenpunkt: Rund 600 Euro pro Schüler (natürlich von den Eltern zu bezahlen). Es hagelt Proteste.

Am 6. Juli werden 7 Mitglieder der Aum-Sekte gehenkt – darunter auch der Sektenführer Asahara Shōkō. Sie waren unter anderem wegen des Giftgasanschlags in Tōkyō im Jahr 1995 zum Tode verurteilt worden.

Am 6. Oktober zieht der Tōkyōter Fischmarkt nach 83 Jahren in Tsukiji zu seinem neuen Standort nach Toyosu um. Zwar gibt es auch am neuen Standort ein paar Umweltprobleme, doch die sind eher klein im Vergleich zu den Problemen am alten Standort.

Am 15. Oktober findet Obata, ein 78-jähriger freiwilliger Katastrophenhelfer, innerhalb von 20 Minuten einen vermissten 2-Jährigen, nach dem dutzende Menschen drei Tage lang gefahndet haben. Kind und Rentner sind wohlauf.

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