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Japans Top 10 Buzzwords 2018

Nils Gärtner
Nils Gärtner

In Japan werden jedes Jahr Preise für die zehn gängigsten Schlagwörter des Jahres verliehen. Der diesmalig Erstplatzierte ist der Ausdruck „sodanē“. Worum es sich dabei handelt und was die anderen neun Wörter sind, erfahren Sie in unserem Beitrag.

Buzzword Hampanaitte

Die Top 10 Buzzwords Japans werden seit 1984 jährlich von der Bildungs- und Entertainmentfirma U-CAN Inc. ausgewählt und spiegeln das gegenwärtige soziale und politische Klima des Landes wieder. Dabei werden für die ersten zehn Plätze Preise verliehen, die in einer Zeremonie zu Beginn jedes Dezembers bekannt gegeben und von den wortprägenden Personen oder Einrichtungen entgegengenommen werden können. Die diesjährig erwählten Ausdrücke kommen vornehmlich aus dem Sport und den Nachrichten.

Erster Platz: sodanē (そだねー)

Im geschriebenen Japanisch wird der Satz eigentlich als sōdane そうだね auf dem „sō“ betont und auch entsprechend verschriftlicht. In beiden Varianten bedeutet der Ausdruck so viel wie „genau so“ oder „ja“ mit sympathievoller Konnotation. Berühmt wurde der Einsatz von sodanē durch das japanische Curling-Team der Frauen, welche den Satz immer wieder während ihrer Performance bei Olympischen Winterspielen zu Beginn des Jahres in Pyeongchang verwendeten. Dort konnten sie für Japan schließlich die Bronze-Medaille in der Disziplin erringen. Ein Grund für die Wahl des umgangssprachlichen und informellen sodanē zum ersten Platz, so das Komitee, sei der unbeschwerte und familiäre Austausch unter den Sportlerinnen. Dieser beschere den Japanern etwas Erleichterung von der hyperpolitisierten Gegenwart, in welcher stetig übertriebene und intolerante Reaktionen auf sozialen Medien schnell für mentale Erschöpfung und Angespanntheit bei den Lesern sorgen. Weiterhin stieß der Ausdruck auf besonderes Wohlwollen bei der Jury, da er kein künstlich geschaffener Begriff ist, sondern eine natürliche Abwandlung eines japanischen Begriffs darstellt, frei von jeglicher Unechtheit und versteckten Agenden.

Weitere Platzierungen der Top 10 (alphabetisch geordnet)

Bōtto ikiten janē yo! (ボーっと生きてんじゃねーよ!)

Dieser umgangssprachliche Satz drückt so viel aus wie „Verpenn dein Leben nicht!“ und entstammt der beliebten NHK-Serie Chiko-chan ni shikarareru (Zurechtgewiesen von Chiko-chan). In der Variety-Show stellt die im Mangastil als kleines Mädchen animierte Chiko-chan naiv wirkende Fragen an die eingeladenen Promis und Gäste. Bekommt sie keine zufriedenstellende Antwort, bohrt sie daher unaufhörlich mit „wieso?“, „warum?“ und „weshalb?“ nach, bis sie letztlich eine aufrichtige Erklärung erhält. Dabei verwendet sie immer wieder in aufgespielter Erbostheit ihre Schlagwörter Bōtto ikiten janē yo!

E supōtsu (eスポーツ)

Nachdem ein südkoreanisches Profi-Team des beliebten MOBAs (Multiplayer Online Battle Arena) „League of Legends“ noch das Olympische Feuer zu den Winterspielen 2018 tragen durfte, erteilte Thomas Bach, Präsident des Olympischen Komitees, dem E-Sport Mitte dieses Jahres eine Absage. Der bereits in zahllosen Disziplinen bzw. Spielen ausgetragene elektronische Sport werde nicht mit ins olympische Programm aufgenommen, solange Bach Leiter des Komitees sei. Wie auch im Rest der Welt, erfreuen sich E-Sports in Japan zunehmender Akzeptanz und Beliebtheit.

Gohan rompō (ご飯論法)

Gohan rompō bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie „Reis-Argumentation“. Professorin Uenishi Mitsuko von der Hōsei-Universität trug dabei besonders zur Verbreitung des Ausdrucks bei. So betitelt sie die Argumentationsweisen gewisser Politiker als gohan rompō, die eine gestellte Frage mit Absicht falsch interpretieren, um sich so vor einer konkreten Antwort zu drücken. Hintergrund für den Begriff ist die Ambivalenz des Wortes gohan. Dieses kann gleichermaßen Reis und Mahlzeit bedeuten. Stellt z.B. eine Mutter dem heimkehrenden Kind, welches das zuhause gekochte Essen nicht anrühren will, also die Frage ob es bereits gohan gegessen hätte, fasst das Kind diese mit Absicht falsch auf und sagt „Nein“ – so hat es auf dem Heimweg doch schließlich Tempura und keinen Reis gegessen.

Hampanaitte (半端ないって)

Die Bezeichnung hampanai bedeutet umgangssprachlich so viel wie „außerordentlich“ und wurde ursprünglich von einem Gegner des Fußballspielers Ōsako Yūya geprägt, welcher das Wort in einem Fernsehinterview nach einer Niederlage gegen Ōsakos Team benutzte. Spätestens dann zum diesjährigen Fußball-WM-Auftritt Ōsakos in der japanischen Mannschaft und seinem entscheidenden 2:1 gegen Kolumbien im Auftaktspiel, war der Begriff bezeichnend für seine Leistungen und schließlich auch für die des japanischen Kaders geworden. Angenommen wurde der Preis durch Ōsako jedoch nicht.

Nara hantei (奈良判定)

Nara hantei heißt wörtlich übersetzt „Nara-Urteil“ und bezieht sich auf einen Skandal der japanischen Boxwelt, welcher damit seinen Höhepunkt fand, dass der Vorsitzende der japanischen Box-Föderation, Yamane Akira, im August dieses Jahres von seinem Posten zurücktreten musste. Grund hierzu war die Verhärtung von Vorwürfen, Kämpfer aus seiner Heimatprovinz Nara seien vorteilhaft von den Schiedsrichtern der Föderation behandelt wurden.

Ossanzu rabu (おっさんずラブ)

Die gleichnamige Dramaserie von TV asahi dreht sich um intrikate Liebesbeziehungen (rabu) zwischen drei mittelaltrigen Männern (ossan) einer Immobilienfirma in Tōkyō. Dabei wird der bei Frauen eher unbeliebte Protagonist von seinem Mitbewohner/Arbeitskollegen und Boss umschwärmt, obwohl er doch eigentlich hetero ist. Die Serie greift das Hauptelement der „Boy-Love“ aus der yaoi-Subkultur, welche bisher auf Animes und Mangas beschränkt war, auf. Wider aller Erwartungen wurde die mittlerweile wieder abgesetzte Serie dennoch sehr positiv im sonst eher konservativen Japan aufgenommen und hat sich rasch zum Highlight der diesjährigen japanischen Dramenlandschaft entwickelt.

Sagaikyū no atsusa (災害級の暑さ)

Die diesjährige sommerliche „Hitze der Stufe Desaster“ erreichte nicht nur in Deutschland, sondern auch in Japan Rekordhöhen. In der Stadt Kumagaya, Saitama, konnte daher eine Temperatur von 41,1 °C gemessen werden – die höchste je in Japan ermittelte Temperatur seit Beginn der Aufzeichnungen. Begleiter der Rekordhitze waren leider auch viele Hitzetode von Rentnern oder anderen hilfsbedürftigen Menschen, die sich überanstrengten, zu wenig tranken oder deren Klimaanlage versagte. Hinzu kamen ebenfalls noch sintflutartige Regenfalle und Überschwemmungen, die lokal für Verwüstungen sorgten. Die Gewitter, welche für diese Naturkatastrophen verantwortlich waren, wurden ebenfalls durch die anhaltende Hitze verursacht.

Sūpāborantia (スーパーボランティア)

Die Bezeichnung sūpāborantia (Super-Freiwilliger) wurde dem 78-jährigen Obata Haruo von den Medien verliehen. Er fand im August ein 2 Jahre junges Kind auf, welches 68 Stunden zuvor als vermisst gemeldet worden war. Neben diesem Glücksfund ist Obata bereits seit seinem 65. Lebensjahr als freiwilliger Helfer aktiv, nachdem das Chūetsu-Erdbeben von 2004 Teile der Provinz Niigata verwüstete. Seitdem engagiert er sich in zahlreichen Umweltschutzprojekten und bot auch bei anderen Katastrophen seine Hilfe an, wie etwa dem 2011 Tōhoku-Dreifach-Desaster. So leitete er damals einen „Erinnerungs-Suchtrupp“, der den betroffenen Menschen dabei half, Familienfotos und Memorialien aus den Trümmern ihrer zerstörten Häuser zu bergen. Wie auch Ōsako, lehnte Obata eine Annahme des durch U-CAN verliehenen Preises ab.

#MeToo

Die in den USA entstandene #MeToo-Bewegung, welche sich mit sexueller Misshandlung von in Machtpositionen befindlichen Männern gegen Frauen beschäftigt, gewann auch in Japan im Laufe dieses Jahres an Dynamik. Vor allem durch die Aussagen der japanischen Journalistin Itō Shiori wurde die Debatte von der Öffentlichkeit aufgenommen. Diese prangerte an, sie sei von einem berühmten Journalisten mit Beziehungen zu Premierminister Abe vergewaltigt worden. Weiterhin befeuerte Finanzminister Asō Tarō die Bewegung, durch sein kategorisches Ausschließen der angeblich stattgefundenen sexuellen Übergriffe in seinem Ministerium.

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