Kriegsgefahr II: Folgen eines nordkoreanischen Militärschlags für Japan

Christiane Süßel
Christiane Süßel

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-Un liefert sich derzeit immer wieder Wortgefechte mit dem neuen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Kim droht dabei mit seinem beachtlichen Raketen- und Bombenarsenal auch Japan. Gerät das Land zwischen die Fronten?

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un provoziert sowohl Südkorea als auch Japan und die USA immer wieder mit dem Test von Trägerraketen.

Im Sommer 2017 lieferten sich Kim Jong-Un und Donald Trump einen verbalen Schlagabtausch, der die ganze Welt in Atem hielt. Plötzlich standen auch militärische Optionen im Raum. Doch was würde im Ernstfall in Japan passieren? Es kursieren hierzu diverse Szenarien: Die österreichische Zeitung „Der Standard“ geht davon aus, dass es im Fall einer militärischen Auseinandersetzung mit dem abgeschotteten Land zu rund einer Million Toten, schweren Verwerfungen in der Weltwirtschaft und zu riesigen Flüchtlingsströmen kommen könnte. Das aber nur, wenn keine Nuklearwaffen eingesetzt würden. Die Berechnungen sagen, dass nordkoreanische Artilleriestellungen innerhalb von wenigen Stunden den 25-Millionen-Einwohner umfassenden Großraum Seouls treffen könnten. Schon in den ersten Tagen käme es zu 300.000 Toten. Die im restlichen Nordkorea stationierten weiteren Raketen könnten auch Tōkyō treffen. Die japanische Metropolregion ist in mehrfacher Sicht verletzbar: Zum einen ist der Großraum äußerst dicht besiedelt und zum anderen befinden sich dort nahezu alle wichtigen Regierungsinstitutionen auf engstem Raum. Hinzu kommt: In Japan fehlt es an Zivilschutzräumen und Bunkern.

Kim droht auch mit Bio- und Chemiewaffen

Käme es sogar zum Einsatz von Bio- und Chemiewaffen, wären die Ausmaße weitaus schlimmer. Kim wird nachgesagt, er verfüge über 5.000 Tonnen Giftgas und ein Arsenal an Viren, darunter Anthrax, VX, Botulismus, Lassafieber, Pest, Pocken, Thypus und Gelbfieber. Diese Kampfstoffe könnten Südkorea aber auch Japan treffen. Egal ob konventioneller oder Chemiewaffenkrieg: Würden Südkoreas LC-Display- und Halbleiterfabriken angegriffen, könnte das die Weltwirtschaft ins Mark treffen.

Auswirkungen eines Atomkriegs

Doch noch schlimmer wäre ein Atomkrieg. Der Standard spricht vage von mehreren Millionen Toten. Das US-südkoreanische Institut der Hopkins School of Advanced Internationale Studies „38 North“ hat unterschiedliche Szenarien simuliert: Würden sowohl Seoul als auch Tōkyō mit Atomwaffen angegriffen, so käme es im besten Fall (geringe Sprengkraft und Präzision des Marschflugkörpers) zu 1,9 Mill. Toten und Verletzten. Präzise und mit größerer Sprengkraft ausgestattete Bomben könnten in beiden Metropolen 17 Mill. Menschen töten oder verletzen. Dabei rangieren die japanischen Opferzahlen bei einem Eingriff auf Tōkyō von 918.000 bis zu 8,2 Mill. Toten und Verletzten. Würden 50 Bomben mit der vergleichsweise geringen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe abgeworfen, würden die Explosionen und folgenden Brände so viel Ruß freisetzen, dass die Sonneneinstrahlung behindert würde, schreibt „Der Standard“. Missernten trieben dann die Preise nach oben. Es käme weltweit zu Hungersnöten.

Reaktionen Japans auf Provokationen

Doch was bedeuten diese Szenarien für die Sicherheit Japans? Das Militär verfügt zwar über ein Raketenabwehrsystem. Dennoch machten die Japaner keine Versuche, die Mittelstreckenrakete, die am 15. September in einer Höhe von 800 Kilometer über Hokkaido hinwegflog, abzuschießen. Es habe keine Gefahr für Japan bestanden, so die offizielle Begründung. Experten nähren Zweifel, dass das japanische Abwehrsystem Flugkörper mit solcher Geschwindigkeit und Höhe abschießen kann. Allerdings löste die Rakete eine Warnung des Katastrophendienstes J-Alert in den zwölf nördlichen Präfekturen Hokkaidō, Aomori, Iwate, Miyagi, Akita, Yamagata, Fukushima, Ibaraki, Tochigi, Gunma, Niigata und Nagano aus.

Japan könnte an der Seite der USA kämpfen

Gabriele Vogt, Japanologie-Professorin an der Hamburger Universität, sieht die Gefahr generell als gegeben, dass Japans Selbstverteidigungsarmee in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt werden könnte. Mit der Ausweitung der Sicherheitsgesetze in 2015 habe Abe es möglich gemacht, dass das Land einen Beitrag zur sogenannten kollektiven Sicherheit leistet. „Japan darf jetzt – trotz der pazifistischen Verfassung – an der Seite des Bündnispartners USA kämpfen, vorausgesetzt die aktuelle Situation stellt eine unmittelbare Bedrohung für Japan dar.“

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