Japanische Immigration nach Hawaii: Falsche Versprechungen und neue Chancen

Diana Casanova
Diana Casanova

Während Japan sich über Jahrhunderte fast völlig von der Außenwelt abschottete, ging es ab 1868 ganz schnell: Das Land öffnete sich und Migrationsströme flossen ins Ausland. Hawaii war einer der ersten Staaten, in die organisiert emigriert wurde. Ein Überblick über die dortige japanische Diaspora.

Japanische Arbeitskräfte vor einem Zuckerrohrfeld
Japanische Arbeitskräfte vor einem Zuckerrohrfeld auf Hawaii (ca. 1885). © Chronicle of World History / Alamy Stock Photo

Als sich Japan 1868 nach einer über 200 Jahre währenden Politik der Isolation dem Ausland politisch und wirtschaftlich öffnete, begann auch eine neue Welle der Emigration. Bis dahin war – bis auf wenige Ausnahmen – kaum ein japanischer Bürger ins Ausland gereist. Doch nach dem Kollaps des Tokugawa-Shogunates und der Bildung einer neuen japanischen Regierung war dies nun ohne Restriktionen möglich. Die Motivationen der Emigranten waren stets von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren beeinflusst, was sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte zu einem vielfältigen Migrationsstrom in viele andere Länder, insbesondere in Nord- und Südamerika, entwickelte. Fast 200.000 Japanerinnen und Japaner wagten zwischen 1868 und 1924 die Reise zum Inselstaat Hawaii. Welche Umstände führten dazu und wie hat sich die Immigration über die Jahre entwickelt?

Gannenmono und Emigrationsstopp (1868-1885)

1868, im ersten Jahr der Meiji-Ära, rekrutierte ein amerikanischer Geschäftsmann im Auftrag des damals noch unabhängigen hawaiianischen Königreiches – auf der Suche nach dringend benötigten Arbeitskräften für die örtlichen Zuckerrohrplantagen – knapp 150 überwiegend männliche Vertragsarbeiter, die für eine begrenzte Zeit nach Hawaii entsandt wurden. Die als gannenmono („Menschen des ersten Jahres“) bekannten japanischen Emigranten waren einfache Arbeiter ohne landwirtschaftliche Erfahrung, die vor Ort niedrige Löhne, harte Arbeitsbedingungen und Misshandlungen ertragen mussten. Als Reaktion darauf setzte die japanische Regierung jegliche organisierte Migration ins Ausland (abgesehen von Diplomaten, Geschäftsleuten oder Studierenden) bis 1885 vorerst aus. Hawaii versuchte jedoch weiter erfolglos, japanische Arbeitskräfte zu gewinnen.

Währenddessen litt die japanische Bevölkerung, besonders aber die Bauern, unter den teuren Wirtschaftsreformen der Meiji-Regierung. Missernten, Hungersnöte, Armut, Inflation und der steigende Bevölkerungswachstum setzten den Menschen enorm zu. Angesichts dieses innenpolitischen Drucks entschied sich die japanische Regierung 1885 dazu, den hawaiianischen Anfragen nach Vertragsarbeitern zuzustimmen, in der Hoffnung, dies würde insbesondere die Bauern dazu bringen, Japan zu verlassen und damit die schlechte Lage auf dem Land zu verbessern.

House of Japanese immigrants in Hawaii
Ein Haus von japanischen Immigranten auf Hawaii (ca. 1885). © Chronicle of World History / Alamy Stock Photo

Regierungsgeförderte Emigration (1885-1894)

Knapp 1.000 junge Arbeitskräfte wagten in der ersten organisierten Emigration nach knapp zwei Jahrzehnten die Reise nach Hawaii. Diese Gruppe bestand fast ausschließlich aus männlichen Bauern, die bessere Lebensbedingungen und finanziellen Erfolg suchten. Dabei hatte kaum einer die Absicht sich langfristig auf Hawaii niederzulassen – in erster Linie wollte man sich finanziell absichern, um beispielsweise Land zu kaufen oder Schulden abzubezahlen. Der Plan war also von Anfang an, nach einigen Jahren in die Heimat zurückzukehren. Doch ebenso wie die gannenmono erwarteten die Arbeiter auf Hawaii schlechte Unterkünfte, harte körperliche Arbeit, die selbst für erfahrene Landwirte ungewohnt war, sowie gewalttätige Aufseher, was schnell zu Streiks oder Desertationen führte. Dem Migrationsstrom tat dies dennoch keinen Abbruch, denn die (für japanische Verhältnisse hohen) Geldsendungen aus Hawaii an die Familien in Japan motivierten bis 1894 zehntausende Arbeiter nachzufolgen.

Freie Emigration durch imingaisha (1894-1908)

Als 1894 die entsprechende Konvention zwischen Japan und Hawaii endete, entschied sich die Regierung dazu, die Organisation der Emigration in die Hände privater Unternehmen zu legen. Über solche imingaisha („Immigrationsunternehmen“) kamen in der folgenden Dekade knapp 125.000 überwiegend junge Männer nach Hawaii; mit knapp 19.000 waren Frauen deutlich in der Minderheit. Allerdings hatten sich an den miserablen Lebensbedingungen auf den Plantagen wenig verändert.

Letztlich waren es die Annexion Hawaiis durch die USA im Jahre 1898 sowie Diskriminierung und Rassismus gegenüber der japanischen Bevölkerung, welche der Ära der freien Emigration ein Ende setzten. Während eine ablehnende Haltung gegenüber ausländischen Arbeitern in der „weißen“ amerikanischen Bevölkerung stets präsent war, war die Feindseligkeit gegenüber Japanern an der Westküste wesentlich ausgeprägter. Die scheinbar grundlose Segregation japanischer Kinder an einer kalifornischen Schule 1906 belasteten die diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und den USA stark. Der Kompromiss: Unter der Bedingung, dass die Diskriminierung japanischer Bürger in den USA aufhörte, würde Japan seinen Bürgern die Einreise in amerikanische Gebiete untersagen. Damit kam die Arbeitsmigration in die USA zum Erliegen. Jedoch war es dort lebenden Japanern weiterhin erlaubt, nahe Familienmitglieder zu sich zu holen.

Japanese store, Honolulu
Ein japanisches Geschäft in Honolulu, Hawaii (ca. 1900). © Niday Picture Library / Alamy Stock Photo

Phase des Familiennachzuges (1908-1924)

Von dieser Möglichkeit des Familiennachzuges (bekannt als yobiyose jidai, „Zeit des Zusichrufens“) machten in Japan vor allem junge Frauen, meistens aus einfachen Verhältnissen stammend, Gebrauch. Ein Großteil der japanischen Männer auf Hawaii war unverheiratet, was ein Grund für Suchtkrankheiten, Einsamkeit und Kriminalität in der Gemeinde war. Trotz der schlechten Lebensbedingungen auf Hawaii entschieden sich viele gegen eine Rückkehr nach Japan, häufig aufgrund der ernüchternden Erkenntnis, dass es ihnen nicht möglich sein, genug Geld für ein besseres Leben in der Heimat anzusparen. Im Rahmen des Familiennachzuges konnten japanische Männer ihre Ehefrauen zu sich holen oder aber zeitweise zurückkehren, um sich vor Ort eine zu suchen. Doch war eine Rückreise für einfache Plantagenarbeiter meist zu teuer und die Suche zu langwierig, wenn sie den damals vorherrschenden sozialen Normen einer Heirat folgen sollte. Die Lösung dafür war eine sogenannte „picture marriage“ (shashin kekkon).

„Picture marriage“ als alternative Heiratsform

Die „picture marriage“ hat ihren Ursprung in der arrangierten Ehe (miai kekkon), die in Japan damals Gang und Gebe war: Heiratsvermittler suchten potenzielle Partner (z. B. anhand von Familiengeschichte und Vermögen) und die Familienoberhäupter entschieden am Ende über die Eheschließung. Somit war eine Ehe weniger eine romantische Zusammenkunft als eine Familienangelegenheit, in der gerade die Frauen selten ein Mitspracherecht hatten. Eine „picture marriage“ folgte diesem Muster – mit dem Unterschied, dass statt eines persönlichen Treffens vor der Ehe Fotos der Ehepartner in spe ausgetauscht wurden. Die Eheschließung fand dann in Abwesenheit des Mannes in Japan statt, sofern alle relevanten Parteien einverstanden waren. Mit dem Eintrag der Frau in das Familienregister des Mannes war die Ehe legal und erfüllte gleichzeitig alle sozialen Konventionen.

Doch häufig waren die Vermittler oder potenziellen Ehemänner nicht ehrlich, was deren Alter, Status oder das Leben auf Hawaii betrafen. Aus Zeit- oder Geldmangel oder weil sie fürchteten keine Frau finden zu können, schickten die Männer alte oder retuschierte Fotos von sich, manchmal sogar von anderen Männern. Dementsprechend wurden nicht wenige „picture brides“ überrascht oder enttäuscht, als sich bei Ankunft auf Hawaii die Lügen offenbarten. Finanziell nicht in der Lage dazu in die Heimat zurückzukehren, passte sich die Mehrheit der betroffenen Frauen den schlechten Lebensbedingungen an, auch wenn es immer wieder zu Fluchten und Scheidungen kam.  

Denkmal
Denkmal von japanischen Einwanderern auf der Insel Maui, Hawaii. © Visions of America, LLC / Alamy Stock Photo

Ende der japanischen Immigration

Auf den Plantagen kümmerten sich die Ehefrauen um Mahlzeiten, Haushalt sowie Kindererziehung und sicherten so das Überleben der Familie. Durch ihre Ankunft etablierten sich nun richtige Familienstrukturen, was zu einer Stabilisierung der japanischen Gemeinde führte. Mehr Familien führten zu mehr sozialen und kulturellen Interaktionen in Form von Festen sowie die Errichtung von eigenen Schulen und religiösen Einrichtungen. Die japanische Population auf Hawaii verdoppelte sich zwischen 1900 und 1920 auf fast 110.000, was sie zur größten ethnischen Gruppe auf Hawaii machte.

Besonders die amerikanische Mittelschicht ächtete die „picture marriage“, weil sie gegen ihre Vorstellungen der Ehe verstieß. Anti-Japaner-Bewegungen nutzten diesen Diskurs für Propaganda-Zwecke, was bis hin zu organisierter Diskriminierung auf wirtschaftlicher und kultureller Ebene führte. Schließlich durften ab 1920 keine Visa mehr an „picture brides“ ausgestellt werden – ein Versuch der Schadensbegrenzung seitens der japanischen Regierung, um die diplomatischen Beziehungen zu retten. Der „Immigration Act“ von 1924 verbot schließlich jegliche dauerhafte Immigration aus Japan in die USA. Zu diesem Zeitpunkt lebten über 125.000 Menschen japanischer Abstammung auf Hawaii – davon war etwa die Hälfte auf der Insel geboren. Heute leben tausende Menschen aus Japan bzw. mit japanischer Abstammung auf Hawaii und der Einfluss sowie die Zeugnisse der japanischen Gemeinde sind dort bis heute zu beobachten.


Literatur:

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  • DRESNER, Jonathan. 2006. Instructions to emigrant laborers, 1885–94. In Japanese Diasporas: Unsung pasts, conflicting presents and uncertain futures, Hrsg. Nobuko Adachi, 52 – 68. New York: Routledge.
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  • KIMURA, Yukiko. 1988. Issei: Japanese Immigrants in Hawaii. Honolulu: University of Hawaii Press.
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  • TANAKA, Kei. 2004. Japanese Picture Marriage and the Image of Immigrant Women in Early Twentieth-Century California. The Japanese Journal of American Studies No. 15, 115 – 138.
  • TANAKA, Kei. 2009. Marriage as Citizen’s Privilege: Japanese Picture Marriage and American Social Justice. Nanzan Review of American Studies Vol. 31, 131 – 150.

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