Tsushima – Historische Insel zwischen Japan und Korea

Diana Casanova
Diana Casanova

Von der japanischen Insel Tsushima haben vorher vielleicht nur hartgesottene Geschichtsfans gehört. Doch mit dem Release des Videospiels "Ghost of Tsushima“ wurde dieser kulturell wertvolle Ort quasi über Nacht berühmt. Was gibt es dort zu entdecken?

Aso Bucht
Ausblick auf die Asō-Bucht, die die zwei Hauptinseln Tsushimas voneinander trennt. © Photo AC / misakingoto

Mit einer Fläche von knapp 700 km², etwas kleiner als Hamburg, gehört Tsushima zu den 10 größten Inseln Japans. Sie liegt im südlichen Teil des Japanischen Meeres zwischen dem asiatischen Festland und Japan, mitten auf der Koreastraße genannten Meeresdurchfahrt. Diese Lage hat die Insel zum Schauplatz vieler historischer Ereignisse gemacht: Dort fand während des Russisch-Japanischen Krieges 1905 die zweitägige Seeschlacht bei Tsushima statt, in der die japanische Flotte entgegen aller Erwartungen die russische Armee vernichtend schlug, was als vorentscheidend für den späteren Sieg Japans über Russland galt. 1274 und 1281 wurde die Insel während der ersten bzw. zweiten Mongoleninvasion unter der Führung vom Enkel Dschingis Khans und damaligen Kaiser von China, Kublai Khan, kurzzeitig eingenommen.

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Kleine Insel zwischen Japan und Korea

Heutzutage gehört Tsushima, deren Ortschaften seit 2004 als einheitliches “Tsushima” zusammengefasst werden, zur Präfektur Nagasaki. Nur 50 km nordwestlich liegt die koreanische Hafenstadt Busan, weiter südöstlich befindet sich die japanische Hauptinsel Kyūshū sowie die kleinere Insel Iki.

Tsushima selbst besteht aus zwei Hauptinseln, Kamijima („obere Insel“) im Norden und Shimojima („untere Insel“) im Süden. Sie werden durch die Asō-Bucht getrennt, in der sich zahlreiche kleine Inseln und Felsen tummeln. Vom Zentrum der Stadt Tsushima im Osten Shimojimas führt die längste Autobahn der Insel bis an den nördlichsten Zipfels Kamijimas. Überhaupt ist man auf Tsushima ohne Auto aufgeschmissen, denn Züge gibt es dort nicht und zu Fuß wäre die Besichtigung der zahlreichen, auf der 70 km langen Insel verstreuten Sehenswürdigkeiten wohl zu beschwerlich. 

Blick auf die Asō-Bucht
Blick auf die Asō-Bucht. © Nagasaki Prefecture Convention and Tourism Association

Aufgrund seiner Lage ist Tsushima daher nur per Fähre oder Flugzeug zu erreichen. Von Nagasaki bzw. Fukuoka dauert der Flug ca. 40 Minuten, während es per Fähre vom Hafen Hakata bis zum Hafen Izuhara zwischen zwei und fünf Stunden dauern kann. Dort angekommen mangelt es den ca. 28.000 Einwohnern Tsushimas jedoch nicht an nötigen Alltagseinrichtungen und Schulen. Der Großteil davon lebt im Osten Shimojimas, denn die Insel ist zu 89 % von Wäldern bedeckt.

Wunderschöne Natur zum Entdecken

Die wunderschöne unberührte Natur ist eine von Tsushimas Hauptattraktionen. Bootstouren in der Asō-Bucht und Wanderungen sind beliebte Aktivitäten, besonders die Besteigung des Berg Shiratake bietet atemberaubende Aussichten auf das kleine Inselreich und das Meer. Eine weniger große Herausforderung bietet der Berg Ariake, dessen Wanderwege von herrlicher Natur umgeben sind und dessen Gipfel ein Panorama auf den Shiratake verspricht.

Im Saozaki-Park im hohen Nordwesten kann man bei gutem Wetter die koreanische Stadt Busan erblicken. Dort befindet sich auch das Tsushima Wildlife Conservation Center, in dem man mehr über die einzigartige Flora und Fauna der Region lernen kann. Zu beobachten ist dort auch die vom Aussterben bedrohte Tsushima-Leopardkatze, welche ausschließlich auf dieser japanischen Insel beheimatet ist.

Shiratake
Auf dem Gipfel des Berg Shiratake bieten sich atemberaubende Aussichten. © Nagasaki Prefecture Convention and Tourism Association

Darüber hinaus ist Tsushima ein sehr spiritueller Ort: Mehr als 1.000 Schreine existieren dort. Einer der bekanntesten ist der Wadatsumi-Schrein, ca. 40 Minuten vom Flughafen Tsushima entfernt. Er ist den Gottheiten Hikohohodemi und Prinzessin Toyotama gewidmet und zwei von dessen fünf heiligen Schreintoren, die torii, sind im Meer errichtet worden. Dem japanischen Gründungsmythos zufolge ist Tsushima außerdem eine von acht Inseln, die gemeinsam die Nation Japan darstellten, erschaffen von den Urgöttern Izanagi und Izanami.

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Wadatsumi-Schrein
Drei der fünf Torii des Wadatsumi-Schreins, zwei davon wurden im Wasser errichtet, die bei Flut unzugänglich werden. © Nagasaki Prefecture Convention and Tourism Association

Delikatessen aus Tsushima

Auch kulinarisch hat Tsushima etwas zu bieten: Es heißt, dass die in Japan so beliebten Soba-Nudeln aus Buchweizenmehl während der Jōmon-Zeit vom asiatischen Kontinent über Tsushima nach Japan eingeführt worden sind. Durch die isolierte Lage Tsushimas blieben Geschmack und Textur der “originalen” Soba-Nudeln weitestgehend unverändert. Die Taishū Soba (Taishū ist ein antiker Name für die Insel) sind etwas dunkler und überraschend wohlriechend im Vergleich zu typischen Soba-Nudeln.

Eine weitere Nudel-Spezialität sind Rokube-Nudeln, die aus Süßkartoffel-Stärke hergestellt werden und eine besonders fleischige Textur besitzen. Eine süße Abwechslung sind die traditionellen Kasumaki, eine längliche Biskuitrolle gefüllt mit süßer Bohnenpaste. Sie waren einst eine feierliche Speise zur Rückkehr von Tsushimas Feudalherren aus dem damaligen Edo, als Zucker noch ein teurer Luxusrohstoff war. Wer es doch deftig mag, für den empfiehlt sich das ursprünglich aus Korea stammende Tonchan, dünn geschnittenes Schweinefleisch, dass in einer leicht süß-scharfen Marinade zusammen mit Weißkohl und anderem Gemüse gegrillt wird. 

Taishu Soba
Traditionelle Taishū Soba, eine Spezialität Tsushimas. © Nagasaki Prefecture Convention and Tourism Association
Tonchan
Tonchan ist eine deftige Delikatesse, mit der auch leckere Burger gemacht werden. © Nagasaki Prefecture Convention and Tourism Association

Ghost of Tsushima sorgt für Tsushima-Boom

Weltweit über Nacht berühmt geworden ist die Insel durch das im Juli 2020 erschienene Action-Rollenspiel Ghost of Tsushima (PS4/PS5) vom amerikanischen Entwicklerstudio Sucker Punch. Dort schlüpft man im Jahre 1274 in die Rolle des Samurais Jin Sakai und bekämpft die mongolischen Invasoren, um Tsushima von ihnen zu befreien. Dabei bereist man die gesamte Insel und wandert durch herrliche Naturlandschaften.

Auch wenn die Geschichte größtenteils Fiktion ist, wird in Ghost of Tsushima Bezug auf echte historische Begebenheiten und Orte genommen. So bereist man u. a. den Komoda-Strand, an dem die mongolische Armee einst ihren ersten Angriff auf Tsushima ausführte und welcher heute mit traumhaften weißen Sandstränden besticht, sowie die Kaneda-Ruinen, eine ehemalige Bergfestung errichtet im Jahre 667 n. Chr im hohen Norden Shimojimas. Besser erhalten sind die Ruinen der Burg Kaneishi im Westen, die während der Edo-Zeit (1603-1868) der Sitz des feudalen Sō-Clans war. Die dortigen Gärten sind ein besonderer Anblick und Zeitzeugen von Tsushimas interessanter Geschichte. 

Ausblick von den Kaneda-Schlossruinen auf die Umgebung: Definitiv nichts für schwache Füße! © Nagasaki Prefecture Convention and Tourism Association
Burg Kaneishi
Eingang zur ehemaligen Burg Kaneishi. © Nagasaki Prefecture Convention and Tourism Association

Während das Spiel aufgrund des spannenden Gameplays und der hervorragenden Grafik mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, sind die Entwickler sogar eine offizielle Kooperation mit der Stadt Tsushima und der Präfektur Nagasaki eingegangen, um den Tourismus der Insel zu fördern. 

Besonders für Naturliebhaber und Outdoor-Freunde bietet eine Reise auf die Insel Tsushima also eine tolle Gelegenheit, eine andere Seite von Japans Natur und Geschichte kennenzulernen, weit entfernt des Großstadttrubels.

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