Wellenreiten in Japan: Surfen zwischen Tempeln und Taifunen

Isabelle Kullat
Isabelle Kullat

Ob olympischer Wettkampfstrand in Chiba, einsame Buchten in Shikoku oder tropische Traumwellen auf Okinawa – Japans Surfspots sind so vielseitig wie das Land selbst. Was Reisende über Ausrüstung, Etikette und die besten Surfbedingungen wissen sollten.

Früher Morgen am Meer: Surfer:innen auf dem Weg zum Wasser im Licht der aufgehenden Sonne in Kamakura. © iStock.com / EyeEm Mobile GmbH

Japan zählt nicht unbedingt zu den ersten Ländern, an die man beim Thema Surfen denkt. Dabei hat das Inselreich mit über 29.000 Küstenkilometern, vier Hauptinseln und subtropischen Regionen beste Voraussetzungen. Die ersten Wellenreiter Japans waren keine Hawaiianer auf Urlaub, sondern US-Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie brachten nicht nur Jazz, Cola und amerikanische Autos mit, sondern auch Surfbretter. Ab den 1960ern entwickelte sich eine kleine, aber beständige Szene und eine wachsende Surfkultur. Bald entstanden die ersten Surfclubs – vor allem an der Küste von Kanagawa und Chiba. Seit dem Olympiadebüt der Sportart 2021 in Tōkyō zieht das Thema auch international mehr Aufmerksamkeit auf sich.

kitesurfer japanWindsurfen und Wellenreiten: Wassersport vor Tōkyōs KüstenJapaner als sonnengebräunte Beachboys und Surfer? Und ob! Der Wassersport hat in Japan viele Fans und die von Tōkyō gut erreichbaren Küsten...24.07.2017

Shōnan & Umgebung: Surfkultur trifft Szeneleben

Fragt man einen japanischen Surfer nach dem Surfspot schlechthin, fällt oft der Name Shōnan. Was sich nach tropischer Lagune anhört, liegt in Kanagawa – rund eine Stunde von Tōkyō entfernt. Der Strand ist bekannt für sein „Beach Vibe“, seine Cafés, Skateboards, Surferfrisuren – und dafür, dass man das Brett öfter trägt als benutzt. Denn: Shōnan ist voll. Sehr voll. Wenn überhaupt eine Welle durchkommt, teilen sich diese gern 17 Leute – und ein Kamerateam. Wer Glück (oder Zeit) hat, erwischt einen der seltenen guten Tage. Wer einfach nur ein bisschen Szene-Luft schnuppern will, wird hier aber auf jeden Fall fündig.

Der Shōnan Beach mit Blick auf den Fuji verbindet sportliche Leidenschaft mit filmreifer Kulisse und ist fest in Japans Surfkultur verankert. © PhotoAC / YATTA

Chiba: Olympischer Wellengang

Deutlich bessere Bedingungen finden sich in der benachbarten Präfektur Chiba. Dort liegt Tsurigasaki Beach – Austragungsort der Olympischen Surf-Wettkämpfe 2021. Die Strände rund um Ichinomiya oder Onjuku bieten verlässlich gute Wellen, und das bei vergleichsweise kurzer Anreise. Wer also ernsthaft surfen (und nicht nur posen) will, ist hier besser aufgehoben.

Tipp: Die Anfahrt per Mietwagen spart Nerven – besonders zu Stoßzeiten.

Luftbild der Tsurigasaki-Küste in der Präfektur Chiba. © PhotoAC / H_S_WR

Shikoku: Japans Antwort auf Hawaii?

Willkommen im Paradies – zumindest für alle, die bereit sind, ein bisschen weiter zu reisen. Shikoku, Japans kleinste Hauptinsel, gilt unter Kennern als der Hotspot schlechthin. An der Südküste tummeln sich nicht nur exzellente Wellen, sondern auch entspannte Locals und echte Surfer-Communities. In Orten wie an der Küste von Ikumi (Präfektur Kōchi) fühlt man sich eher wie in Australien als in Asien.

Die Bedingungen sind dank mildem Klima fast das ganze Jahr über gut, die Stimmung familiär. Und das Beste: Manchmal hat man den Strand ganz für sich allein.

Morgenstimmung am Pazifik: Brechende Wellen im ersten Licht des Tages. © iStock.com / EIJI OGURA

Wakayama & Co.: Für alle mit Neopren und Navi

Wer lieber kürzer reist, findet auch von Ōsaka aus schöne Wellen – etwa in Isonoura (Präfektur Wakayama). In gut einer Stunde erreichbar, ist der Strand ein beliebtes Ziel für Städter mit Surfbrett und Wochenendlaune. Auch hier gilt: Früh kommen lohnt sich. Wer mobil ist, entdeckt entlang der Küste zahlreiche kleinere Buchten, in denen man fast ungestört surfen kann – vorausgesetzt, man kommt mit kaltem Wasser und gelegentlichen Quallen klar.

Isonoura: Surfermekka im Raum Ōsaka. © PhotoAC / yuki1085

Tropenwellen auf Okinawa

Klingt wie ein Traum: tropisches Wasser, weiße Strände, Surfen im Dezember. Auf Okinawa ist all das Realität – nur eben nicht ganz unkompliziert. Viele Spots sind schwer erreichbar, einige erfordern Ortskenntnis (und gutes Schuhwerk wegen der Korallen). Hinzu kommen spontane Taifune, Wetterumschwünge und ein Gefühl von „Hier wohnt wirklich niemand“. Wer aber die Mühen auf sich nimmt, wird mit leeren Line-ups und spektakulären Bedingungen belohnt.

Karibikfeeling in Okinawa: Der Aharen Beach auf Tokashiki verzaubert mit kristallklarem Wasser und tropischer Ruhe. © iStock.com / SeanPavonePhoto

Wann ist die beste Zeit zum Surfen?

Die beste Wellenzeit ist zwischen August und Oktober – insbesondere während der Taifunsaison, wenn starke Pazifikstürme hohe Wellen an die Küsten treiben. In südlicheren Regionen wie Shikoku oder Okinawa kann man jedoch fast das ganze Jahr surfen, während im Norden auch im Sommer dicke Neoprenanzüge notwendig sind.

Ausrüstung: Kaufen, leihen oder mitbringen?

Wer mit eigenem Brett anreist, sollte es bei der Airline anmelden – Kostenpunkt um die 100 Euro, je nach Fluggesellschaft. Vor Ort kann man Glück haben und einen Verleih finden – sollte sich aber nicht darauf verlassen. Surfbretter zu kaufen ist dagegen einfacher: Japan hat mehrere ausgezeichnete Secondhand-Läden und Surfboard-Shaper. Wer ohnehin länger bleibt, kann sich so ein echtes Unikat sichern.

Etikette und Sicherheitsregeln im Wasser

In Japan gelten beim Surfen – wie überall – bestimmte ungeschriebene Regeln. Wer diese nicht kennt, riskiert schiefe Blicke oder offene Ablehnung. Besonders wichtig: keine Welle „stehlen“ (also nicht in eine bereits besetzte Welle einsteigen), Rücksicht auf Locals nehmen und sich bei Fehlern sofort entschuldigen – ein einfaches „Sumimasen“ oder respektvolles Nicken kann Wunder wirken.

Zudem sollte man möglichst nicht allein surfen und auf örtliche Warnungen achten, etwa bei Tsunami-Gefahr oder gefährlichen Strömungen. Auch wenn Haiangriffe extrem selten sind, gilt wie immer: Respekt vor dem Meer ist oberstes Gebot und im Zweifel lieber beobachten als übermütig reinspringen. Der Pazifik ist keine Spielwiese!

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