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Schauriges aus Japan: 5 Großstadtlegenden

Diana Casanova
Diana Casanova

Japan ist reich an mystischen Göttersagen und Heldenmythen, deren Ursprünge Jahrhunderte oder mehr zurückliegen. Doch auch in der Moderne haben sich schaurige Legenden etabliert, die sich noch heute Schülerinnen und Schüler erzählen, um sich so richtig zu gruseln.

© Photo AC / YosD
Gruselige Schule: Dort spielen sich viele Großstadtlegenden ab. © Photo AC / YosD

Wir allen wollen uns doch einmal so richtig gruseln – Horror und Thriller sind nicht ohne Grund solch populäre Genres. Die japanische Folklore dient dabei gerne auch einmal als Vorlage für zahlreiche Werke aus TV, Film und Literatur. Kein Wunder, denn diese spart nicht an schaurigen Monstern oder grotesken Legenden. Nicht alle davon sind Jahrhunderte alt – so manche Horrorgeschichte stammt aus der modernen Zeit.  Achtung: Die folgenden Geschichten sind nichts für schwache Nerven! 

1. Vorsicht auf dem Klo: Toire no Hanako-san

Die Geschichte von „Hanako aus der Toilette“ spielt sich vor allem in japanischen Grundschulen ab, auch wenn es je nach Region verschiedene Versionen gibt. Der Geist eines Mädchens namens Hanako sucht der bekanntesten Erzählung aus der Präfektur Tochigi zufolge die Mädchentoilette im dritten Stock hinter der dritten Tür heim. Wenn man dreimal an die Tür klopft und dabei „Hanako, lass uns spielen!“ ruft, erscheint Hanako. Einer anderen Version zufolge muss man dreimal Hanakos Namen rufen und dabei Klopapier hinunterspülen, woraufhin ihre Hand aus der Toilette emporsteigt.

Wo diese Großstadtlegende ihren Ursprung hat, ist nicht bekannt. Allerdings haben Historiker die Geschichte bis in die 1950er zurückverfolgt. Man munkelt, dass Hanako eine Grundschülerin sei, die im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff ums Leben kam, während sie mit Freunden Verstecken spielte – oder aber, dass sie von einem Fremden ermordet wurde. Glaubwürdige Belege für Hanakos Existenz gibt es nicht – doch bis heute erzählen sich japanische Schülerinnen und Schüler gerne ihre schaurige Geschichte oder versuchen Hanako in der Mädchentoilette herbeizurufen. Auch in verschiedenen Medien wie Animes, Horrorfilme oder Videospiele, taucht die Legende um Hanako aus der Toilette auf. 

2. „Rot oder blau?“: Akai kami aoi kami /Aka manto

Warum ausgerechnet Schultoiletten in so vielen Großstadtlegenden die Hauptrolle spielen, lässt sich nicht richtig erklären. Auch die mehr als gruselige Legende des „roten Papiers, blauen Papiers“ spielt sich dort ab. Ein namenloser Geist wartet, bis ein ahnungsloses Opfer die Toilette benutzen will und stellt eine einfache Frage: „Möchtest du rotes oder blaues Papier?“. Wählt die Person rot, wird ihre Kehle durchgeschnitten und sie badet am Ende in ihrem eigenen Blut. Wählt sie blau, wird sie erwürgt, bis ihr Körper blau anläuft. 

Egal, wie man sich also entscheidet, am Ende wartet ein schrecklicher Tod. Wer versucht clever zu sein und statt rot oder blau eine ganz andere Farbe wählt, wird bitter dafür büßen: Denn dann wird man in die Hölle verbannt, wo man für alle Ewigkeit schmerzvoll leiden wird. Doch in manchen Versionen dieser Legende kann man den Geist ignorieren oder weglaufen, um sich zu retten. Den Geist kennt man auch unter dem Namen Aka manto, da dieser einen „roten Mantel“ tragen soll. Bereits in den 1930ern sollen sich Schulkinder diese schaurige Geschichte erzählt haben, womit sie sicherlich bei mehr als nur einem Kind eine gewisse Toilettenphobie ausgelöst haben. 

Die populäre koreanische Netflix-Serie „Squid Game“ hat sich ebenfalls des japanischen Aka manto bedient. Für die tödlichen Spiele rekrutiert ein Mann die Spielerinnen und Spieler, indem er sie auf das Kinderspiel Ddakji einlädt. Dabei haben sie die Wahl zwischen einer roten und einer blauen Karte – doch für das Spiel selbst ist die Wahl unerheblich. 

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3. „Bin ich schön?“: Kuchisake onna

Die Legende der Kuchisake onna, oder „Frau mit aufgerissenem Mund“, lässt sich bis in die Edo-Zeit (1603-1868) zurückverfolgen. Es heißt, sie sei eine Frau gewesen, deren Mund zu Lebzeiten von einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt wurde. In manchen Versionen geschah dies, weil sie ihren Ehemann, einen Samurai, betrogen haben soll, in anderen, weil man neidisch auf ihr schönes Gesicht war. Als die Frau starb, kehrte sie als rachsüchtiger Geist, oder onryō, zurück. Als onryō verdeckt sie ihren Mund mit einer Maske oder einem Fächer, erscheint dann vor ihren Opfern und fragt: „Bin ich schön?“. Wenn die Person mit „Nein“ antwortet, tötet Kuchisake onna sie mit einem scharfen Messer. Antwortet sie jedoch mit „Ja“, entblößt sie ihren aufgeschlitzten Mund und fragt noch einmal: „Bin ich auch jetzt schön?“. Ist die Antwort dieses Mal „Nein“ oder schreit das Opfer vor Angst, wird sie getötet. Bei „Ja“, schlitzt Kuchisake onna den Mund des Opfers ebenfalls auf, damit sie „gleich schön“ aussehen.

Keine guten Aussichten, nicht wahr? Doch es gibt Möglichkeiten, den Fängen der Geisterfrau zu entkommen. In manchen Versionen lässt Kuchisake onna die Opfer in Ruhe, wenn sie sie beide Male schön finden. In anderen kann man antworten, dass sie „durchschnittlich“ aussieht, um dann wegzulaufen, oder ihr etwa Süßigkeiten oder Geld hinwerfen, um sie abzulenken.

In der Popkultur taucht Kuchisake onna oft in Mangas und Animes auf, die sich um die japanische Folklore und die sogenannten yōkai drehen, etwa im beliebten Studio Ghibli-Film „Pom Poko“ (1994). Auch einige japanische Horrorfilme drehen sich um die rachsüchtige Geisterfrau. 

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4. Auf der Suche nach Beinen: Teketeke/Kashima Reiko

Auch bei Teketeke soll es sich um einen bösartigen onryō oder yōkai in Gestalt einer jungen Frau ohne Unterleib handeln. Sie bewegt sich fort, indem sie auf ihren Unterarmen robbt, ist aber dennoch sehr schnell unterwegs. Das Geräusch ihres Unterleibs, der dabei auf dem Boden schleift, soll sich für japanische Ohren wie teketeke anhören. 

Um die Legende von Teketeke ranken sich ebenfalls verschiedene Versionen. Die gängigste besagt, dass die junge Frau eine Schülerin war, die entweder durch ein Missgeschick, während eines Suizidversuchs oder durch die Hände eines verschmähten Liebhabers vor einen fahrenden Zug stürzte. Dabei wurde der Unterleib der Schülerin durchtrennt und sie starb. Als rachsüchtiger Geist wartet sie an leeren Bahnhöfen oder Gassen auf Passanten und zerschneidet sie mit einer Sichel in zwei Hälften.

Eine ähnliche Horrorgeschichte rankt sich um Kashima Reiko. Angeblich eine Studentin aus dem nördlichen Hokkaidō, starb sie eines gewaltsamen Todes durch einen einfahrenden Zug, als sie von unbekannten Männern überfallen wurde und bewusstlos auf den Gleisen zurückblieb. Kashima verlor dabei ihre Beine. Als Geist fragt sie ihre Opfer, wo ihre Beine geblieben sind. Wenn diese keine Antwort für sie haben, reißt Kashima ihnen die Beine ab, um sie zu behalten. Die korrekte Antwort lautet hierbei: „Auf den Gleisen des Meishin-Expresses“. Auf die Frage hin, woher sie das genau wissen, muss man sagen: „Das hat mir Kashima Reiko gesagt“. 

5. Inunaki, das verfluchte Dorf

Eine der bekanntesten Schauergeschichten Japans dreht sich um das verfluchte Dorf Inunaki, welches angeblich in den Bergen der Präfektur Fukuoka, verborgen auf Japans südlichster Insel Kyūshū, liegt. Auf keiner Karte verzeichnet, markiert ein dunkler Tunnel den Eingang zu Inunaki. 1999 schickte ein unbekannter Verfasser japanischen Fernsehsendern erste Informationen über das Dorf zu und legte den Grundstein für den Mythos. Heutzutage wird der Tunnel in der Nähe des Berges sogar als gespenstischster Ort Japans bezeichnet. Folgt man diesem, soll man Erzählungen zufolge auf ein Schild stoßen, das besagt: „Aber hier gilt das Gesetz nicht mehr. Betreten auf eigene Gefahr.“

Mehr über Inunaki – und warum es als verflucht gilt – lesen Sie hier: 

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