Heisei 8, also 1996, war das erste Mal, dass ich meinen Fuß auf japanischen Boden setzte. Ziemlich schnell musste ich mich an diese japanische Zeitrechnung gewöhnen, denn ich musste damals einiges an Forschungsmaterial sammeln. Bei einer Präsentation japanischer Luftbilder an der deutschen Uni wurde mir der Wahnsinn bewusst: Als die Professorin fragte, von wann denn das Luftbild sei, schaute ich kurz drauf, sah das “Heisei 8” und antwortete umgehend: „Von 1996.“ Ich erntete einen ungläubigen Blick und ein “Das steht doch nirgendwo auf dem Bild, das haben Sie sich doch bestimmt gerade ausgedacht.” Was folgte, war eine längere Erläuterung des japanischen Kalenders.
Akihito: ein Kaiser, der dem Volk diente
Aus Kaisern, Königen und anderem blauen Blut hatte ich mir persönlich noch nie viel gemacht, weshalb ich den japanischen Kaiser recht undifferenziert betrachtete. Durch Zufall ist eben jemand als Kaiser geboren, ja und? Doch wenn man lange Zeit in Japan lebt, kommt man nicht umhin, sich mehr mit dem Kaiser zu beschäftigen. Heute kann ich sagen, dass ich Kaiser Akihito, den Heisei-Kaiser, bewundere. Unermüdlich versuchte dieser, für Frieden und Aussöhnung zu werben. Auch im hohen Alter reist er quer durchs Land, um Menschen zu treffen und Trost zu spenden. Die dramatische historische Rolle seines Vaters, des Kaisers Hirohito, stets im Bewusstsein, versuchte seine Hoheit im Rahmen der vom Hofamt sehr eng abgesteckten Möglichkeiten, die Rolle des Kaisers neu zu definieren: menschenfreundlich und stets sehr bescheiden. Sein Entschluss, diese Periode nicht mit seinem Tod, sondern zu Lebzeiten und auf eigenen Wunsch zu beenden, ist da eine nur allzu logische Konsequenz und einfach eine sehr menschliche Geste. Kaiser Akihito diente dem Volk, nicht umgekehrt.
Die Heisei-Zeit: Woran wird man sich erinnern?
Im Vergleich zur vorangegangenen 64 Jahre langen Shōwa-Periode waren die 31 Jahre der Heisei-Zeit dabei eher leise: Zum ersten Mal seit Jahrhunderten gab es während einer Tenno-Regentschaft keine Kriege – Japan erlebte eine so lange nicht dagewesene Phase der friedlichen Entwicklung. Doch in seine Regentschaftsperiode fielen neuartige Herausforderungen, wie die Globalisierung mit all ihren positiven wie negativen Begleiterscheinungen, die Bankenkrise, ein beispielloser Giftgasanschlag im Herzen Tōkyōs und mehrere verheerende Naturkatastrophen (Kōbe 1995, Tōhoku 2011, um nur zwei zu nennen). Auch die demographische Entwicklung, also die stetig zunehmende Überalterung der Bevölkerung und die geringe Geburtenrate, prägen die Heisei-Zeit.
Was genau wird jedoch die Menschen später an Heisei erinnern? Redet man von der vorangegangenen “Shōwa-Zeit”, denken die meisten heute an das japanische Wirtschaftswunder, an die Verbreitung von Funk und Fernsehen, an den plötzlichen Bauboom, die sprunghafte Verbesserung des Lebensstandards, aber auch an ganz bestimmtes Design, ganz bestimmte Musik. Woran man in 20, 30 oder 40 Jahren denken wird, wenn man “Heisei” hört, ist jetzt noch schwer zu sagen. Vielleicht an Aibo, den Roboterhund? Oder garakei, die aufklappbaren Handys? An “Smap”, die ewig junge Boygroup, die sich gegen Ende der Heisei-Zeit so plötzlich auflöste? An die Mehrwertsteuer, die es zum Beginn der Heisei-Zeit noch gar nicht gab?
Wünsche für die Zukunft
Meine persönliche Japan-Erfahrung ist komplett mit der Heisei-Zeit verbunden und ich merke mein eigenes Alter, wenn ich daran denke, dass ich alle, die in der Heisei-Zeit geboren wurden, für jung halte, denn schließlich bin ich ja selbst Jahrgang Shōwa 49 (1974). Vom neuen Kaiser wünsche ich mir, dass er in die Fußstapfen seines Vaters tritt. Von der neuen kaiserlichen Periode wünsche ich mir, dass der Frieden anhält, und dass die Beziehungen zu Korea und China besser werden. Das liegt freilich nicht ausschließlich in den Händen der Japaner, aber man kann ja noch hoffen. Und ich wünsche mir beziehungsweise hoffe, dass Japan mit der Überalterung der Bevölkerung klarkommt – das ist eine Heidenaufgabe, an der die gesamte Gesellschaft hart arbeiten muss. Und wer weiß, vielleicht geht es ja mit der Geburtenrate auch wieder irgendwann ein bisschen bergauf.
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