Kamon: Die Familienwappen Japans

Zehra Sagra
Zehra Sagra

Wer sich mit Japan beschäftigt oder bereits dort war, ist mit großer Wahrscheinlichkeit schon mal einem "kamon" über den Weg gelaufen. Diese dekorativen Familienwappen entwickelten sich im Laufe der Zeit zu einem bedeutungsvollen Kulturerbe, bei dem vor allem Identität und Zugehörigkeit eine wichtige Rolle spielen.

Tokugawa Kamon
Das Tokugawa-kamon ist eines der bekanntesten Familienwappen Japans. Nach der Übernahme von Tokugawa Ieyasu wurde es zum wichtigsten Staatssymbol in der Edo-Zeit. © Photo-ac.com / Kuroten

Kamon sollen ihren Ursprung in der zweiten Hälfte der Heian-Zeit (794-1185) haben – die Blütezeit der japanischen Kultur. Damals herrschte die aristokratische Gesellschaft, deren Etikette auch auf den Straßen der Stadt eingehalten werden musste. Damit man leichter erkennen konnte, welcher Familie jemand angehörte, verzierten Adelige ihre Ochsenkarren, das damalige Hauptverkehrsmittel der Oberschicht, mit Familienwappen. Wenn ein Adeliger mit einem Karren unterwegs war und einem anderen begegnete, dessen kamon einen höheren Status als den eigenen symbolisierte, musste der Rangniedrigere absteigen, Platz machen und sich mitunter sogar verbeugen.

Chrysanthemen Wappen
Das Chrysanthemen-Wappen der kaiserlichen Familie (auch Nationales und Kaiserliches Siegel Japans) auf Dachziegeln. © Photo-ac.com

Symbol der Adligen und Kämpfer

Die Adeligen der Heian-Zeit waren bekannt für ihren glamourösen Lebensstil. Schnell wurde um die Eleganz und die Verheißung der Motive auf ihren Ochsenkarren gewetteifert. Diese konnten verschiedene Formen haben, etwa Pflanzen, Tiere oder geometrische Muster. In der Regel waren sie einfarbig und von einem Kreis umrandet. Während der ursprüngliche Zweck der Motive der Ausdruck von Status und Klasse war, entwickelte sich das Muster mit der Zeit als Zeichen des „Hauses“ oder des „Clans“.

In der Kamakura-Zeit (1185-1333), als die Samurai zur herrschenden Klasse wurden, begannen Kriegerfamilien, ihre Wappen auf Schlachtfeldern zu tragen, um Freund und Feind auseinander halten zu können und die militärischen Fähigkeiten der eigenen Familie zu präsentieren. Die kamon wurden vor allem an Lagerfahnen, Flaggen und auf Rüstungshelmen angebracht, damit sie auf dem Schlachtfeld gut sichtbar waren. Die Wappen sollten nicht nur Stolz und Prestige ausstrahlen, sondern wurden auch mit Glück für den Krieg oder Wohlstand für die Nachkommen verbunden.

Darstellung der „Schlacht von Sekigahara“ am 21. Oktober 1600 (Replikat von 1854). An dieser bedeutenden Schlacht nahmen hunderte Clans und Familien teil. Einige sind durch die kamon auf den Fahnen und Bannern zu erkennen.

Vom 15. Jahrhundert bis in die Edo-Zeit (1603-1868) fingen Ortschaften vermehrt an, kamon als Wappen zu nutzen, um ihre Zugehörigkeit zu einem Fürstentum oder einer Gemeinde zu zeigen. Diese wurden auf offiziellen Dokumenten, Siegeln und auf Gebäuden angebracht. Anders als die detailreichen kamon der Adelsfamilien oder Samurai-Clans, waren die Stadtwappen eher simpel gestaltet.

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Im Zuge der Modernisierung Japans erließ die neue Meiji-Regierung 1875 ein Dekret, wonach alle Bürger einen Nachnamen tragen sollten – ein Privileg, dass vorher nur Adels- und den Samurai-Familien vorbehalten war. Mit der Annahme eines Nachnamens nutzten viele Menschen die Gelegenheit, auch Familienwappen zu verwenden, die ihrer Herkunft entsprechen sollten. In vielen Fällen wurde bei der Gründung einer neuen Zweigfamilie das Wappen der Hauptfamilie leicht abgeändert. Diese Nebenwappen wurden kaemon genannt. So nahm auch die Vielfalt der Wappen zu – es sollen bis zu 300.000 Variationen existiert haben.

Werden kamon heutzutage immer noch verwendet?

Die meisten japanischen Familien haben ein Familienwappen, welches über Generationen weitergegeben wird. Sie werden häufig auf zeremonieller Kleidung, wie dem Kimono, haori und obi verwendet. Das Symbol wird dabei an fünf Stellen der Kleidung getragen: auf beiden Seiten der Brust, den Ärmeln und auf dem Rücken.

Die Familientradition der kamon beschränkt sich nicht nur auf feierliche Anlässe wie Hochzeiten, sondern kommt auch auf Beerdigungen und anderen traditionellen Zeremonien zum Einsatz. Zwar hat sich seine Bedeutung seit dem feudalen Zeitalter geändert, jedoch sind sie immer noch ein wichtiger Bestandteil der japanischen (Familien-)Geschichte, Identitätsbildung und Kultur. Auch in traditioneller Kunst, Handwerk und Architektur sind kamon ein wiederkehrendes Motiv. Insbesondere in Schreinen und Tempeln sind sie oft zu sehen, da diese häufig im Besitz bestimmter Familienclans waren. Oft repräsentieren sie auch historische Ereignisse oder berühmte Persönlichkeiten.

Japanisches Hochzeitsgewand
Japanisches Hochzeitsgewand: Auf dem Kimono des Mannes ist auf beiden Seiten der Brust ein Familienwappen zu sehen. © Photo-ac.com / PAPER-HOUSE

Manche finden sich in den Logos berühmter japanischer Unternehmen, etwa der Automobilhersteller Mitsubishi. Der Gründer Iwasaki Yataro kombinierte dabei zwei verschiedene Familienwappen: das Wappen der Yamauchi, eine einflussreiche Adelsfamilie im Geburtsort Iwasakis, dessen kamon drei Eichenblätter darstellt, mit seinem eigenen Familienwappen, das dreistufige Wasserkastanien zeigt.

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