6 überraschende Fakten über japanische Schulen

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Japanische Kinder gelten als ruhig und diszipliniert - doch wussten Sie, dass diese gerne mal die Intimbereiche anderer attackieren? Oder dass japanische Klassenzimmer im Winter eiskalt sind? Sechs Fakten über japanische Schulen, die Sie mit Sicherheit überraschen werden.

Wenn Sie zum ersten Mal eine japanische Schule betreten, wird Ihnen eine Reihe an Dingen auffallen, die sich vermutlich deutlich von Ihrer eigenen Schulzeit in Deutschland unterscheidet. Wir erläutern im Folgenden sechs Dinge, die Sie über öffentliche japanische Schulen überraschen werden, seien sie interessant oder praktisch – oder schlicht schockierend!

6. Klassenräume werden nicht beheizt oder gekühlt

Ein japanisches Klassenzimmer.
Ein japanisches Klassenzimmer.

Fast alle japanischen Klassenräume sind identisch: vorne eine große Kreidetafel, eine kleinere Tafel hinten, Fenster zum Flur zur rechten, Fenster zum Schulhof zur linken. Und nichts davon ist isoliert.

Das funktioniert während der gemäßigten Temperaturen im Jahr gut, aber an schwülen Tagen im Sommer ist das Beste, das man tun kann, die Fenster zu öffnen und für eine Windbrise zu beten (wobei einige Klassen mit einem elektrischen Ventilator ausgestattet sein können).

Im Winter werden mehrere Lagen Stoff unter der Schuluniform und den Arbeitsklamotten getragen, oftmals unterstützt durch kairo, kleine Wärmepacks. Schulen, die in besonders kalten Regionen liegen, stellen mobile Heizungen in den Klassenräumen bereit  – mit dem Ergebnis, dass die Schüler in deren Nähe geröstet werden und dem Rest weiterhin kalt ist. Schulen in den wirklich kalten Regionen verfügen über austauschbare Rohre, um deren massive Heizungsanlagen zu versorgen.

Die Flure sind selbstverständlich noch kälter. Den einzigen Ort für Erholung bietet das mit einer Klimaanlage ausgestattete Lehrerzimmer, in das die Lehrerinnen und Lehrer hastig hineingehen, während sie „Samui!“ („Kalt!“) rufen – oder aber ein erleichtertes „Suzushii!“ („Kühl!“) murmeln, wenn im Sommer die Klimaanlage läuft. Wenn die Temperaturen rauer werden, halten Sie Ausschau nach gewitzten Kindern, die sich Ausreden einfallen lassen, um ins Lehrerzimmer zu gehen.

5. Das Schuljahr beginnt im April

Kalendar

Das japanische Schuljahr beginnt wie auch das Fiskaljahr im April. Richtig – im April.

Japanische Schülerinnen und Schüler haben im heißen August einen Monat frei, aber bei ihrer Rückkehr im September beginnt das zweite Trimester, nicht das erste. Dann sind um Neujahr herum etwa zwei Wochen Ferien (und Achtung, die Ferien starten normalerweise nach Weihnachten, nicht vorher), und anschließend kehren die Kinder für ein kurzes drittes Trimester bis Ende März in die Schule zurück. Zwei Wochen bevor das neue Schuljahr im April losgeht, gibt es noch einmal Schulferien.

Als Lehrer*in sollten Sie sich auf Einschulungen oder Abschlusszeremonien im März und April gefasst machen – sie sind ein großes Ereignis in Japan!

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4. Kinder gehen selbstständig zur Schule

[Video] “In Japan, 6 year olds travel solo to school on the train”. 

Mit Ausnahme von manchen Kindergartenkindern oder Vorschülern werden Sie in Japan keine Schulbusse für Kinder sehen. Wenn diese Transportmittel zur Schule nehmen müssen, dann nehmen sie wie alle anderen auch öffentliche Verkehrsmittel, sei es ein Bus auf dem Land oder eine U-Bahn in Tōkyō. Wie auch immer, Mama oder Papa werden sie nicht zur Schule fahren!

Dazu sei allerdings gesagt, dass japanische Schulen in der Regel so zentral liegen, dass sie für Kinder gut zu erreichen sind, und die meisten Kinder gehen auf eine Schule fußläufig von Zuhause. Sie sind auch nicht komplett auf sich allein gestellt: Die Kinder laufen in festgelegten Gruppen zusammen, und Sie werden auch Mitglieder der örtlichen Gemeinde in Warnwesten auf der Straße beobachten, die dafür sorgen, dass die Kinder sicher die Schule oder das Zuhause erreichen. Die Kinder folgen dabei die ganze Zeit extra ausgewiesenen tsugakuro (Schulwegen).

Während viele Schulen Schuluniformen vorschreiben, müssen Grundschulkinder häufig Hüte tragen, damit sie leicht von der örtlichen Gemeinde gesehen werden können. Am traditionellen viereckigen Schulranzen randoseru kann man sie ebenfalls schnell erkennen. Ältere Kinder auf dem Land dürfen eventuell auch mit dem Rad zur Schule fahren – aber nur wenn sie etwas entfernter von der Schule wohnen, und dann auch normalerweise nur ab der Mittelschule.

3. Kinder putzen ihre Schulen

[Video] “Japanese Students Clean Classrooms To Learn Life Skills”. 

Es gibt keine Hausmeister an japanischen Schulen: Die Kinder übernehmen das Putzen selbst! Jeden Tag für etwa 10 bis 15 Minuten arbeiten sie in Gruppen zusammen und reinigen verschiedene Teile der Schule, vom Eingangsbereich über die Sporthalle zu den eigenen Klassen- und Waschräumen. Sogar das Büro der Schulleitung steht auf dem Plan!

Grund- und Mittelschüler*innen wechseln sich auch mit der Aufgabe der „Mittagessen-Aufsicht“ ab, bei der das tägliche Mittagessen in der Schule, kyūshoku, im Klassenraum verteilt wird. Hier können Sie mehr darüber lesen:

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2. Kinder entscheiden alles mit „Jan-Ken-Pon“

[Video] Kerakera “Kerakera Janken” Musikvideo. 

Statt zu diskutieren, zu streiten oder etwas für sich zu beanspruchen, regeln Kinder in Japan quasi alles mit der eigenen Version von Schere-Stein-Papier, genannt jan-ken-pon. So wird entschieden, wer das letzte Dessert vom Mittagessen bekommt oder wer die Tabletts einsammeln muss. Selbst Kindergartenkinder werden sich mit dem Spiel gut auskennen, da es ein Teil ihres Alltags geworden ist.

Wenn Sie sich fragen, wie in einer mehrköpfigen Gruppe entschieden wird, dann ist das leicht zu beantworten: Man macht einfach so lange weiter, bis alle in der Gruppe die gleichen zwei Auswahlmöglichkeiten gewählt haben, sodass es klare Gewinner und Verlierer gibt (z.B. drei Kinder mit Schere und zwei mit Papier). So wird einer nach dem anderen eliminiert, bis es nur noch einen Gewinner (oder Verlierer) gibt.

Auf dem Schulhof wird oft eine vereinfachte Version verwendet, gu-to-pa (Stein und Papier), um sich in gleichmäßige Teams aufzuteilen. In diesem Falle wird einfach so lange gespielt, bis die Summe der „Steine“ und der „Papiere“ gleichmäßig ist.

Wenn Sie die Spielregeln von janken (wie es typischerweise genannt wird) lernen wollen, finden Sie hier eine detaillierte Erklärung. Und zum Video weiter oben: Dies trägt den Titel „Kerakera Janken“, veröffentlicht 2014 von der Band Kerakera. Der Songtext? Nichts anderes als eine Beschreibung der janken-Regeln. Wenn Sie also Japanisch verstehen können, merken Sie, dass der Text grauenhaft überflüssig ist…

1. Kanchō

[Video] Szene aus dem Anime “Naruto”: “Tausend Jahre des Todes” 

Das typische Bild von japanischen Schulkindern ist, dass sie gut organisiert und brav sind. Wie wir in den oberen Punkten gesehen haben, entspricht das auch – mehr oder weniger – der Wahrheit. Aber sie sind genauso seltsam, schelmisch und unvorhersehbar wie allen anderen Kinder auf der Welt. Und, warum auch immer, glauben gerade die Kleinen unter ihnen, dass es unglaublich lustig ist, die Intimbereiche anderer Menschen zu attackieren.

Ein männlicher Erzieher in einem Kindergarten wird höchstwahrscheinlich einen spielerischen Schlag in die Weichteile einstecken müssen. Vertrauen Sie uns: Wenn es noch nicht passiert ist, wird es bald so kommen. Die gute Nachricht ist, dass die Kinder meistens sehr schnell aus diesem „Witz“ herauswachsen. Auf der anderen Seite ist der heimliche Finger ins Hinterteil so populär, dass es sogar einen Namen hat: kanchō, was wörtlich „Einlauf“ bedeutet.

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Wie hartnäckig ist dieser spitzbubige Angriff? Manche Kinder finden es so amüsant, dass sie damit bis zur Mittelschule nicht aufhören, und so ist kanchō dermaßen berühmt, dass es selbst als Gag im populären Anime „Naruto“ (als das gefürchtete sennen goroshi, oder „Tausend Jahre des Todes“, siehe Video) zu finden ist. Ein unerwarteter Finger im Po (über der Hose) ist wahrscheinlich das Überraschendste, dem Sie an japanischen Schulen begegnen werden.

Also, Lehrerinnen und Lehrer von kleinen Kindern, passen Sie auf – aber nicht allzu sehr. Wenn Sie über irre Ninja-artige Fähigkeiten verfügen, bekommen Sie eine unterhaltsame Herausforderung geliefert, und es ist auch schwer, die ganze Zeit auf der Hut zu sein.

Wenn Sie wirklich erfahren möchten, wie Sie am besten mit kanchō umgehen sollen, finden Sie in diesem Artikel 12 Tipps für Erzieher*innen an japanischen Kindergärten (Englisch)


Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Englisch bei All About Japan veröffentlicht und von JAPANDIGEST übersetzt und nachbearbeitet.

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