Bewährungsprobe für Premierminister Abe: Kommt der Sturz aus den eigenen Reihen?

Matthias Reich
Matthias Reich

Ein Optimist könnte sagen, die politische Lage in Japan sei stabil. Ein Pessimist könnte dies durch die hoffnungslose Zersplitterung der Opposition begründen. Bei der Vorsitzendenwahl der Liberaldemokratischen Partei 2018 könnte Premier Abe dennoch Gefahr aus den eigenen Reihen drohen.

Selbst Premierminister Abes Parteigenossen hoffen auf einen Umbruch.
Selbst Premierminister Abes Parteigenossen hoffen auf einen Umbruch. @ KEIZO MORI/UPI/PA Images

Alle drei Jahre ist es soweit  –  dann hält die japanische Liberaldemokratische Partei (LDP) die Wahl ihres Vorsitzenden ab. Turnusgemäß wird die Wahl auch dieses Jahr stattfinden, Gerüchten zufolge im September. Dabei gelten zwei leichtverständliche Regeln:

  1. Der gewählte Vorsitzende wird fast ausnahmslos wenig später zum Premierminister ernannt, denn
  2. seit mehr als 60 Jahren sitzen die Liberaldemokraten, mit nur einer kurzen Unterbrechung, fest im Regierungssattel, weshalb man sagen kann, dass die LDP-Vorsitzendenwahl eigentlich die Wahl zum Premierminister Japans ist.

Für Abe wird es die vierte Wahl. Die erste Wahl gewann er 2006 haushoch, musste aber kurze Zeit später alle Posten aus gesundheitlichen Gründen ruhen lassen. 2012 gewann er erst bei der Stichwahl und bei der letzten Wahl 2015 war er der einzige Kandidat. Die Wahlprozedur hat es in sich: Man verwendet das sogenannte D’Hondt-Verfahren, ein Verhältniswahlrecht. Selbiges fand auch in Deutschland bei der Berechnung der Bundestagsmandate seine Anwendung, wurde aber 1985 zugunsten eines anderen Verfahrens abgesetzt. Bei der LDP hingegen ist diese Methode ein Novum. Überhaupt ist das ganze Verfahren nach amerikanischem Vorbild aufgebaut und sehr aufwändig: Antreten kann nur, wer mindestens 20 Parlamentsabgeordnete (der eigenen Partei, versteht sich) hinter sich scharen kann. Danach stimmen erstmal Abgeordnete, bestimmte andere Parteimitglieder sowie Parteifreunde ab – das Gewicht der Stimmen ist dabei jedoch unterschiedlich. Zum Ende können dann auch normale Parteimitglieder abstimmen, was jedoch an etliche Voraussetzungen geknüpft ist: man darf mit den Mitgliedsbeiträgen nicht im Verzug sein, muss mindestens drei Jahre in der Partei sein und so weiter. Bei der letzten Wahl greift dann auch schließlich das eingangs erwähnte D’Hondt-Verfahren.

Ob noch jemand und wenn ja wer gegen Abe antreten wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch offen, aber es zeichnet sich schon seit geraumer Zeit ab, dass Abe dieses Mal Konkurrenz bekommt. In diesem Zusammenhang hört man vor allem die Namen von Ishiba Shigeru, Ex-Minister aus Tottori, Kishida Fumio, ebenfalls Ex-Minister aus Hiroshima, sowie Noda Seiko, eine ambitionierte Ministerin aus Gifu. Eigentlich sollten die Kandidaten bereits bekannt sein, doch die Starkregenereignisse mit über 200 Toten Anfang Juli in Westjapan haben Abe dazu bewogen, sich erstmal auf den Katastrophenschutz zu konzentrieren. Wahlkampf kommt in schweren Zeiten in Japan gar nicht gut an.

Gründe, mit Abe unzufrieden zu sein, gibt es durchaus  –  auch für seine Parteigenossen. Die Umfragewerte des Abe-Kabinetts sinken seit Monaten. Bei einer NHK-Umfrage sprachen sich 38 % für und 44 % gegen das Kabinett aus, was vor allem von undurchsichtigen Geschäften herrührt: Der Moritomo-Skandal um einen dubiosen Immobiliendeal mit einem nationalistischen, privaten Schulbetreiber in Ōsaka ist ebenso ungelöst wie der Skandal um das Kake-Gakuen-Veterinärinstitut auf Shikoku. (Da man alles gern auf vier Silben abkürzt, werden die beiden Ereignisse von der Presse gern als “Morikake-Problem” zusammengefasst). Abes Gedächtnisschwund in beiden Fällen lässt die Opposition schon lange kochen, sodass es auch einige Parteigenossen mit der Angst zu tun bekommen und auf einen Umbruch hoffen. Und so viel steht fest: Die Revolution kann derzeit nur aus den eigenen Reihen kommen.

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