Schaut man sich die Zustimmungsrate des Kabinetts Kishida an, so braucht es nur einen ganz kurzen Blick, und man erkennt die Richtung: Es geht quasi seit fast drei Jahren abwärts. Fing die Zustimmung bei knapp 60 % an, so liegt sie jetzt bei etwas über 20 %. Fast 60 % sind mit der Regierung des Kabinetts unzufrieden – so schlechte Werte hat eine japanische Regierung seit Jahrzehnten nicht zu spüren bekommen. Im Gegensatz zum stets polternden Vorgänger Abe Shinzō ist Japans amtierender Premier, Kishida Fumio, zwar angenehm im Auftreten – und stets verständnisvoll – doch das allein reicht ganz offensichtlich nicht.
Geld und Politik
Die im Mai vom Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales veröffentlichte Statistik zur Lage der Arbeitnehmenden in Japan offenbarte, was so ziemlich alle Japanerinnen und Japaner spüren: Es geht seit 24 Monaten in Folge abwärts mit den Reallöhnen. Zwar steigen die Gehälter hier und da ein bisschen – aufgrund weitgehend fehlender Gewerkschaften sind die Steigerungen eher moderat und gewiss nicht flächendeckend – doch die Inflation ist höher und sorgt dafür, dass am Ende des Tages immer weniger Geld übrigbleibt. Ein wichtiger Gradmesser für jede Regierung, egal wo – doch statt sich ernsthaft mit Gegenmaßnahmen zu befassen, ist diese mit sich selbst beschäftigt.
Das alte Thema kane to seiji, „Geld und Politik”, ist zurück, und zwar mit aller Macht. In den ersten zwei Jahren von Kishidas Amtszeit ging es erst um dubiose Spenden der südkoreanischen Moon-Sekte; in diesem Jahr um nicht deklarierte Spendengelder für Spitzenpolitiker:innen der Liberaldemokraten. Während den Menschen immer mehr das Geld fehlt, kann dem unachtsamen Umgang der Regierenden mit den Finanzen nur Verblüffung entgegen gebracht werden.
Der Skandal um nicht deklarierte Spenden nahm dabei mitunter groteske Züge an. Es ging um die verschiedenen Fraktionen der Liberaldemokraten, die nach dem jeweiligen Kopf der Fraktion benannt sind. Diese Fraktionen bekämpfen sich durchaus auch gegenseitig, denn am Ende kann die Fraktion mit den meisten Abgeordneten die besten Posten vergeben. Die Fraktionen organisieren dabei gelegentlich Spendengalas, bei denen (anonym) Spenden eingesammelt werden.
Doch in diesem Jahr kam ans Licht, dass diese Spenden so gut wie nie deklariert wurden. Von wem das Geld stammte, um wie viel es sich handelte und wie es letztendlich verwendet wurde, blieb schlichtweg im Dunklen. Eine Art parteiinterne Ethikkommission sollte die gesamte Angelegenheit schließlich aufarbeiten. Aber da fast alle Politiker:innen der Regierungspartei involviert waren, wurde es schwer, die Kommission zu besetzen. Kishida nahm es sich dabei zur Aufgabe, die Fraktionen, auf Japanisch habatsu genannt, zu zerschlagen – allerdings glauben Umfragen zufolge drei Viertel der Japaner:innen nicht daran, dass ihm das gelungen ist.
Ausblick 2024
Kishidas Amtszeit endet offiziell im September – genau genommen seine Amtszeit als Parteivorsitzender der Liberaldemokraten. In der Regel wird der Vorsitzende der führenden Partei folglich zum Premierminister gekürt. Bereits seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres munkelte man deshalb über vorgezogene Neuwahlen, doch das Gerücht ist schon wieder verflogen. Es sieht ganz danach aus, als ob Kishida seine Amtszeit absitzen möchte.
Trotz der Skandale und wachsenden Enttäuschung in der Gesellschaft wird sich ganz offensichtlich so schnell nichts ändern, denn eine schlagkräftige Opposition ist nach wie vor in weiter Ferne. Selbst in den eigenen Reihen der Liberaldemokraten fehlt es an überzeugenden Alternativen und Hoffnungsträgern, da viele durch diverse Skandale Imageschäden davontrugen. Interessanterweise könnte da die Präsidentschaftswahl in den USA im Herbst 2024 zum Zünglein an der Waage werden, sollte Trump diese erneut gewinnen. Es gibt Politiker:innen, die besser mit Trump können als Kishida, und gute Beziehungen zu den USA sind gerade wirtschaftspolitisch enorm wichtig für Japan.
Schwindender Nationalstolz
Ein weiteres Phänomen ist der schwindende Nationalstolz: Berichte von immer mehr Reisenden, die ins Land strömen und aufgrund des schwachen Yens vor laufenden Kameras schwärmen, wie billig es dort jetzt sei, während Einheimische aufgrund der Inflation durchschnittlich immer weniger Geld am Ende des Monats übrighaben, kommen in der Bevölkerung nicht gut an. Das Gefühl, dass Japan die besten Jahre hinter sich hat, haben zwar viele schon seit langer Zeit. Doch die Schrumpfung und Überalterung der Bevölkerung, gepaart mit einem anhaltend schwachen Yen, verstärken dieses ungute Gefühl noch. Dieser Zustand wird von Kishida und seinem Kabinett gekonnt ignoriert.
Kommentare