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Kanazawa: Stadt der Samurai

Diana Casanova
Diana Casanova

Nicht nur Kyōto gilt als Zentrum für traditionelle Künste und Handwerk: Die Stadt Kanazawa am Japanischen Meer begeistert Touristen mit ihren alten Samurai-Vierteln, wunderschönen Gärten und moderner Kunst.

JR Bahnhof Kanazawa

Mit über 465.000 Einwohnern zählt die Stadt Kanazawa in der Präfektur Ishikawa zu den größten der Region Hokuriku. Die direkt am Japanischen Meer auf der einen, sowie an den Japanischen Alpen auf der anderen Seite gelegene Großstadt ist vor allem bekannt für ihre reiche Geschichte und traditionellen Handwerkskünste wie die Lack- und Keramikkunst.

Nicht umsonst wird Kanazawa auch „Klein-Kyōto“ genannt: Dort befinden sich nämlich zahlreiche alte Samurai- und Geisha-Viertel und einer der drei schönsten und berühmtesten japanischen Landschaftsgärten. Die Stadt hatte während des Zweiten Weltkrieges das Glück, von den Bombenangriffen durch die Alliierten verschont zu bleiben, sodass so ziemlich alle traditionellen Gebäude weitestgehend erhalten geblieben sind.

„Kanazawa“ bedeutet übersetzt „Goldfluss“ oder „Goldsumpf“: Dieser Name geht angeblich auf die Legende eines Mannes zurück, der nach Kartoffeln grub und dabei auf Gold stieß. Gold ist ein wiederkehrendes Motiv, werden in Kanazawa doch 99 % des Blattgoldes in Japan hergestellt – was sich selbstverständlich auch im Stadtbild widerspiegelt.

Eine sehr kurze Stadtgeschichte

Früher lautete der Name der Provinz in und um das heutige Kanazawa „Kaga“, welche während der Muromachi-Zeit (1333-1573) unter die Kontrolle einer Rebellenbewegung geriet, die aus Anhängern der buddhistischen Jōdo Shinshū-Sekte bestand. Die Rebellen lehnten sich gegen die Herrschaft der Lehnsherren, den daimyō, auf, was später als die „Ikkō-Aufstände“ bekannt wurde. Sie errichteten eine Art Theokratie und ließen sich im Zentrum der Provinz nieder, was wiederum den Grundstein für die Entstehung der Stadt Kanazawa legte. Diese Herrschaft der Rebellen nannte man das „Königreich der Bauern“.

1580 kapitulierten deren Obrigkeiten jedoch, nachdem der große Feldherr Oda Nobunaga die Region erfolgreich eroberte. Der neue Lehnsherr Kagas wurde sein Vertrauter Maeda Toshiie. In der Schlacht von Sekigahara 1600 schlug sich Maeda jedoch auf die Seite von Feldherr Tokugawa Ieyasu. Ein guter Schachzug, wie sich herausstellen würde, denn die darauffolgende Herrschaft des mächtigen Tokugawa-Shōgunates während der Edo-Zeit (1603-1868) führte dazu, dass der Maeda-Clan zur zweitmächtigsten Familie im feudalen Japan aufstieg.

Machtzentrum des Maeda-Clans war das Schloss Kanazawa, von wo aus sie die Geschicke der Region lenkten und dieser schließlich zu immensem Reichtum verhalf. Die Maeda machten die Stadt zu einem attraktiven Ort für Samurai, Künstler und Händler, sodass sowohl die Bevölkerungszahl wie auch die Stadtgrenzen stetig wuchsen. Kanazawa wurde neben Kyōto zu einem der wichtigsten Zentren für Kunst, Kultur, Bildung und Handwerk. Auf ihrem Höhepunkt zählte sie sogar zu den reichsten Städten des Landes.

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Populäres Touristenziel

Als Hauptstadt der Präfektur Ishikawa gilt Kanazawa als kommerzielles Zentrum und Hauptumschlagplatz der gesamten Hokuriku-Region. Mit der Eröffnung des Hokuriku-Shinkansen im Jahre 2015 erhielt die Stadt zudem eine schnelle und direkte Anbindung an die japanische Hauptstadt Tōkyō, nur 2 ½ Stunden dauert die Fahrt. Dies führte zu einem rasanten Anstieg der Touristenzahlen – heute gehört Kanazawa zu den beliebtesten Ausflugszielen bei japanischen wie internationalen Reisenden. Es besitzt einen reichen Schatz an Sehenswürdigkeiten, von denen wir im Folgenden eine Auswahl vorstellen.

Kanazawas Sehenswürdigkeiten

JR Kanazawa Bahnhof

Wenn Sie mit dem Shinkansen anreisen, dann ist das ikonische Tor am Westeingang die erste große Sehenswürdigkeit, auf die Sie stoßen werden. Das Tsuzumi-mon gilt als das inoffizielle Symbol Kanazawas und erinnert an die roten torii, die sich normalerweise vor den Eingängen japanischer Schreine finden. Das traditionelle Holzdesign verfügt auch über Elemente moderner Architektur. Die beiden Füße sollen Trommeln darstellen, wie sie während einer Aufführung im Nō-Theater gespielt werden – daher auch der Name, denn tsuzumi bedeutet übersetzt „Trommel“.

JR Bahnhof Kanazawa

Ōmichō-Fischmarkt

Nahe des Hauptbahnhofs liegt der große Ōmichō-Fischmarkt, auf dem täglich frischer Fisch und Meeresfrüchte sowie andere lokale Spezialitäten zum Verkauf angeboten werden. Das bunte, geschäftige Treiben des Marktes existiert bereits seit der Edo-Zeit. Heutzutage bieten über 200 Geschäfte und Stände ihre Waren an, weshalb er auch ein beliebter Ort für Touristen ist.

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Japanischer Garten Kenrokuen

Die wohl berühmteste Sehenswürdigkeit der Stadt ist der Kenrokuen-Landschaftsgarten, der – neben dem Kairakuen in Mito (Präfektur Ibaraki) und dem Kōrakuen in Okayama (Präfektur Okayama) – zu den „drei schönsten japanischen Gärten“ des ganzen Landes zählt. Der Name bedeutet „Garten der Sechs Attribute“ und bezieht sich auf die sechs Prinzipien eines Landschaftsgarten des chinesischen Landschaftsbaus: Weitläufigkeit, Abgeschiedenheit, Kunstfertigkeit, Althergebrachtes, fließendes Wasser und weiter Ausblick.

Als ein solcher „perfekter Garten“ verfügt der Kenrokuen über zahlreiche Teiche, Brücken, Steinskulpturen und versteckte Schlupfwinkel, die den Besuch zu einem wahren Erlebnis machen. In den traditionellen Teehäusern kann man eine Tasse grünen Tee und japanische Süßwaren genießen.

Der Garten wurde von der Maeda-Familie auf dem Außengelände ihres Hauptsitzes, dem Schloss Kanazawa, errichtet und ist beinahe vollständig von Kirschbäumen umrandet, sodass er besonders zur Kirschblütenzeit im Frühling ein beliebter Ort für die Kirschblütenschau ist. Doch auch im Herbst, wenn sich die Blätter rot und gelb verfärben, sowie im Winter, wenn sich eine Decke frischen Schnees über die Flora legt und sie von Scheinwerfern kunstvoll beleuchtet wird, strömen die Besucher in den Kenrokuen.

Kenrokuen bei Nacht

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Schloss Kanazawa

Vom einstigen Sitz des Maeda-Clans ist aufgrund zahlreicher Brände nicht viel übrig geblieben, doch wurden Teile des Schlosses wieder aufgebaut. Bis in die 90er-Jahre wurde ein Teil des Geländes von der Universität Kanazawa genutzt, bevor diese umzog. Heutzutage kann man noch alte Lagerhäuser und Mauertürme sowie restaurierte Eingangstore, wie das Ishikawa-mon und das Hashizume-mon, besichtigen. Außerdem lädt ein kleiner japanischer Landschaftsgarten, der Gyokuseninmaru, zum Verweilen ein.

Schloss Kanazawa

Chaya-Vergnügungsviertel

Mit Higashi-Chayagai, Nishi-Chayagai und Kazuemachi besitzt Kanazawa über drei Edo-zeitliche Unterhaltungsviertel, in denen sich besonders viele chaya („Teehaus“) angesiedelt haben. Dies waren exklusive Gaststätten, in denen man der Gesellschaft einer Geisha beiwohnen konnte, die mit ihren Unterhaltungskünsten die Gäste erfreute. Das größte Viertel ist Higashi-Chayagai, wo sich einige, für die Öffentlichkeit zugängliche Teehäuser befinden. Auch zahlreiche Cafés und Geschäfte verkaufen ihre lokalen Spezialitäten und Waren. Weiterhin erzählen diverse Museen die vielseitige Geschichte des Viertels und der Stadt.

Higashiyama Chaya

Samurai-Viertel Nagamachi

Am Fuße des Schloss Kanazawa befindet sich das Viertel Nagamachi, in dem früher die Samurai-Krieger und deren Familien residiert haben. Dort kann man durch die historischen Gassen zwischen alten Wohnhäusern schlendern, während man an vergangene Zeiten erinnert wird. In Nagamachi befinden sich zudem einige Museen, die sich mit dem damaligen Alltag des Maeda-Clans, den Samurai und anderen Berufsgruppen in Kanazawa befassen. Besonders empfehlenswert ist das Nomura House, eine restaurierte Samurai-Residenz, welche u. a. Gegenstände und andere Zeugnisse des japanischen Kriegerstandes ausstellt.

Gasse in Nagamachi

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Oyama-Schrein

Der Oyama-Schrein ist dem ersten Feudalherren des Maeda-Clans, Maeda Toshiie, gewidmet und wurde 1599 erbaut. Er ist vor allem bekannt für sein ungewöhnliches Eingangstor, das von einem niederländischen Architekten entworfen wurde. Das Tor vereint Elemente der europäischen, japanischen und chinesischen Baukunst, doch besonders der ursprünglich als Leuchtturm genutzte Turm sticht hervor. Dieser ist stark an den niederländischen Architekturstil angelehnt und verfügt sogar über Buntglasfenster. Auf dem Schreingelände können Besucher:innen weiterhin durch einen kleinen Garten mit Stegen, Brücken und Teichen spazieren.

Eingang des Oyama-Schrein

Ninja-Tempel „Ninja-dera”

Der eigentliche Name dieses Tempels lautet Myōryūji, doch er ist besser bekannt als Ninja-dera, oder „Ninja-Tempel“. Er wurde vom Maeda-Clan erbaut und hat nicht wirklich etwas mit den berühmten Ninja-Kriegern zu tun. Den Spitznamen bekam er aufgrund seines Geflechts aus geschickten Gängen und Fallen, denn der Myōryūji war in erster Linie ein militärischer Außenposten des Clans.

Als Tempel getarnt war er mit zahlreichen Verteidigungsmechanismen, geheimen Räumen und Tunneln, versteckten Fallen und einem komplizierten Labyrinth aus Treppen und Korridoren ausgestattet. Von dort aus konnte man die Obrigkeiten im Schloss Kanazawa im Falle eines feindlichen Angriffes warnen. Heute kann man den Tempel in Form von Führungen besichtigen und mehr über dessen interessante Geschichte erfahren.

Ninjadera

21st Century Museum of Contemporary Art

Nicht nur traditionelle Bauten hat Kanazawa zu bieten, sondern die Stadt ist auch ein Zentrum für zeitgenössische Kunst. Das 21st Century Museum of Contemporary Art wurde 2004 eröffnet und stellt in Dauer- und Sonderausstellungen moderne Kunstwerke von japanischen und internationalen Künstler:innen aus. Das Kunstmuseum gehört zu den beliebtesten in ganz Japan und weist zudem eine außergewöhnliche Bauweise auf. Es gibt nämlich keine „Vorder- und Hinterseite“, sondern es handelt sich um ein rundes Gebäude. Besucher:innen soll es nämlich nicht erlaubt sein, das Gebäude – und damit auch die Kunst – nur „von einer einzigen Seite zu betreten und zu betrachten“.

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