“Kawaii sells”: Visuelle Kultur in Japan

Nikolaus Mach-Hour
Nikolaus Mach-Hour

In Japan treffen dezente Designs auf eine teils sehr grelle visuelle Kultur, die bei so manchem europäischen Betrachter manchmal aneckt. JAPANDIGEST Kolumnist Nikolaus Mach-Hour berichtet.

Diesem Laden sieht man schon von außen an, worum es geht. (c) DocChewbacce / flickr CC BY-SA 2.0

“In vielen Dokumenten und Broschüren sind oft für unser Empfinden unpassende Comicfiguren abgebildet. Egal ob es um Medikamente, interne Company Rules oder auch Autowerbung geht, scheint es keinen Widerspruch zwischen seriösen Themen und vollkommen kindischer Bebilderung zu geben.”

[Video] Eine japanische Mercedes-Benz-Werbung.

Dieser Eindruck ist durchaus zutreffend. Zwar ist, wie auf der ganzen Welt bekannt, Japan auf der einen Seite das Land des dezenten Designs, der kargen Steingärten und der stillen Kontemplation. Parallel dazu hat Japan aber gleichzeitig eine sehr visuelle Kultur mit durchaus grellen Seiten. Das fällt bei einem Besuch in Japan als erstes durch Mangas, Animes und Pachinko-Spielhallen auf.

Es gibt auch die starke Tendenz, in das Layout technischer Produktbroschüren Häschen oder Superhelden im Mangastil einzuarbeiten. Nach japanischem Verständnis werden Comic-Referenzen nicht als kindisch angesehen, sondern als essentieller Faktor, um eine Botschaft aufzulockern und interessant zu halten.

Das Schlüsselwort lautet kawaii, das man ungefähr als “putzig” übersetzen kann. Hier zum Beispiel das Cover eines Buches mit dem Titel Hamuketsu (“Hamster-Popöchen”), das eine Sammlung von Hamsterbildern aus einer “putzigen” Perspektive beinhaltet.

Screenshot der japanischen Amazon-Seite

Das ist auch der Grund, warum unzählige japanische Tourismusregionen (und oft auch Firmen) offizielle Kyarakuta (Charactere = Comicfiguren) haben, mit denen sie sich auf Messen oder bei Presseterminen präsentieren.

In einem Land, wo man auch als Angestellter im Anzug Manga-Comichefte lesen kann, ohne schief angesehen zu werden, ist die Verwendung bunter und lustiger Motive ein bewährter Weg, um die Empfänger auch bei ernsten Themen offener für die eigentliche Botschaft zu machen.

Als Paradebeispiel kann die Abschlusszeremonie der Olympischen Spiele in Rio gelten, bei der der Staffelstab symbolhaft an Tōkyō, den Austragungsort der nächsten Spiele 2020, übergeben wurde. Zuerst kommen in einem Clip die üblichen Sportler vor, die man mit Olympia assoziiert, doch dann muss der japanische Premierminister schnellstmöglich nach Rio gelangen. Wie er dies bewerkstelligt, kulminiert in einem japanischen Finale, das man selbst gesehen haben muss, um es zu glauben.

[Video] Japans Premierminister Abe Shinzō als Supermario (ab Minute 1:14).

Kenner der Materie können zudem mitzählen, wie viele Manga-, Computerspiel- und Animefiguren nebenbei auftreten. Man darf also gespannt sein, wie sehr dieses kulturelle Kapital auch die Spiele in Tōkyō 2020 prägen wird.

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