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Bunraku – Traditionelles Puppentheater

Sina Arauner
Sina Arauner

1955 erklärte die japanische Regierung Bunraku zum immateriellen Kulturgut, seit 2003 ist es ein immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe. Historisch hat Bunraku lange Zeit mit dem klassischen Kabuki-Theater konkurriert, seit den 1960er Jahren erlebt es ein Revival.

Der heute gebräuchliche Name Bunraku geht auf den Puppenspieler Uemura Bunrakuken zurück, der im 18. Jahrhundert seiner Heimat, dem heutigen Awaji, den Rücken kehrte und 1805 in Ōsaka das Bunrakuza gründete. Ursprünglich wurde der Begriff Bunraku nur für dieses eine Theater verwendet, er hat sich aber letztendlich für die ganze Kunstform durchgesetzt.

Geschichte des japanischen Puppentheaters

Noch bevor Bunraku berühmt wurde, gab es in Japan Vorführungen von ayatsuri ningyō-Puppen (操り人形), die entweder wie Marionetten an Fäden geführt oder durch Handbewegungen gelenkt wurden. Im 17. Jahrhundert wurden diese Vorführungen von jōruri, einer mittelalterlichen, musikalischen Erzählform untermalt. So ist ningyō jōruri, heute unter dem Begriff Bunraku bekannt, entstanden.

Ihren Höhepunkt erreichte diese Kunstform ab 1684, als der jōruri-Sänger Takemoto Gidayū das Bunraku-Theater Takemotoza in Ōsaka gründete und sich mit dem Dramatiker Chikamatsu Monzaemon zusammentat. Noch heute gilt Chikamatsu als einer der wichtigsten japanischen Dramatiker, dessen Werke erstmals menschliche Emotionen und nicht nur mechanische Bewegungen der Puppen zum Ausdruck brachten.

Chikamatsu Monzaemon, der „Shakespeare“ Japans.

Die Kunst der Drei – Text, Musik, Puppen

Bei Bunraku handelt es sich um ein Autorentheater, die Handlung wird nicht durch Schauspieler auf der Bühne, sondern von einem Erzähler, dem tayū (太夫), vorgetragen. Der tayū übernimmt die Erzählerrolle, und spricht auch die Rollen der einzelnen Figuren. Dazu verwendet er Stimmen in unterschiedlichen Tonlagen, um die verschiedenen Charaktere und deren Emotionen zu übermitteln.

Begleitet wird der tayū von einem Shamisen-Spieler, dem shamisenhiki (三味線弾き). Die Musik untermalt die Emotionen und Szenerien, die durch den tayū vermittelt werden, sind diesen jedoch keineswegs untergeordnet. Vielmehr das Zusammenspiel der beiden ermöglicht erst, ein Bild auf der Bühne lebendig werden zu lassen.

Die Puppenspieler sind während der Aufführung sichtbar, auch wenn ihre schwarzen Gewänder manchmal die Illusion erwecken, die Puppen bewegten sich von selbst. ©Kate Nevens / flickr

Das Herzstück des Bunraku sind die Puppen, die bis zu 1,5 m groß sind. Geführt werden diese von drei Puppenspielern, den ningyō-zukai. Der Kopf und die rechte Hand werden vom omo-zukai kontrolliert, die linke Hand vom und die Beine vom ashi-zukai geführt. Der hidari-zukai und der ashi-zukai tragen schwarze Gewänder, selbst ihre Köpfe sind von einer schwarzen Kapuze verdeckt. Lediglich das Gesicht des omo-zukai, dem mit der Kontrolle der Mimik der Puppe die wichtigste Rolle zufällt, ist während der Vorstellung sichtbar.

Die Puppen

Die mechanisch aufwändigen Bunraku-Puppen sind weltweit einzigartig, denn sie müssen von drei Spielern geführt werden. Doch nicht nur die Gliedmaßen können bewegt werden. Besonders der Kopf und das Gesicht weisen Mechaniken auf, die die Gesichtszüge verändern und so Emotionen ausdrücken. Laut einer Publikation aus dem Jahr 1861 gibt es fünf wesentliche Merkmale, die die Puppen von anderen Holzpuppen unterscheiden:

Ein guter omozukai verdeckt seinen Körper hinter der Puppe. ©Gunther Hagleitner / flickr

1. Die Puppe hat bewegliche Beine.
2. Die Puppe hat bewegliche Finger.
3. Die Puppe trägt einen leichten Kimono.
4. Die Puppe kann ihre Augenbrauen bewegen.
5. Die Puppe kann ihre Augen und ihren Bauch bewegen, sie kann ihre Zunge herausstrecken und ihre Haare sträuben.

Heutzutage gibt es viele verschiedene Arten von Köpfen (kashira, かしら), die zwischen Geschlecht, Alter, sozialem Stand und Persönlichkeit einer Figur unterscheiden. Ein besonderes Highlight für den Zuschauer sind Köpfe, die zwei Gesichter enthalten, und so eine schnelle Verwandlung ermöglichen, wie zum Beispiel in folgendem Video:


© shyougo1 / youtube

Themen im Bunraku

Die Geschichten im Bunraku lassen sich, ähnlich wie in den anderen Theaterformen Kabuki (歌舞伎) und im Nō (能), in die folgenden Kategorien einteilen:

1. Jidaimono: Dies sind historische und/oder höfische Geschichten, die zwischen der Heian-Zeit (794-1185) und der Sengoku-Zeit (1467-1603) situiert sind. Sie beschäftigen sich mit heroischen Samurai und historischen Schlachten und gehen weniger detailliert auf individuelle und persönliche Erfahrungen ein.

2. Sewamono: Dies sind kontemporäre Geschichten, die sich mit dem Leben des gemeinen Volks beschäftigen. Ein häufiges Thema ist der Konflikt zwischen ninjō (menschlichen Gefühlen) und giri (soziale Pflicht), oft mit dem Aspekt der verbotenen Liebe.

Ein gemischtes Ensemble bei einem Puppentheater in Tokushima. ©Tokushima © JNTO

Bunraku im heutigen Japan

Während früher eine Bunraku-Vorstellung fast den ganzen Tag dauerte, werden heutige Aufführungen von sechs auf zwei oder drei Akte gekürzt. Zwar gibt es auch moderne Stücke, doch oftmals greifen Bunraku-Truppen auf klassische Geschichten des 19. Jahrhunderts zurück.
Wie Kabuki wurde auch Bunraku in der Edo– und Meiji-Zeit ausschließlich von Männer aufgeführt. Inzwischen gibt es unter den Puppenspielern jedoch auch Frauen.

Das Nationale Bunraku-Theater in Ōsaka ist das Bunraku-Zentrum des Landes. ©JNTO

Das Nationale Bunraku-Theater in Ōsaka zeigt jährlich etwa fünf Aufführungen für eine Dauer von jeweils etwa zwei Wochen. Danach werden diese im Nationaltheater in Tōkyō gezeigt. Unterstützt wird die traditionelle Kunstform von der Non-Profit-Organization Bunrakuza, welche seit 2003 ihren Sitz im ehemaligen gleichnamigen Theater in Ōsaka hat.

Auch verschiedene regionale Truppen setzen sich für die Verbreitung von Bunraku, auch international, ein. Seit 2003 ist die Bunraku Bay Puppet Troupe, trainiert von regionalen Truppen in Japan, als erste traditonelle Bunraku-Truppe in Missouri in den USA aktiv.

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