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Japans klassisches Nō-Theater: Ensemble der Umewaka Kennōkai Foundation in Köln

Makoto Okajima
Makoto Okajima

Das japanische Nō-Theater blickt auf über 600 Jahre Geschichte zurück. Zum 50-jährigen Jubiläum des Japanischen Kulturinstituts Köln/The Japan Foundation trat das Ensemble der Umewaka Kennnōkai Foundation in Zürich, Basel, Köln und Berlin auf. Unsere Autorin war vor Ort in Köln.

Aufführung eines Noh-Theaterstücks
© Japanisches Kulturinstitut Köln

Am 1. September verwandelte sich die Bühne der Kölner Philharmonie zum Schauplatz eines eindrucksvollen Spektakels: Das Ensemble der Umewaka Kennōkai Foundation führte drei Stücke des Nō-Theaters auf; auch für das japanische Publikum ein erfrischender Programmpunkt.

Neben der Popularität von Nō in Deutschland war auch die Konzentration des Publikums während der Aufführung erstaunlich. Das Nō-Theater verwendet altes Japanisch, das selbst für Muttersprachler herausfordernd ist. Bei dieser Aufführung konnten jedoch auch deutsche Besucher dank Untertiteln die Spannung, die Nō innewohnt, teilen.

Noh-Bühne in der Kölner Philharmonie
© Japanisches Kulturinstitut Köln

„Nō ist etwas, das Sie nicht verstehen, sondern das Sie fühlen können“, sagte der Nō-Darsteller Hasegawa Haruhiko, der als shite (Hauptdarsteller) im Stück „Shōjō Midare“ zu sehen war. Da die Nō-Sprache im Ausland tendenziell nicht vollständig verstanden wird, kann sich das Publikum eher auf das Fühlen als auf das Verstehen konzentrieren. Hasegawa hatte das Gefühl, dass „Ausländer manchmal besser als Japaner verstehen können, was Nō vermittelt.”

Wahrnehmen, was auf dieser Welt nicht existiert

Die Aufführung bestand aus drei Stücken: Das erste hieß „Shōjō Midare (Der Geist des Reisweins – mit Midare-Tanz)“, in der zwei chinesische Fabelwesen mit einer Vorliebe für Sake einen Freudentanz aufführen. Zwei Nō-Darsteller in knallroten Kostümen tanzten und die Halle wurde in eine festliche Atmosphäre getaucht. Als nächstes folgte das Zwischenspiel kyōgen namens „Kaminari (Der Donnergott)“. Der komische Austausch zwischen einem Arzt und dem zu Boden gefallenen Donnergott brachte das Publikum zum Lachen. Die letzte Aufführung war „Koi no omoni (Die Last der Liebe)“, eine traurige Geschichte. Ein alter Mann verliebt sich in eine schöne und edle Hofdame. Seine Liebe wird jedoch nicht erwidert und er wird zum Dämon. Nachdem er am Ende eine Reinigung durchläuft, wird er zu einem Schutzgott. Die Verzweiflung des alten Mannes war so beeindruckend und es schien, als wäre die Zeit stehen geblieben.

Aufführung eines Noh-Theaterstücks
© Japanisches Kulturinstitut Köln

Wie Sie aus der Beschreibung dieser drei Performances vielleicht erahnen können, sind die meisten Charaktere im Nō etwas, „das es auf dieser Welt nicht gibt“, das durch  die Darstellung auf der Bühne manifestiert wird. Interessant ist außerdem, wie sich die Methode der Gefühlsdarstellung vom westlichen Theater unterscheidet: Der Schauspieler vermittelt die Tiefe des Gefühls, indem er „sich nicht bewegt“.

„In Nō drücke ich meine Energie nicht nach außen aus, indem ich meine eigenen Gesten sichtbarer und meine Stimme hörbarer mache, sondern indem ich meine Energie nach innen lenke“, sagte der Nō-Darsteller Umewaka Yasushi, ein tsure (Begleitspieler) im Stück „Shōjō Midare“. Er erklärte die Besonderheit von Nō: „Ich denke, Nō ist ein Theater, das versucht, mit dem Unsichtbaren zu kommunizieren, mit dem, das nicht auf dieser Welt existiert. Es vermittelt uns Botschaften und wir können diese einfach wahrnehmen.“

Aufführung eines Noh-Theaterstücks
© Japanisches Kulturinstitut Köln

Nō -Darsteller gewinnen Freiheit, indem sie komplizierte Gefühle meistern

Seit mehr als 600 Jahren wird Nō durch die Form, kata (型) genannt, vom Mentor an den Schüler weitergegeben. Aus diesem Grund unterscheidet sich das Zeitgefühl von Nō völlig von westlichen Theaterformen wie etwa in Deutschland gängig, die oft wie ein Spiegel ihrer Zeit wirken.

Nō-Darsteller Umewaka sagte, „Nō ist eine Kunst, die so viele Regeln hat, aber ich finde, dass der Ausdruck des Nō sehr frei ist. Wenn ich streng in die Regeln lerne, verstehe ich eines Tages irgendwie die Bedeutung der kata. Deshalb spielen Schüler mit unterschiedlichen Ausdrücken, auch wenn sie das gleiche Stück vom selben Lehrer lernen.“

Akzeptieren komplexer menschlichen Emotionen

Mit der Entwicklung verschiedener Technologien wie dem Internet oder der Virtual Reality ist es nun möglich geworden, Unsichtbares zu visualisieren. Was wird uns Nō in einer solchen Zeit sagen? Diesmal kam die Antwort vom alten Mann aus „Die Last der Liebe“: Nō gibt uns die Kraft zu akzeptieren, was wir nicht verstehen und was wir nicht mit Worten erklären können, wie menschliche Gefühle, insbesondere Wut, Angst und Trauer.

Aufführung eines Noh-Theaterstücks
© Japanisches Kulturinstitut Köln

In langer Tradition trägt Nō die Rolle, universelle Gefühle des Menschen aufzunehmen. Die Nō-Darsteller fühlen sich zum Schutz dieses Erbes verpflichtet. „Ich denke immer, dass ich Nō schützen und diese Kultur an die nächste Generation weitergeben muss. Indem ich mit der schönen alten Sprache und den Formen spiele, möchte ich die Botschaft und Besonderheit von Nō vermitteln“, sagte die Nō-Darstellerin Umewaka Norika, die als tsure (Nebendarstellerin) des Stück „Die Last der Liebe“ zu erleben war.

Bei dieser Nō-Aufführung konnte das Publikum mit eigenen Augen sehen, wie Tradition weitergegeben wird und wie Jüngere die Kunst der Älteren für die nächste Generation bewahren und am Leben halten. Nicht nur Deutsche, die eine andere Sprache und Kultur haben, sondern auch viele Japaner besuchten die Aufführung. Manche von ihnen sahen zum ersten Mal Nō und alle teilten die Gefühle des Gesehenen. Nō hat uns gezeigt, dass wir die Gefühle von vor 600 Jahren auch heute noch teilen können, egal wie weit Zeit und Ort entfernt sind.


Die Japan Foundation | Japanisches Kulturinstitut Köln ist Partner von JAPANDIGEST.

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