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Charlie Chaplin im Kimono: Eine Kabuki-Erfahrung

Anji Salz
Anji Salz

Was passiert wohl, wenn man japanisches Kabuki-Theater mit westlicher Filmkunst vermischt? Charlie Chaplins Meisterwerk “Lichter der Großstadt” neu erfunden auf der großen japanischen Theaterbühne.

Hiroyuki Ono mit Eugene Chaplin und Koshiro Matsumoto.
Hiroyuki Ono mit Eugene Chaplin und Koshiro Matsumoto. (Am 11. Dezember kam Chaplins Familie, um sich das Kabuki Stück anzuschauen) ©︎ Hiroyuki Ono

Das Tragen des Kimonos sieht nicht nur schön aus, es inspiriert auch, sich immer mehr mit der Kultur und den Kunstformen Japans auseinanderzusetzen. Eine Kabuki-Aufführung, die mit Charlie Chaplins Erbe zusammengeführt aufgeführt wurde, konnte ich mir nicht entgehen lassen.

Anji Salz im Kimono vor dem Nationaltheater Japan
Für den Theater-Besuch trage ich einen eleganten Kimono. © Anji SALZ

Charlie Chaplin im Kabuki-Theater

Eingewickelt in einen meiner eleganteren Kimonos, verbrachte ich also den Nachmittag im Japanischen Nationaltheater in Tōkyō. Dort stand diesen Dezember eine Adaption von “Lichter der Großstadt” von Charlie Chaplin als Kabuki-Stück auf dem Programm. Gefolgt von einem traditionellen Kabuki-Stück, stolperte dann das japanische Äquivalent von Chaplin auf die Bühne. Da Kabuki meist in der Edō-Zeit spielt, wurde die bereits existierende Figur “Kōmori no Yasu-san” (ein Landstreicher/Yakuza) mit der Essenz Chaplins vermischt.

Kabuki-Schauspieler Koshiro Matsumoto als Charlie Chaplin
© National Theatre of Japan

Die Geschichte von “Lichter der Großstadt” ist wundervoll detailliert ins Tōkyō des 18. Jahrhundert zurückversetzt, mit interaktiven Bühnenbildern und den besonderen Traditionen des Kabuki ausgestattet. Besonders interessant ist es, die Umsetzung zu beobachten, nachdem man den Film nochmals geschaut hat. Der Theatersaal hat wahrscheinlich noch nie so lauthals geschrien vor Lachen.

Chaplin-Experte Ono Hiroyuki

Neugierig über diese Kollaboration, habe ich den Dramatiker Ono Hiroyuki zu einem Interview getroffen, der die Geschichte Chaplins für die Aufführung überarbeitete. Seine Begeisterung für Charlie Chaplin geht bereits zurück zur Grundschulzeit, wo er mit einem Chaplin-Film im japanischen Fernsehen in Kontakt kam. Die Verwunderung über diese recht tiefgreifende Satire sollte den Lebensweg Onos bestimmen. Während seines Film- und Theaterstudiums brachte ihn die Suche nach besonderem Material für seine Masterarbeit nach London. Als dritte Person weltweit erhielt er die Genehmigung, herausgeschnittene Filmszenen Chaplins zu sehen und darüber zu schreiben. Laut Ono war Chaplin ein extremer Perfektionist, der selbst einfache Szenen wie den Gang von der Tür bis zur Raummitte 20 Mal neu filmen ließ, bis er zufrieden war mit seinem Werk. Zudem agierte er auch als Regisseur, komponierte die Musik und schnitt den Film selbst.

Ono Hiruyuki und Anji Salz bei einem Interview
Herr Ono & Anji SALZ © Anji SALZ

In einem Zeitschrifteninterview mit dem berühmten Kabuki-Schauspieler Koshiro Matsumoto las Ono über ein “Lichter der Großstadt”-Kabuki-Stück von 1931, was ihn wiederum inspirierte, weitere Nachforschungen anzustellen und darüber auf Englisch zu schreiben. Nach der Weltwirtschaftskrise gab es nicht genug Geld, Hollywood Filme nach Japan zu bringen, daher mussten sich Fans von Chaplin zunächst mit der in Zeitschriften abgedruckten Handlung zufrieden geben – und später dann der Kabuki-Interpretation.

Charlie Chaplin mit Kabuki-Schauspieler Nakamura Kichiemon I.
Charlie Chaplin mit Nakamura Kichiemon I. ©︎ Roy Export SAS

Onos Arbeit wurde sogleich in einem Buch in den USA veröffentlicht. Laut der Familie Chaplins, welche dieses gelesen hatte, war Chaplin ein großer Fan vom Kabuki-Theater und hatte einige Aufführungen bei seiner Reise nach Japan besucht. Herr Ono wurde daraufhin von der Familie ermutigt, Chaplins Werk neu auf der Bühne zu erfinden und kontaktierte Herrn Matsumoto, um eine Kollaboration zu erbeten. Trotz positiver Resonanz dauerte es ganze 15 Jahre um dieses Stück auf die Beine zu stellen.

Herr Ono, der Filmemacher und Drehbuchautor sowie auch der Vorstand der Japan Chaplin Society ist, arbeitete eng mit Herrn Matsumoto und Chaplins Familie an diesem Projekt zusammen. Mit seinen umfangreichen Kenntnissen, schrieb er das Kabuki-Drehbuch von 1931 um, half die Bewegungen und Mimik der Schauspieler genau anzupassen und koordinierte die Genehmigung mit der Familie Chaplins.

Kabuki-Schauspieler Koshiro Matsumoto als Charlie Chaplin
© National Theatre of Japan

Selbst der Kimono des Hauptdarstellers wurde wundervoll dem Landstreicher angepasst und enthält auch Zitate des Films. Eine wundervoll inspirierende Weise, den 130. Geburtstag Charlie Chaplins zu feiern.

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