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Minamoto-no-Yoritomo: Von Krieg und Brudermord

Maria-Laura Mitsuoka
Maria-Laura Mitsuoka

Obwohl Minamoto-no-Yoritomo als Gründervater des ersten Shōgunats eine wichtige Rolle in der Geschichte Japans spielt, wird er oft von seinem jüngeren Halbbruder Yoshitsune in den Schatten gestellt. Neid und Missgunst sollen ihn zum grausamen Fratrizid getrieben haben. Wer war Yoritomo und inwiefern beeinflusste er den Werdegang Japans?

Statue Minamoto Yoritomo
Auch heute noch schaut Yoritomo im Genjiyama-Park in Kamakura (Präfektur Kanagawa) über sein Herrschaftsgebiet. © けいごkeigo (photo-ac)

Yoritomo wurde am 9. Mai 1147 als Sohn des Minamoto-no-Yoshitomo geboren und sollte im Erwachsenenalter die Führung des Minamoto-Clans übernehmen. Er kam in einer Zeit politischer Instabilität zur Welt und wurde im Jahr 1160, beginnend mit der Heiji-Rebellion, Zeuge eines kriegerischen Konflikts zwischen den Minamoto und den Taira, die beide um die politische Vorherrschaft am Hof des Kaisers Go Shirakawa rangen.

Nachdem sein Vater Yoshitomo auf der Flucht aus Kyōto von einem Gefolgsmann verraten und ermordet worden war, gelang es dem Heerführer Taira-no-Kiyomori den Krieg für sich zu entscheiden und die Minamoto vorerst zu zerschlagen. Der 13-jährige Yoritomo und seine jüngeren Halbbrüder Noriyori und Yoshitsune blieben zwar verschont, wurden jedoch aus der Hauptstadt verbannt und wuchsen getrennt voneinander auf. Yoritomo wurde als Geisel nach Hirugakojima in Izu (Präfektur Shizuoka) geschickt, wo er weitere zwanzig Jahre lang ein vergleichsweise freies Leben führte, bis die Minamoto erneut gegen die Taira rebellierten.

Die Statuen von Yoritomo und seiner Frau Masako im Hirugakojima-Park
Die Statuen von Yoritomo und seiner Frau Masako im Hirugakojima-Park (Präfektur Shizuoka) erinnern Besucher und Einwohner gleichermaßen an die frühen Jahre des ersten Shōgun der Geschichte. © chachamoi (photo-ac)

Yoritomos Rachekrieg

Yoritomo konnte den Taira die Zerstörung des Minamoto-Clans nie verzeihen. Um sich einen Namen zu machen, heiratete er Hōjō Masako, die Tochter des einflussreichen Hōjō Tokimasa, und knüpfte während seines Aufenthalts in Izu zahlreiche Kontakte zu namhaften Kriegern. Als der Sohn des Kaisers Go Shirakawa, Mochihito, im Jahr 1180 alle Angehörigen des Minamoto-Clans zu einem Aufstand gegen die Taira aufrief, war die Zeit für Yoritomos Rache endlich gekommen. Im August desselben Jahres griff er mithilfe vieler Befehlshaber die Taira in einem nächtlichen Überfall an und setzte damit den Genpei-Krieg (1180-1885) in Gang, in dessen Verlauf weitere Schlachten folgen sollten.

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Als sein Halbbruder Yoshitsune von seinen Taten erfuhr, beschloss dieser trotz der Warnungen seines Ziehvaters Fujiwara-no-Hidehira, sich Yoritomos Armee anzuschließen und ihn im Kampf gegen die Taira zu unterstützen. In den nächsten Jahren machte sich Yoshitsune unter der Leitung seines Bruders einen Namen als brillanter Krieger und Stratege, bis er schließlich in der Schlacht von Dan-no-ura im Jahr 1185 den Taira-Clan vernichtete und den endgültigen Sieg für die Minamoto errang. Doch nur wenige Monate später verbannte Yoritomo ihn aus Kamakura, seinem politischen Hauptquartier, und ordnete Yoshitsunes Ermordung an. Was trieb Yoritomo dazu, sich gegen seinen eigenen Bruder zu stellen?

Die Statue von Yoshitsune auf dem Berg Hatayama
Die Statue von Yoshitsune auf dem Berg Hatayama in der Präfektur Tokushima zeigt ihn als einen begabten Bogenschützen und Reiter. © cocomil (photo-ac)

“Kain und Abel” Japans

Bis heute ist es Historikern nicht gelungen, den bestimmenden Grund für die Entfremdung zwischen den beiden Brüdern zu ermitteln. Dennoch dominieren drei Thesen, die versuchen, Yoritomos Entscheidung zu erklären.

Zum einen glauben einige Geschichtsbegeisterte, dass Yoshitsune Opfer eines Komplotts des Kommandanten Kajiwara Kagetoki wurde und durch eine Intrige das Vertrauen seines Bruders verlor.

Eine zweite Theorie besagt, dass während der Schlacht von Dan-no-ura eine der drei kaiserlichen Insignien im Meer versunken sei, wodurch Yoshitsune das Ansehen seines Clans beschmutzt habe und bei Yoritomo in Ungnade gefallen sei.

Die dritte und wahrscheinlichste Erklärung für Yoritomos Entschluss zur Ermordung seines Bruders ist, dass Yoshitsunes politischer Einfluss zu groß geworden war. Als Anführer der Minamoto hatte Yoritomo ein Verbot erlassen, das es jedem Krieger untersagte, vom Hof verliehene Ränge ohne seine Genehmigung anzunehmen. Yoshitsune, der im Laufe seiner militärischen Karriere das Vertrauen des Kaisers Go Shirakawa gewonnen hatte, hatte sich jedoch nicht an dieses Verbot gehalten und mehrere Auszeichnungen sowie Titel entgegengenommen. Diese Tat wurde von Yoritomo als Hochverrat betrachtet und sollte mit dem Tod bestraft werden. Yoshitsune bat in einem Brief, heute bekannt als der koshigoejō , verzweifelt um Vergebung, wurde aber nicht erhört und musste mit seiner Familie nach Ōshū (Herrschaftsbereich im heutigen Tōhoku) fliehen, wo er bis 1189 den Schutz von Fujiwara-no-Hidehira genoss. Nachdem dieser jedoch im Oktober starb, verlor Yoshitsune seine Unantastbarkeit. Sein Anwesen in Hiraizumi (Präfektur Iwate) wurde von Yoritomos Armee umstellt, woraufhin er sich gezwungen sah, seiner Familie und sich selbst das Leben zu nehmen.

Takkoku-no-iwaya-Tempel
Hiraizumi (Präfektur Iwate) ist nicht nur als Schauplatz von Minamoto-no-Yoshitsunes Tod bekannt, sondern gilt unter japanischen Touristen auch aufgrund des Takkoku-no-iwaya-Tempels als überaus beliebtes Reiseziel. © leo51 (photo-ac)

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Der Schritt zum ersten Shōgunat Japans

Nach Yoshitsunes Tod richtete Yoritomo sein militärisches Interesse nach Norden und marschierte im Juli 1189 mit 280.000 Soldaten in Ōshū ein, wo er Fujiwara-no-Yasuhira, Hidehiras Sohn, tötete und die Kontrolle über einen großen Teil Ostjapans übernahm. Als Kaiser Go Shirakawa 1192 starb, wurde Yoritomo zum seiitai shōgun (auf Deutsch etwa „Barbaren unterwerfender General“ oder „Generalissimus“, kurz Shōgun) ernannt, woraufhin er in Kamakura, das fernab von der kaiserlichen Hauptstadt Kyōto lag, den politischen Verwaltungssitz einrichtete. Die Rolle des Kaisers war nunmehr symbolisch geprägt und beschränkte sich auf rituelle und kulturelle Angelegenheiten, während der Shōgun das Land sowohl politisch als auch militärisch verwaltete.

Außerdem wird Yoritomo der Beginn des japanischen Feudalsystems zugeschrieben, da er die Ämter der shugo (Wachtmeister) und jitō (Bezirksverwalter) einführte und im gesamten Land Steuern eintrieb. Er legte den Grundstein für das erste Shōgunat in der Geschichte Japans und führte eine vom Kriegeradel beherrschte Gesellschaft ein, die erst mit Beginn der Meiji-Ära im Jahr 1868 zerfallen sollte.

Yoritomos Grab in Kamakura
Noch heute können Touristen Yoritomos Grab in Kamakura besuchen. © ニララテ (photo-ac)

Ein Fluch tötet Yoritomo?

Nur sieben Jahre lang konnte Yoritomo sich an den Früchten seiner Bemühungen erfreuen, denn 1199 starb er im Alter von 52 Jahren an einer bis heute unbekannten Ursache. In der Chronik Azuma Kagami heißt es, dass er beim Überqueren einer Brücke, die über den Sagami-Fluss führte, vom Pferd gestürzt und nach 17 Tagen seinen Verletzungen erlegen sei. In dem Schriftstück Hōryakukanki, dessen Ursprung auf das 14. Jahrhundert festgelegt wird, findet sich sogar der Aberglaube, dass Yoritomo von den Geistern seiner Opfer getötet wurde, welche ihn nach seinem Reitausflug mit einem Fluch belegt haben sollen. Aus solchen Erzählungen lässt sich ableiten, dass Yoritomo damals wie heute als ein kaltblütiger Mann mit zahlreichen Lastern wahrgenommen wurde.

Andererseits wurde er im Heike Monogatari als „ein Mann mit großem Gesicht, aber kleiner Statur“ beschrieben, dessen „Erscheinung anmutig und Wortwahl geschickt war“. Er sei für sein Alter sehr reif gewesen und habe es verstanden, klare Entscheidungen zu treffen und entschlossen zu argumentieren.

Ungeachtet seiner grausamen Taten, die in turbulenten Zeiten wie diesen keine Seltenheit waren, kommen Forscher und Geschichtsinteressierte anhand der Schriftzeugnisse überein, dass Yoritomo ein charismatischer und ehrgeiziger Anführer war, der sich sowohl auf militärischer als auch auf politischer Ebene gut durchzusetzen wusste. Auch wenn die Ermordung des eigenen Bruders eine unverzeihliche Tat war, so würde dieser Schatten nicht seine Errungenschaften trüben.

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