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Seijin no Hi: Eintritt ins Erwachsenenalter

Constanze Thede
Constanze Thede

Der „seijin no hi“ markiert in Japan den Eintritt ins Erwachsenenalter. Dieser bedeutende Tag wird entsprechend aufwendig zelebriert und ist gleichzeitig für viele junge Menschen eine schöne Gelegenheit, sich nach dem Schulabschluss noch einmal wiederzusehen.

Japanerin im Kimono hält eine rote "20" hoch
Mit 20 Jahren wird in Japan der Tag der Volljährigkeit gefeiert. © photo-ac / finegraphics

Jedes Jahr am zweiten Montag im Januar wird in Japan der seijin no hi, der Tag der Volljährigkeit, zelebriert. Dann versammeln sich zahlreiche junge Menschen, die zwischen dem 2. April des Vorjahres und dem 1. April des aktuellen Jahres das 20. Lebensjahr erreicht haben oder erreichen werden. Der seijin no hi (成人の日) ist in Japan ein gesetzlicher Feiertag und die Festlichkeiten zu diesem Anlass nennt man seijinshiki (成人式).

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Ursprünglich dem Adel vorbehalten

Die Ursprünge des seijin no hi reichen bis in die Nara-Zeit (710-794) zurück. Damals mussten sich Mädchen und Jungen besonderen Ritualen unterziehen, wenn sie das Erwachsenenalter erreichten. Diese galten allerdings nur für den Adel und fanden auch wesentlich früher statt als heute. Jungen nahmen zwischen 12 und 16 Jahren an einer Zeremonie namens genpuku teil, mit der sie offiziell das Mannesalter erreichten. Sie bekamen dann neue Kleidung, eine spezielle Frisur und die höfische Kappe kanmuri.

Für Mädchen wiederum gab es die Mündigkeitszeremonie mogi, bei der sie zum ersten Mal einen langen Damenrock (mo) tragen durften. Die damalige Kleidung ähnelte der auch heute noch bei Feierlichkeiten vom japanischen Kaiserpaar getragenen höfischen Garderobe, die auf dem Bild unten zu sehen ist. Die Kappe für Männer war etwas kleiner und der Damenrock ist Teil des 12-lagigen Kimonos jūnihitoe, den die Puppe der Kaiserin hier trägt. Die Mündigkeitszeremonie für Mädchen fand meist nach der ersten Menstruation statt und mit ihr hatten die Mädchen offiziell das heiratsfähige Alter erreicht. Während der Nara- und Heian-Zeit waren diese Zeremonien bedeutsame Schnittpunkte im Leben der jungen Menschen.

Das japanische Kaiserpaar als Puppen
Das Kaiserpaar als Puppen in traditioneller, höfischer Kleidung: Der Tennō trägt die höfische Kappe "kanmuri". © photo-ac / チチダンゴ

Als ab der Kamakura-Zeit (1185-1333) die Samurai an Einfluss gewannen, durften sich auch die Söhne hochrangiger Krieger der genpuku-Zeremonie unterziehen, womit sie offiziell den Samurai-Status erhielten und fortan für den Kampf bereit sein mussten. Während der Muromachi-Zeit (ca. 1336-1573) wurde die Zeremonie nach und nach auch Kindern aus Familien mit geringerem sozialen Status wie Bauern und Handwerkern ermöglicht und markierte hier meist den Eintritt ins Arbeitsleben. Mit der Veränderung der Arbeitswelt konnte die Grenze zwischen Kindheit und Erwachsenenalter jedoch nicht mehr so klar und früh gezogen werden, da für den Eintritt ins Berufsleben mehr Fähigkeiten verlangt wurden.

Nachkriegszeit bis heute

Erst 1948 wurde der seijin no hi zum gesetzlichen Feiertag. Die zunächst verlorengegangene Tradition der Volljährigkeitszeremonie wurde im Nachkriegsjapan wiederbelebt, um dem Volk in dieser düsteren Zeit neue Hoffnung zu geben und die Jugend zu ermutigen, sich zu selbstständigen Erwachsenen zu entwickeln. Zunächst fand diese am 15. Januar statt – dies änderte sich erst mit der Einführung des „Happy Monday“-Systems im Jahre 2000, als eine Reihe von Feiertagen auf den Montag gelegt wurde, um die arbeitende Bevölkerung zu entlasten. 

Heutzutage beginnen die Festlichkeiten meist vormittags vor dem örtlichen Regierungsgebäude, wo der Bürgermeister bzw. ein lokaler Regierungsvertreter eine Rede hält und kleine Geschenke an die jungen Erwachsenen überreicht werden. Nicht selten werden auch Videobotschaften prominenter Menschen gezeigt, die am jeweiligen Tag die Volljährigkeit erreichen.

Die Frauen erscheinen in der Regel im bunten Kimono mit aufwendigem Haarschmuck, während die Männer eher im Anzug als im traditionellen hakama (eine Art Hosenrock) zu sehen sind. Da sich im Alter von 20 Jahren die meisten bereits in Studium, Ausbildung oder im Beruf befinden, ähnelt dieser Tag einem riesigen Klassentreffen, bei dem man viele bekannte Gesichter wiedersieht.

Drei Frauen in Kimonos am Tag der Volljährigkeit in Japan
Japanerinnen machen sich für den "seijin no hi" besonders schick. © photo-ac / kscz58ynk

Häufig wird im Anschluss an die offiziellen Feierlichkeiten ein Schrein besucht, um für Glück und Gesundheit im neuen Lebensabschnitt zu beten. Abends geht man dann mit Freunden oder Familie aus, um ordentlich zu schlemmen und zu feiern. In Kitakyūshū (Präfektur Fukuoka) lief der Tag 2022 sehr bunt und fröhlich ab und neben klassischen Kimonos sah man auch sehr modern interpretierte, hippe Kostüme:

“Seijin no hi” in Kitakyūshū (Präfektur Fukuoka): Dieser junge Paradiesvogel hat sich vorgenommen, endlich erwachsen zu werden und seinen Eltern keinen Ärger mehr zu machen.

Im Tokyo Disneyland und Disney Sea (Präfektur Chiba) sowie in den Universal Studios Japan in Ōsaka werden anlässlich des seijin no hi besondere Shows gezeigt. Obwohl aufgrund der Pandemie 2022 landesweit Maßnahmen getroffen wurden, um das Infektionsrisiko rund um den Feiertag zu begrenzen, nahmen an den Shows in den Themenparks Disney Land und Disney Sea so viele junge Menschen teil wie noch nie. In den Universal Studios wird das Event dieses Jahr auf zwei Tage verteilt. Am letzten Sonntag nahmen dort bereits 1.300 junge Erwachsene an den Festlichkeiten teil.

Verwirrung bei der Altersgrenze

Leichte Verwirrung herrschte in jüngster Zeit, da ab dem 1. April 2022 in Japan die gesetzliche Volljährigkeit von 20 auf 18 Jahre herabgesenkt wird. Ob der seijin no hi fortan bereits ab 18 Jahren gefeiert werden kann, sollen die einzelnen Präfektur-, Stadt- und Bezirksverwaltungen individuell bestimmen können. Die meisten haben jedoch bereits beschlossen, das Alter bei 20 Jahren zu belassen. Ein Grund dafür ist, dass viele mit 18 die wichtige Phase der Aufnahmeprüfungen für die Universitäten durchlaufen und dies somit kein besonders guter Zeitpunkt zum Feiern ist.

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