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Mein Leben in Deutschland (Teil 2) – Als Sportlehrerin in ein neues Land

Kei Okishima
Kei Okishima

Seit 2015 lebt die japanische Sportlehrerin Matsuno Anna in Köln. Im Interview mit JAPANDIGEST erzählt sie von ihrem Arbeitsalltag, Sprachproblemen und wie sie sich selbst ein Stück Japan nach Deutschland holt.

Brezel vor dem Kölner Dom
Die neue Wahlheimat von Matsuno Anna ist die Millionenstadt Köln. © Matsuno Anna

Sei es für die Arbeit, die Familie oder zum Studium, temporär oder für den Rest des Lebens – Anlässe gibt es viele, aus denen sich ein Mensch dazu entscheidet, die eigene Heimat für ein fremdes Land zu verlassen. In Deutschland leben über 45.000 japanische Staatsbürger, auch ihre Beweggründe sind facettenreich. Warum haben sie sich auf diese aufregende Reise begeben? Was gefällt ihnen an Deutschland? Welche Schockmomente gab es? Wir haben mit drei Japanerinnen gesprochen, die auf unterschiedliche Weisen ihren Weg hierher gefunden haben und uns von ihren Erfahrungen berichten.


Matsuno Anna
© Matsuno Anna

 

Matsuno Anna

Sportlehrerin
Seit 2015 in Deutschland

 ___________ Profil ___________

Heimatstadt: Tōkyō

Lebt in: Köln

Wo sie schon mal gewohnt hat:
Düsseldorf

Lieblingsfußballmannschaft:
1. FC Köln

 


Weshalb sind Sie nach Deutschland gekommen?

Als Studentin besuchte ich Deutschland im Rahmen einer Sportveranstaltung. In der deutschen Sportkultur geht es nicht um Sieg oder Niederlage, sondern darum, lebenslang Spaß am Training zu haben und das hat mich sehr fasziniert.  Letztlich bekam ich nach meinem Uniabschluss die Möglichkeit, in Deutschland Sport zu unterrichten. Außerdem wollte ich mein Studium an einer deutschen Universität fortführen.

Gab es „Kulturschock“-Momente?

Kostenpflichtige Toiletten, die Trinkgeldkultur oder selbst organisierte Geburtstagsfeiern… Doch der allererste Schock war, als ich sah, wie jemand in einen Apfel biss. Die einzige Person, die meines Wissens nach je einen ungeschälten, ungeschnittenen Apfel gegessen hatte, war Schneewittchen! Wie jemand einen Apfel aus der Tasche holte, ihn am Hemd abputzte und hineinbiss, war ein wahrer Kulturschock! Wie Deutsche wohl reagieren, wenn sie die als kleine Häschen geschnittenen Apfelstücke, die in Japan sehr populär sind, sehen würden?

Wie haben Sie sich an den deutschen Alltag gewöhnt?

Anfangs fühlte ich mich wegen meiner ungenügenden Sprachkenntnisse wie in einem Käfig im Zoo gefangen, doch ich schwor mir: „Nicht weglaufen! Nicht aufgeben!“. Ich bekam die Chance Sportunterricht zu geben, also wollte ich mein Sprachniveau so verbessern, dass ich mich mit Fünfjährigen verständigen konnte. So lernte ich täglich dazu und gewöhnte mich an den Alltag, auch wenn ich mit der deutschen Sprache meine erste Feuerprobe durchlief.

Wie ist der Arbeitsalltag für Sie?

Ich habe den Eindruck, dass man hier eine gute Work-Life-Balance hat. Nach der Arbeit gehe ich zum Beispiel zu einem Spiel meiner Lieblingsfußballmannschaft, um sie anzufeuern! Deutschland ist deshalb so attraktiv für mich, weil man die Zeit, die man mit der Familie oder mit Hobbys verbringt, genauso wertschätzen kann wie die Arbeitszeit.

Negitorodon
"Negitoro-don": Ein typisch japanisches Gericht mit Mettwurst eingedeutscht! Dazu Apfelstücke als süße Häschen geschnitten. © Matsuno Anna

Wie kommen Sie mit der deutschen Sprache zurecht?

Ganz zu Beginn kannte ich nur drei Wörter, nämlich „Bitte“, „Danke“ und „Omakuchen“. Warum Omakuchen? Damals backte die Großmutter einer befreundeten deutschen Familie bei jedem meiner Besuche einen Kuchen, daher erinnere ich mich noch an dieses Wort. Ich mache mir immer noch Gedanken um die deutsche Aussprache oder den richtigen Gebrauch von „Du“ und „Sie“, aber im Alltag habe ich keine großen Sprachprobleme mehr.

Was empfinden Sie als praktischer in Deutschland im Vergleich zu Japan?

Deutschland ist viel weiter, was Bio-Produkte und Umweltschutz angeht. Beispielsweise das Pfandsystem für Mehrwegflaschen oder die Gewohnheit, eigene, umweltfreundliche Tragetaschen mitzubringen. Statt dem Übermaß an Verpackungen, was mir in Japan als selbstverständlich erschien, ist es angesichts der Ressourcenverschwendung viel besser für die Umwelt und die Menschen.

Wie holen sie sich Ihre Heimat „Japan“ hierher?

Wenn ich in Deutschland „Japan“ erleben will, bedeutet das für mich vor allem „Sprache“ und „Essen“. Es ist sehr frustrierend, wenn ich meine Gefühle auf Deutsch nicht zum Ausdruck bringen kann, deshalb bin ich immer sehr dankbar, wenn ich mich mit japanischen Freunden austauschen kann. In Bezug auf „Essen“ wirkt es vielleicht etwas komisch, Milchreis wie normalen japanischen Reis zuzubereiten oder Mettwurst mit Lauch zu garnieren und es „Negitoro-Don“ zu nennen… Doch man kann auch mit deutschen Lebensmitteln Gerichte kochen, die an Japan erinnern.


Dieser Artikel erschien in der Oktober-Ausgabe des JAPANDIGEST 2020 und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.

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