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Deutsch-Japanische Städtepartnerschaften: Bietigheim-Bissingen & Kusatsu

Diana Casanova
Diana Casanova

Städtepartnerschaften sind ein wichtiger Pfeiler für die interkulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zweier Städte und Nationen. Wir stellen Ihnen die interessanten Hintergründe und Ergebnisse deutsch-japanischer Städtefreundschaften vor. Im Porträt: Bietigheim-Bissingen (Baden-Württemberg) und Kusatsu (Präfektur Gunma).

Bietigheim-Bissingen
Im Juni 2018 feierte die Städtepartnerschaft zwischen Bietigheim-Bissingen und Kusatsu ihr 55. Jubiläum. Empfangen wurden Ehrengäste vor dem Rathaus der deutschen Stadt.

Wenn zwei Städte eine Partnerschaft eingehen, dann geschieht das nicht einfach so: Meist liegen Gemeinsamkeiten zugrunde, die die beiden Orte miteinander verbinden, z.B. eine ähnliche Lage, Einwohnerzahl, Wirtschaftsinteressen oder ein gemeinsames kulturelles Erbe. Doch was haben die scheinbar ungleichen Städte Bietigheim-Bissingen, eine große Kreisstadt mit über 40.000 Einwohnern nördlich von Stuttgart, und Kusatsu, ein kleiner Kurort mit etwas mehr als 6.000 Einwohnern in der Präfektur Gunma, gemeinsam? Die Antwort hängt mit einem deutschen Arzt zusammen, der Mitte der 1870er seinen Weg nach Japan fand.

Erwin von Bälz, Wegbereiter der modernen Medizin in Japan

Erwin von Bälz wurde 1849 in Bietigheim geboren und studierte ab 1866 Medizin in Tübingen und Leipzig. Während seiner Tätigkeit als Assistent in einer Klinik in Leipzig Mitte der 1870er behandelte er einen einflussreichen japanischen Beamten, wodurch sich sein Leben drastisch verändern sollte. Von Bälz erhielt die Möglichkeit, als Professor für Innere Medizin an der Medizinschule in Tōkyō zu lehren, welche später die Medizinische Fakultät der renommierten Universität Tōkyō werden würde. Der Arzt nahm das zunächst auf zwei Jahre befristete Angebot an – und blieb am Ende fast 30 Jahre.

Der Zeitpunkt seiner Einberufung war nicht zufällig: 1868 öffnete sich die Nation Japan nach einer über 200 Jahre dauernden Phase der Isolation, wenn auch zunächst ungewollt durch den starken Einfluss der USA. Doch die japanische Regierung nutzte die Gelegenheit, um seine eigene Modernisierung voranzutreiben und möglichst schnell Anschluss an das industrialisierte Amerika und Europa zu finden. So holte sie ausländische Fachkräfte nach Japan, um neue Technologien und Entwicklungen zu studieren. Dies betraf zahlreiche Fachgebiete wie Transportwesen, Bildung oder Militär, doch inbesondere im Bereich Medizin war das damalige Preußen das große Vorbild. Bis heute prägen Deutschland und die deutsche Sprache das japanische Medizinwesen.

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Entwicklung zum berühmten Kurort

Erwin von Bälz war also zunächst einer von vielen deutschen Ärzten, die im Zuge der sogenannten Meiji-Restauration nach Japan kamen. Doch wurde er durch seine Lehrtätigkeit zu einer der wichtigsten Figuren, wenn es um die Entwicklung der modernen japanischen Medizin und die Verbesserung des damaligen Gesundheitswesens geht. Am Ende wurde von Bälz sogar zum Leibarzt des japanischen Kaiserhauses ernannt.

Eines seiner Forschungsgebiete war das Badewesen, welches in Japan durch seine traditionellen öffentlichen Badehäuser und heißen Quellen längst zum Alltag gehörte. Heutzutage ist das Städtchen Kusatsu national und international für seine wohltuenden und natürlichen onsen bekannt, doch diesen Ruf verdankt es maßgeblich dem deutschen Arzt, der Kusatsu als Kur- und Badeort förderte.

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Lange nach von Bälz’ Tod im Jahre 1913, nämlich 1961, verschlug es eine japanische Delegation in seinen Geburtsort Bietigheim. Sowohl in Kusatsu als auch in Bietigheim war man sich der außerordentlichen Leistungen in der Medizin sowie den deutsch-japanischen Beziehungen von Erwin von Bälz bewusst. 1962 kam es schließlich auf Grundlage dieser historischen Verbindung zur Gründung einer offiziellen Städtepartnerschaft.

Enge Freundschaft bis heute

Neben der Entstehung und Pflege der neu gewonnenen Freundschaft ehrte man diese sowie den berühmten Sohn der Stadt mit einem kleinen Japangarten, welcher im Zuge der Landesgartenschau 1989 von einem japanischen Gartenarchitekten neu gestaltet wurde. So schmücken ihn heute sogar Kirschbäume aus Kusatsu sowie ein Von-Bälz-Gedenkstein. Seit einigen Jahren findet zudem ein regelmäßiger Schüleraustausch zwischen der Realschule in Bissingen sowie der Oberschule in Kusatsu statt. In Kusatsu selbst gedenkt man dem Arzt mit einem kleinen Museum, welches 2000 eröffnet wurde.

Der Japangarten in Bietigheim-Bissingen.
Der Japangarten in Bietigheim-Bissingen.

Städte im Steckbrief

 Bietigheim-BissingenKusatsu
Liegt in:Baden-WürttembergPräfektur Gunma
Einwohner:43.273 (Stand: 30.09.20)ca. 6.079 (Stand: 01.02.21) 
Fläche:31,29 km²49,75 km²

Mehr zur Städtepartnerschaft zwischen Bietigheim-Bissingen und Kusatsu gibt es auf der Website der Stadt Bietigheim-Bissingen.

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