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Ohne “Hanko” geht’s nicht: Japanische Namensstempel

Diana Casanova
Diana Casanova

Wer in Japan lebt, kommt nicht um ihn herum: ein persönlicher Namensstempel, der anstelle einer Unterschrift verwendet wird. Wir erklären alles zum japanischen "hanko" und sagen Ihnen, worauf Sie bei der Auswahl der Schriftzeichen für Ihren Namen achten sollten!

Zahlreiche japanische Namensstempel in einem Regal

Die sogenannten hanko (判子), oder auch inkan (印鑑), sind kleine, meist längliche Stempel, an deren Ende der Name – entweder der volle oder nur Nachname – einer Person in Kanji (chinesische Schriftzeichen) eingraviert ist. In Japan haben diese Stempel die gleiche Funktion und Bedeutung einer Unterschrift. Privatpersonen wie Unternehmen benutzen sie für offizielle und inoffizielle Zwecke, z. B. bei Vertragsabschlüssen, Kontoeröffnungen oder auch zur Annahme von Postsendungen. Das bedeutet, dass so ziemlich jeder japanische und ausländische Staatsbürger, der in Japan lebt, in Besitz eines solchen hanko ist.

Die handlichen Siegel werden in ein Stempelkissen mit roter Tinte gedrückt und sanft auf eine designierte Stelle des Dokumentes gedrückt (dieses stellt sich oft als Kreis mit dem Zeichen 印 in der Mitte dar). Für die Aufbewahrung des persönlichen hanko nutzt man eine spezielle Box, die es in allen möglichen Formen, Designs und Farben zu kaufen gibt. Im Übrigen können die Begriffe inkan und hanko synonym verwendet werden, auch wenn ersteres förmlicher ist und in einem offiziellen Kontext gebraucht wird, während hanko eher für Stempel im Allgemeinen steht.

Hanko in einer Box mit Stempelkissen

Geschichte des hanko

Der Ursprünge des Namensstempels gehen auf das Jahr 57 n. C. zurück, als ein chinesischer Herrscher der Han-Dynastie einem japanischem Konvoi ein goldenes, kaiserliches Siegel mitgab. Es gilt als eines der ersten Nachweise japanischer Schriftkultur und wurde zunächst ausschließlich vom japanischen Kaiser und anderen Adligen verwendet. Viele Jahrhunderte später machten auch Geistliche und Samurai davon Gebrauch.

Von den Samurai kommt auch die Verwendung von roter Tinte beim Stempeln: Diese Farbe war früher nämlich ausschließlich der Kriegerklasse vorbehalten. Hanko fanden in der allgemeinen Bevölkerung erst im Zuge der Meiji-Restauration 1868 Verbreitung, als das Land ein System zur Registrierung aller Bürger Japans einführte und diese nun einen offiziellen Vor- und Nachnamen annehmen mussten.

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Verschiedene Typen

Je nach dem, wann und wo man seinen Stempel setzen muss, gibt es unterschiedliche Arten von hanko:

Jitsuin (実印)

Übersetzt „wahres Siegel“, ist das jitsuin der wichtigste Stempel und muss im Rathaus des Wohnortes offiziell registriert werden. Es gelten strenge Vorgaben, was Länge, Durchmesser und Form angeht und pro Person kann nur ein einziges Siegel registriert werden. Das jitsuin wird für sämtliche offiziellen Vorgänge wie etwa Kaufverträge verwendet.

Nach der Registrierung im Rathaus erhält man eine Registrierungskarte, die wiederum zum Erhalt einer Siegel-Zertifizierung berechtigt. Diese Zertifizierung muss man bei Vertragsabschlüssen stets vorlegen, um die Echtheit des Siegels nachzuweisen. Daher ist es unerlässlich, sein jitsuin sicher und vor Missbrauch geschützt aufzubewahren. Ähnlich wie beim Reisepass muss man den Verlust im Rathaus melden und einen neuen Stempel registrieren lassen.

Ginkōin (銀行印)

Das „Banksiegel“ wird nur bei Eröffnung und Schließung eines Bankkontos verwendet (oder beim Abheben hoher Geldsummen) und dient zur Identifizierung des Kunden. Dieses Siegel muss man vorher bei seiner Hausbank registrieren lassen.

Mitomein (認め印)

Ein mitomein oder „privates Siegel“ ist der inoffizielle Namensstempel, den man praktisch überall kaufen kann und der nirgendwo registriert werden muss. Man benutzt ihn für informelle Anlässe wie das Annehmen von Paketen. Diese Stempel bestehen oft aus billigen Materialien wie Gummi oder Plastik und werden in Massen produziert. Da diese in der Regel für den persönlichen Gebrauch gedacht sind, reicht es, nur den Vor-, Nach- oder sogar Spitznamen zu nutzen, während für jitsuin und ginkōin ausschließlich der volle Name akzeptiert wird – somit darf ein mitomein auch nicht für Verträge verwendet werden. Viele Menschen nutzen einen solchen Stempel zum Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Form, Farbe, Design oder sogar zusätzlich eingravierte Motive lassen sich frei auswählen.

Alle drei Stempelarten sollten sich, unter Beachtung der geltenden Regeln, optisch und durch die ausgewählten Kanji möglichst klar voneinander unterscheiden, um Missbrauch zu erschweren und diese selbst besser auseinander halten zu können.

Namensstempel mit rotem Stempelkissen auf einem Mustervertrag

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Ein überholtes System?

Das Stempelsystem hat also eine lange Tradition, doch in einer mehr und mehr digitalisierten Gesellschaft stellt sich die Frage, wie sinnvoll und zuverlässig diese Form der Identifizierung noch ist. Nicht wenige Stimmen bezeichnen hanko als schlicht veraltet und gerade Japans Finanzsektor versucht u. a. aus Kostengründen die umständliche Papierwirtschaft zu reduzieren.

Selbstverständlich hat die hanko-Industrie daran kein Interesse, doch selbst sie kann die Nutzung eines hanko als sichere Maßnahme nicht rechtfertigen, wenn es in Japan durchaus wahrscheinlich ist, dass zwei oder mehrere Menschen den exakt gleichen Namen haben und man die Stempel für wenig Geld kaufen kann. Diese Entwicklungen führen dazu, dass das Handwerk mehr und mehr ausstirbt. Auch die Regierung strebt immer wieder Maßnahmen an, die Notwendigkeit der Stempel zu minimieren (die Japan Times hat dazu einen interessanten Beitrag veröffentlicht).

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Große Auswahl

Nichtsdestotrotz, da die kleinen Namensstempel ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens in Japan sind, ist es nicht verwunderlich, dass es überall sogenannte hanko-ya, Stempelgeschäfte, gibt. Dort kann man einen persönlichen Stempel fertig kaufen oder direkt gravieren lassen. Je nach Kanji-Anzahl und gewünschtem Material kann er bis zu 30 € kosten. Die billigsten Varianten bestehen meist aus Plastik oder einfachem Holz, doch diese sind anfälliger für Schäden und Abnutzung. Von Hand gefertigte hanko sind robuster und langlebiger, vor allem wenn Sie aus speziellem Holz oder anderen hochwertigen Materialien hergestellt werden. Es gibt sogar extravagante Angebote aus Elfenbein oder Titan: Da kann der Preis auch schon mal in die hunderte oder tausende Euro gehen.

Oft kann man als Kunde zwischen verschiedenen Schriftarten oder der Dicke der Linien wählen. Aufgrund der Größe der Stempel ist der Platz für die Schriftzeichen natürlich begrenzt – in der Regel haben die runden oder viereckigen Siegel einen Durchmesser von 8 bis 25 mm. Statt Kanji kann man sich mittlerweile aber auch Hiragana, Katakana oder Buchstaben des Alphabets eingravieren lassen.

Wer einen gängigen japanischen Nachnamen hat, für den lohnt sich – zumindest für ein mitomein – der Gang zu einem 100-Yen-Shop. Meistens gibt es dort ein ganzes Regal voller Namensstempel und Zubehör, und das für knapp 1 € pro Stück. Geschäfte wie der große Discounter Don Quijote oder der Schreibwarenhandel Tokyu Hands führen manchmal eigene Automaten, in denen man sich ab 5 € aufwärts seinen persönlichen Stempel machen lassen kann.

Zahlreiche japanische Namensstempel in einem Regal

Welche Zeichen soll ich nehmen?

Wenn Sie ein hanko als persönliches Souvenir haben möchten, dann ist der eigenen Kreativität bei der Auswahl der Zeichen keine Grenzen gesetzt. Viele Ausländer suchen sich Zeichen heraus, die der Aussprache ihres Namens am nächsten kommen oder deren Bedeutung ansprechend klingt. Dies kann allerdings aus japanischer Sicht schon einmal zu seltsamen oder unnatürlichen Zeichenkombinationen führen – schlimmstenfalls kommen negative oder gar “schmutzige” Übersetzungen dabei heraus. Personen mit langen Namen haben bei dieser Methode leider das Nachsehen, denn meist gibt es nur Platz für bis zu vier Kanji. Wer kann, lässt sich am besten von einem Muttersprachler beraten.

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Wenn Sie einen Namen haben, der japanischen Namen ähnelt, kann man sich auch den gängigen Zeichen dafür bedienen. Manchmal lässt sich der eigene Vor- oder Nachname direkt ins Japanische übersetzen: Jemand mit dem Nachnamen „Schwarz“ könnte das gleichbedeutende Zeichen 黒 (kuro) nutzen. Die Umschreibung des eigenen Namens in die Silbenschrift Katakana (wie es für ausländische Namen in Japan üblich ist), ist sicherlich die einfachste, wenn auch unspektakulärste Variante. Mittlerweile gibt es sowohl in Japan, besonders an touristisch stark besuchten Orten, als auch online diverse hanko-ya, die sich auf hanko für Ausländer spezialisiert haben und Tipps geben, welche Kanji am besten passen. Ein personalisierter Stempel eignet sich daher auch als wunderbares Geschenk aus Japan. 

Und keine Sorge für jene, die bereits in Japan leben oder es vorhaben: Viele Ämter oder Postboten akzeptieren mittlerweile die klassische Unterschrift per Hand.

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