Silver Economy in Japan: Perspektiven für den Aufschwung

Sina Arauner
Sina Arauner

Überalterung ist in Japan genau wie in anderen Gesellschaften ein Thema. Als Herausforderung, aber auch als Chance. Insbesondere in Japan ist der Wirtschaftssektor, der sich den Bedürfnissen des immer größer werdenden Anteils an Senioren widmet, die Silver Economy, am Wachsen.

Senioren im Park

Vor allem in der Kranken- und Altenpflege macht Japan immer wieder mit innovativen Technologien Schlagzeilen. Die Fortschritte der japanischen Robotik sind nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine Chance im Umgang mit der Überalterung. Denn diese ist nicht „nur“ ein Problem. Weltweit sehen Länder mit fortgeschrittenem Durchschnittsalter die sogenannte Silver Economy als Möglichkeit für einen ganz neuen Markt, mit den Senioren als Zielgruppe. Der Vorsprung Japans vor anderen Ländern zieht den Blick auf die neuen Angebote und angepassten Strategien des Landes.

Dabei geht es bei weitem nicht nur um die Überbrückung des Fachkräftemangels, etwa in Pflegeberufen. Denn neben der weltweit längsten Lebenserwartung hält Japan auch den Rekord der Dauer, den Personen im Durchschnitt in Gesundheit verleben: 2016 lag der Wert bei 72,6 Jahren für Männer und 76,9 Jahren für Frauen (Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation).

Ein neuer Markt mit viel Potenzial

Damit ergeben sich ganz neue Bedürfnisse, die durch das bisherige Marktangebot nicht ausreichend gedeckt sind. Vor dem Hintergrund einer stagnierenden Wirtschaft bieten die über 50-Jährigen viel Potenzial. Denn in dieser Altersgruppe steigen die Konsumausgaben in Japan am stärksten. Die Dankai-Generation, Japans Babyboomer, geboren zur Mitte des 20. Jahrhunderts, trat zu einer Zeit des wirtschaftlichen Wachstums in die Arbeitswelt ein. Gemeinsam mit der nachfolgenden Generation der 50- bis 65-Jährigen investiert sie mehr Zeit und Geld in Freizeitaktivitäten, Gesundheit und Reisen als ihre Elterngeneration.

Ende 2017 berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo News von der Renovierung 13 großer Aeon-Einkaufszentren an strategischen Standorten in ganz Japan, um ein besseres Angebot für Senioren zur Verfügung zu stellen. Gruppenaktivitäten wie sportliche Übungen am Morgen sind für Rentner mit viel Zeit attraktiv, um fit zu bleiben. Bei Aeon heißen die morgendlichen Aktivitäten asatomo, das sich zusammensetzt aus asa (Morgen) und tomodachi (Freund), und bieten neben der Förderung der körperlichen Gesundheit auch eine Gelegenheit, soziale Kontakte unter Gleichaltrigen zu pflegen. Shiseido bietet seit 2013 therapeutische Seminare in medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen an. Diese zielen die Erhöhung der Lebensqualität durch Aufrechterhaltung und Verbesserung geistiger und körperlicher Fähigkeiten, mehr Unabhängigkeit und die Präventation von Beschwerden bei gesunden Senioren an. Jedes Jahr nehmen rund 35.000 Personen teil (2008).

Schminkkurs für gesunde Senioren
© Shiseido Company

Neue Formen der Vermarktung

Auch die Art der Vermarktung selbst muss an ältere Zielgruppen angepasst werden. Die direkte Anrede der Konsumenten durch gezielte Werbung ist nicht mehr so effektiv wie bei Jüngeren. Gesehenes/Gehörtes bleibt nicht gut im Gedächtnis oder kann in Bezugnahme auf das fortgeschrittene Alter negativ wirken. Deshalb wird auch verstärkt auf Mundpropaganda gesetzt, wenn etwa jüngere Familienmitglieder älteren Angehörigen interessante Produkte empfehlen.

Obwohl die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen an ältere Generationen selbst in Japan noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es schon einige interessante Initiativen und einfallsreiche Marketingstrategien die auf die differenzierten Bedürfnisse der Senioren eingehen. Denn bei älteren Generationen können zehn Jahre einen großen Unterschied hinsichtlich Gesundheit, Vitalität und Einkaufslaune machen.

Neben dem immer breiter werdenden Angebot für Senioren abseits der gesundheitlich-medizinischen Sparte, wird auch die Infrastruktur des Konsums ausgebaut. Während der Trend global zum Online-Shopping geht, werden in Japan derzeit Ladengeschäfte so umgebaut, dass sie älteren Kunden eine bessere Nutzerfreundlichkeit bieten. Mehr Barriere- und Bewegungsfreiheit, Sitzgelegenheiten, niedrigere Regale zur besseren Erreichbarkeit der Waren, Schilder mit großen Schriftarten und oft in Kanji, die für ältere Generationen oftmals leichter verständlich sind als das arabische Alphabet – wegen des fortgeschrittenen demografischen Wandels gilt Japan in vielerlei Hinsicht als Experimentierlabor, um den Alltag immer besser an die sich verschiebenden gesellschaftlichen Bedürfnisse anzupassen.


Dieser Artikel erschien in der Oktober-Ausgabe des JAPANDIGEST 2019 und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.

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