Bären wurden in Japan, im Gegensatz zu Deutschland, nie ganz ausgerottet. Warum auch? Es gibt genügend Wälder und genügend Berge, so dass sich beide Spezies aus dem Weg gehen können. Normalerweise gerät dieser Zustand aus dem Gleichgewicht, wenn sich der Mensch zu sehr ausbreitet und den Lebensraum zerstört, doch nun geschieht in Japan etwas Neues: Die (Menschen)bevölkerung schrumpft, gerade in den Gebieten, in denen Bären auftreten, doch nun scheint Meister Petz in die Offensive zu gehen und seinen Lebensraum auszuweiten.
Zehntausende Bären
Im Falle Japans geht es hier jedoch nicht um einen einzelnen „Problembären“, wie er einmal so schön durch die Voralpen stapfte, sondern um Zehntausende: Auf der nördlichen Insel Hokkaidō leben geschätzte 12.000 Braunbären, südlich von Hokkaidō nun bis über 40.000 Kragenbären.1 Die Braunbären sind zwar größer und kräftiger, dafür aber meistens auch scheuer als ihre Artverwandten. Kragenbären gelten als wesentlich aggressiver, weshalb die meisten Unfälle auch auf das Konto letzterer gehen. Die Vorgehensweise der Tiere ist perfide: Meistens schleichen sie sich von hinten heran und attackieren sofort den Kopf. Und es trifft fast ausschließlich ältere Menschen, was mehrere Ursachen haben könnte: Zum einen die Tatsache, dass es in den betroffenen Gegenden viel mehr ältere Menschen als Kinder gibt. Zum anderen lieben Bären nicht nur die Stille, sondern auch den Geruch von Petroleum in Form von Kerosin, Lackfarben und dergleichen. Kinder sind meist nicht gerade leise, und nach Farben oder Diesel riechen sie auch selten.
Futtermangel, milde Winter und lernende Räuber
Die Bärenplage hat verschiedene Ursachen: Statistisch herrscht in jedem zweiten Jahr Futtermangel in den Bergen, weshalb die Tiere auf der Futtersuche aus den Bergen in den Lebensraum der Menschen eindringen und zwar nicht nur in Obstgärten am Dorfrand. So drangen die Tiere in diesem Jahr selbst in die Innenstädte der Präfekturhauptstädte Akita und Morioka vor.2 Wenn im kommenden Jahr aufgrund eines guten Futterangebots die Population wächst, werden es im nächsten Hungerjahr wieder mehr Bären, die sich vor allem im Oktober und November, vor dem Winterschlaf, auf Nahrungssuche begeben. Doch hier gibt es ein kleines Problem: Werden die Winter wärmer, und dieser Trend ist in Japan bereits deutlich sichtbar, kann es passieren, dass immer mehr Bären mal ebenso auf den Winterschlaf verzichten. Das zweite Problem ist die Tatsache, dass Bären äußerst klug sind: Immer mehr Exemplare haben gelernt, dass ihnen Menschen unterlegen sind, und nicht nur das. Manche Bären haben den Menschen nebst seinen Haustieren als legitime Futterquelle anerkannt und gehen deshalb gezielt auf Jagd.
Alte Jäger, neue Gefahren
Theoretisch könnte dem Abhilfe geschaffen werden, indem man die Jagdquote erhöht, doch das ist gar nicht so einfach: In Japan, mit seinen sehr strengen Schusswaffengesetzen, gibt es rund 240.000 Jagdgenehmigungen. Während 1980 nur 10 Prozent der Jäger über 60 Jahre alt waren, waren es 2020 bereits mehr als 60 Prozent. Der Nachwuchs fehlt, und das hat seine Gründe: Die Abschussprämien auf Wildtiere, inklusive Bären, ist lächerlich gering und deckt nicht einmal die Kosten. Dass die ohnehin auf dem Land fehlende Jugend keine Lust darauf hat, viel Geld für einen Jagdschein zu zahlen und dann für nichts den eigenen Kopf im Kampf gegen die Bären hinzuhalten, dürfte klar sein.
Polizei statt Jäger
Abhilfe sollen nun Polizisten mit Sturmgewehren und Angehörige der Selbstverteidigungsstreitkräfte schaffen, wobei letztere nicht im öffentlichen Raum scharf schießen dürfen. Der anbrechende Winter wird nun für einen vorläufigen Rückgang der Vorfälle sorgen, doch spätestens in zwei Jahren werden sich die Menschen im Nordosten Japans auf unangenehme Begegnungen mit Bären einstellen müssen.










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