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Regenzeit in Japan: Was sie bedeutet, und wie man sie angenehmer gestaltet

Matthias Reich
Matthias Reich

Sie gehört zu (fast ganz) Japan wie Sushi, Godzilla und Maid Cafés: die Regenzeit. Jeder, der nicht gerade auf Hokkaidō zu Hause ist, bekommt mit ihr im Juni und Juli zu tun. Doch was genau ist die Regenzeit und wie übersteht man sie gut?

Kind und Opa im Regen
© Photo AC / ハカセマン

Für Mitteleuropäer:innen ein Fremdwort, ist die Regenzeit für Millionen von Menschen etwas ganz Normales – so auch für Japaner:innen. Alljährlich beginnt Ende Mai/Anfang Juni warme und sehr feuchte Luft aus dem Süden nach Norden zu ziehen, wo sie dann auf die kältere Luft aus dem Norden trifft, und für eine Regenfront sorgt. Diese Regenfront ist in der Regel gut erkennbar und beständig – von Südosten kommend erreicht sie erst Okinawa, nach rund drei Wochen Kyūshū und mit ein paar Tagen Verspätung dann den Westen der Hauptinsel Honshū, dann die Regionen Kansai, Chūbu, Kantō und schließlich das nördliche Tōhoku. Ebenso versetzt verschwindet die Regenfront auch wieder – meistens nach rund 6 Wochen.  

Regnerische Wochen mit ernsten Folgen

Regenzeit bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sechs Wochen lang ununterbrochen regnet – zum Glück – aber es regnet schon auffällig oft und viel. Im langjährigen Mittel sind dies rund 500 mm und damit in etwa so viel, wie in Berlin in einem ganzen Jahr vom Himmel kommt. Hinzu kommt die Abwesenheit langer, sonniger Abschnitte und eine gerade zum Ende der Regenzeit hin immer höher werdende Luftfeuchtigkeit, weshalb die Regenzeit früher auch baiu (黴雨) oder „Schimmelregen” genannt wurde. Das Schriftzeichen für „Schimmel“ (黴) ist jedoch sehr kompliziert und der Name auch nicht sehr schön, weshalb man es später mit dem Schriftzeichen für die japanische Pflaume (梅) austauschte. Seither nennt man die Regenzeit tsuyu (梅雨).

Nun ist ein bisschen Regen doch ganz schön, aber problematisch sind die gerade in dieser Zeit häufig auftretenden Starkregenereignisse, die vor allem auf der Insel Kyūshū im Süden nahezu jedes Jahr Naturkatastrophen hervorrufen. Hänge beginnen zu rutschen, Schlammlawinen rollen durch Ortschaften und Flüsse treten über ihre Ufer – mit ernsten Konsequenzen für die Bewohner:innen, für die die Regenzeit genauso zu den „typisch japanischen“ Naturkatastrophen zählt wie Erdbeben und Vulkanausbrüche. Den Rekord in dieser Hinsicht verzeichnete 1993 die Kleinstadt Ebino im Herzen der Insel: In jenem Jahr hörte die Regenzeit gar nicht richtig auf und dauerte bis Ende August. Während jener Regenzeit fielen in der Stadt mehr als 8.500 mm Regen – eine Wassersäule von 8,5 Metern also.

Für die meisten Menschen in Japan bedeutet die Regenzeit, dass man seine Wäsche nicht draußen trocknen kann, und auch das Trocknen im Zimmer ist wegen der permanent hohen Luftfeuchtigkeit schwierig. Nicht nur, dass es ewig dauert, bis die Wäsche trocken ist – sie beginnt auch zu riechen, und davor haben die Stadtmenschen am meisten Angst. Auch der oben erwähnte Schimmel ist ein Problem, denn der gedeiht bei rund 90 % Luftfeuchtigkeit besonders gut.

Wie man die Regenzeit übersteht

Um die Regenzeit gut zu überstehen, deckt man sich am besten mit einigen grundlegenden Dingen ein, sofern man in Japan längerfristig lebt. Dazu gehört auf jeden Fall ein Luftentfeuchter – dieser ist oftmals schon als Funktion in der Klimaanlage inbegriffen, aber mobile Geräte sind auch sehr wirkungsvoll, um die Futons und die Kleidung trocken zu bekommen. Japanische Hotels verfügen in der Regel auch über Klimaanlagen.

Regenmäntel und -schirme sind natürlich auch ein Muss, wobei das mit den Regenschirmen in Japan ein echtes Kuriosum ist: Allein der Verdacht, dass es bald regnen könnte, löst bei vielen den Reflex aus, den Regenschirm aufzuspannen, ganz zu schweigen bei winzigen Regenmengen. Wer sich weithin sichtbar und zweifelsohne als Ausländerin oder Ausländer in Japan outen möchte, braucht einfach nur ohne aufgespannten Schirm durch den ganz leichten Nieselregen zu laufen. Man möchte zudem meinen, dass der Regenschirm als solcher nicht alljährlich neu erfunden werden kann – doch in Japan ist das möglich.

So sind vor allem seit kurzem Schirme sehr beliebt, die sich verkehrt herum öffnen lassen – damit man nicht nass wird, wenn man aus dem Auto steigt – oder trapezförmige Regenschirme, die auch einem Taifun strotzen. Der Dauerbrenner (und in jedem Convenience Store erhältlich) sind jedoch durchsichtige Regenschirme und das ist verständlich, denn man stößt nur allzu schnell mit anderen Regenschirmträgern zusammen.

Durchsichtige Regenschirme
Durchsichtige Regenschirme sind allgegenwärtig in Japan. © Photo AC / naka3516

Sinnvolle Produkte für die Regenzeit

Andere sinnvolle Produkte beinhalten feuchtigkeitsabweisende Matten, die man unter den Futon legt, spezielle Futontrockner, Feuchtigkeitsindikatoren, die man auf Wäsche klebt und die farblich andeuten, wann man seine Wäsche draußen trocknen kann und wann lieber nicht, oder hygroskopische Kissen, die der Umgebung (dem Sofa zum Beispiel) Feuchtigkeit entziehen.

Die Regenzeit hat jedoch auch ihren Reiz – überall beginnen die in Japan ajisai genannten Gartenhortensien in den verschiedensten Farben zu blühen. Man ist ohnehin gut beraten, die noch erträglichen Temperaturen der Regenzeit zu genießen, denn nach der tsuyuake, dem Ende der Regenzeit, folgen rund zwei Monate brüllende, permanent schwüle Hitze und Nachttemperaturen, die selten unter 25 Grad fallen.

Hortensien
Hortensien blühen in Japan im Juni. © Photo AC / フジノミヤ

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