Japan zählte schon immer anders – bei den Jahreszahlen, und so auch bei den Infektionswellen. Ab April 2021 begann Japan die nun mittlerweile vierte Welle zu durchlaufen. Doch die Wellen verliefen jeweils unterschiedlich, und einen richtig großen Einfluss auf die Kinder hatte eigentlich nur die erste, die von März bis Mai 2020 durch das Land rollte und die Regierung dazu veranlasste, alle Schulen und Kindergärten zu schließen. Seitdem versucht man mit allen Mitteln, erneute Schulschließungen zu verhindern.
Pandemie legt Schwächen des Bildungssystems offen
Die Pandemie im Allgemeinen und die Schulschließungen im Besonderen machten schnell klar, dass man auf so eine Situation überhaupt nicht vorbereitet war. „Home Schooling“ fand in diesem Sinne an den meisten Schulen nicht statt, denn entweder fehlte das Equipment, und selbst wenn es da war, mangelte es am Know-how. Die einzige Ausnahme bildeten Privatschulen und die juku genannten Abendschulen, die prinzipiell in privater Hand liegen. Diese schafften es zum großen Teil relativ schnell, auf Zoom und Co. zurückzugreifen. Gerade die juku boten ihren Schülern seitdem oftmals die permanente Teilnahme an digitalem Unterricht.
Dass die meisten Schulen während der ersten Welle geschlossen wurden, seit deren Ende aber permanent geöffnet hatten, ist eigentlich erstaunlich, denn japanische Klassen sind meist sehr groß (um die 40 Schüler) und die Räume relativ eng. In den juku sind sie gar noch enger, und nicht selten fensterlos. Würde ein Virologe ein japanisches juku besuchen, gäbe es wohl nur ein ungläubiges Kopfschütteln.
Maßnahmen für die Digitalisierung von Schulen
Es ist leider nicht von der Hand zu weisen, dass Japan in Sachen Digitalisierung der Schulen ganz weit hinterherhinkt. Was in Südkorea und China schon lange Normalität ist, ist dort noch Zukunftsmusik. Dabei gibt es durchaus löbliche Vorhaben – so zum Beispiel das GIGA-Projekt. GIGA steht für “Global and Innovation Gateway for All”, beschlossen wurde es Mitte Dezember 2019 – also kurz vor dem Ausbruch der Pandemie. Das GIGA-Schulvorhaben besteht aus verschiedenen Bausteinen:
- Einrichtung eines digitalen Netzwerkes an jeder Grund-, Mittel- und Oberschule
- Beschaffung von Laptops (ein Laptop pro Schüler)
- Ermöglichung des digitalen Lernens, mit digitalen Lehrmitteln, dem Einsatz von künstlichen Intelligenzen usw.
- Fortbildung von Lehrern in Informations- und Kommunikationstechnologien durch Berater (einer für vier Schulen), Workshops usw.
Alle vier Punkte erfordern eine große Kraftanstrengung. So gibt es allein 6 Millionen Grundschüler landesweit, für die also 6 Millionen Laptops verteilt werden müssen (in vielen Fällen ein Chromebook). Doch auch die Einrichtung der Schulnetzwerke erfordert viel Arbeit, ganz zu schweigen die Einführung von LMS (Learning Management System), digitalen Lehrbüchern sowie die Unterweisung der Lehrer in diesen Technologien. Bisher standen an öffentlichen Schulen oft nur zwei, drei veraltete Computer im Klassenzimmer, die zudem so strikt reglementiert waren, dass man damit kaum Webseiten ansehen oder E-Mails schreiben konnte. In diesem Sinne ist die GIGA-Schule ein richtiger Quantensprung und die Corona-Pandemie hat das Projekt nun stark beschleunigt.
Studierende sind die großen Verlierer der Pandemie
Am meisten leiden in Japan jedoch die Uni-Studierenden an der Pandemie. Zahlreiche Universitäten sind seit März 2020 durchgehend geschlossen; die Studierenden lernen komplett online. Das kann zwar kurzfristig nützlich sein, langfristig fehlt ihnen jedoch der Umgang mit den Kommilitonen, und nicht alles kann online gelehrt werden. Und nicht nur das: Die Studiengebühren sind in Japan mitunter horrend hoch – und obwohl das Studium online stattfindet, gibt es keinerlei Ermäßigungen. Viele Studierende sind deshalb auf eigene Einkünfte angewiesen, doch gerade die typischen Studentenjobs sind wegen der Pandemiemaßnahmen quasi verschwunden.
Noch besorgniserregender ist jedoch der fehlende soziale Umgang. In Japan ist es mit der Universität im Vergleich zu Europa umgekehrt: Man kommt sehr schwer rein, aber fast automatisch am Ende raus. Die Universitätsjahre sind deshalb für die meisten die schönsten des Lebens und man hat nicht selten die besten Chancen, währenddessen den Partner fürs Leben zu finden. All das ist seit nun über einem Jahr nicht mehr möglich und für die Studierenden eine enorm hohe, psychische Belastung, die ihnen später bei der Arbeitsplatzsuche anzumerken sein wird.
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