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Der Zauberspruch der japanischen Küche | Zucker

U-KITCHI
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In Japan gibt es eine Zauberformel, um sich die fünf Basisgewürze der japanischen Küche einzuprägen: sa-shi-su-se-so. Was es damit auf sich hat und welche Bedeutung die einzelnen Gewürze tragen, erfahren Sie in dieser Kolumne. Teil 1: Zucker

In der japanischen Küche gibt es fünf Basisgewürze: Zucker, Salz, Essig, Sojasauce und Miso. Als Merkspruch dient in Japan die S-Reihe der Kana (Begriff für die japanischen Silbenalphabete Hiragana und Katakana). Die Reihe lautet sa-shi-su-se-so und enthält damit die Anfangslaute der Gewürze:

SA (砂糖) / Zucker

SHIO (塩) / Salz

SU (酢) / Essig

SEIYU, heute shōyu (醤油) / Sojasauce

MISO (味噌) / Miso

Diese Kolumne widmet jedem dieser fünf Gewürze einen Artikel, der die geschichtlichen Hintergründe und die Bedeutung des Gewürzes für die japanische Küche und Gesellschaft aufzeigt. In diesem Teil erfahren wir mehr über Zucker in Japan und seine Anwendung in der japansichen Küche.

5 grundzutaten der japanischen küche

Zunächst ein Taste-Tipp

Da süßer Geschmack kaum in Lebensmittel eindringt, sollte Zucker für einen geschmacklichen Effekt früh hinzugefügt werden. Vor allem, wenn man auch mit Salz oder Sojasauce würzt, sollte die Süße schon im frühen Kochstadium verwendet werden.

Die Nutzung von Zucker in der japanischen Küche

Zucker ist ein Gewürz, das in vielen verschiedenen Gerichten der japanischen Esskultur verwendet wird. Er wird nicht nur bei der Herstellung von Süßigkeiten, sondern auch bei gekochten Gerichten und der Herstellung von Fruchtwein verarbeitet. Neben der Zugabe als süßer Geschmacksverstärker hat er auch Eigenschaften des  Weichmachens und des Beizens. Für die japanische Küche spielen außerdem besonders die drei Effekte Glanz (teri 照り), Gloss (tsuya 艶) und Weichheit (hannari はんなり) eine große Rolle.

Zucker in Japan: die Geschichte

Zucker wurde erstmals in der Nara-Zeit (710-794 n. Chr.) nach Japan eingeführt. Die genauen geschichtlichen Hintergründe sind nicht ganz klar, doch es wird vermutet, dass er von der chinesischen Tang-Dynastie nach Japan gebracht wurde. Interessant ist, dass Zucker zu Beginn nicht als Gewürz, sondern als Medizin eingesetzt wurde. Zu dieser Zeit war er so wertvoll, dass er sogar dem Buddha von Nara als Ehrerweisung dargelegt wurde. Erst ab Ende der Kamakura-Zeit (1333 n. Chr.) wurde er nach und nach als Nahrungsmittel verwendet, da der Handel mit dem Kontinent regelmäßiger wurde und dadurch endlich größere Mengen importiert werden konnten. Zucker und Süßigkeiten wurden schnell zu Luxusgütern der höchsten Klasse. Aus dem vermehrten Import resultierend, entwickelte sich die japanische Süßigkeitenkultur und im gleichen Zuge auch der Trend zur Teezeremonie.

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Der erste eigene Zuckeranbau begann in Japan um 1700 während der Herrschaft von Tokugawa Yoshimune in der Edo-Periode. Zu dieser Zeit waren die Mengen an eingeführtem Zucker trotz der Isolationspolitik und der damit verbundenen beschränkten Einfuhrverordnung beträchtlich. Als Ausgleich für den Import wurde eine große Menge an Silberkupfer von Japan nach Übersee exportiert. Um einen zu großen Export an Silberkupfer zu verhindern, hatte Tokugawa Yoshimune nun das Ziel, Zucker in Japan anbauen zu lassen. Dafür wurden Zuckerrohre aus Ryūkyū (Okinawa) verwendet und in Edo (heutiges Tōkyō) mit dem experimentellen Anbau begonnen. Nachdem die Experimente erfolgreich verliefen, verbreiteten sich die Methoden schnell im ganzen Land und wurden besonders in der Shikoku-Region populär, da dort das Klima perfekt für die Zuckerrohre war.

Als dann in der Meiji-Zeit (1868-1912) die landesweite Abschließung aufgehoben wurde, litt der landeseigene Zuckeranbau unter den in die Höhe schnellenden Importraten und wurde fast gänzlich zerstört. Nach dem chinesisch-japanischen Krieg (1894-1895) wurde die Zuckerindustrie zum Zentrum der taiwanesischen Wirtschaft und Taiwan wurde führende Kraft in diesem Produktionszweig. Auch in Japan wuchs dieser Industriezweig währenddessen wieder und es wurden große, mechanisierte Zuckerfabriken aufgebaut, die im engen Kontakt zu den taiwanesischen Fabriken standen. Zu Beginn des Pazifikkrieges (1937) wurde der Austausch zwischen Taiwan und Japan jedoch schwierig und es konnten keine Ressourcen zur Zuckerherstellung nach Japan importiert werden.

Nach Kriegsende gab es in Japan nur noch wenig Zucker, weshalb bis 1952 ein Rationierungssystem eingeführt wurde und das Gewürz wieder zu einer sehr wertvollen Zutat für die Menschen wurde. Aus der Not heraus wurden kurzzeitig auch künstliche Süßstoffe wie Dulcin und Cyclamat hergestellt, jedoch bald wieder verboten, da die gesundheitlichen Risiken nicht erforscht waren.

Japanische Zuckerarten

Jyō haku tō (上白糖) / Weißer Zucker

Weißer Zucker wird in Japan am häufigsten verwendet und macht dort etwa die Hälfte des Gesamtzuckerverbrauchs aus. Er ist vielseitig einsetzbar und besteht aus feinen, weichen Kristallen.

Guranyū tō (グラニュー糖) / Kristallzucker

Kristallzucker besteht aus größeren Kristallen und fühlt sich glatt an. Er wird zum Süßen von Kaffee und Tee verwendet, da er kein eigenes Aroma hat und so den Geschmack und Duft der Getränke nicht verfälscht. Wenn diese Art von Kristallzucker im Quadrat erstarrt, wird er auch kubischer Zucker genannt.

Koku-tō (黒糖) / Rohzucker

Der braune, dunkle Zucker wird in Okinawa und im Amami-Distrikt hergestellt. Dabei wird der Zuckerrohrsaft pur gekocht. Eine besondere Eigenschaft dieser Zuckerart ist die exteme Süße und der starke Eigengeschmack. Er wird für Süßigkeiten wie Karintō (frittierte Teigkeks)e oder Yōkan (Bohnen-Agar-Agar-Gelee) verwendet.

San on tō (三温糖) / Dreimal gekochter Zucker

Im Gegensatz zu den Kristallzuckersorten ist der dreimal gekochte Zucker bernsteinfarben und hat einen einzigartigen Geschmack und Süße. Um diesen Geschmack zu nutzen, wird er für gekochte Gerichte und tsukudani 佃煮, konservierte Reis-Beilagen in Sojasauce mit Zucker, verwendet.

Kōri-zatō (氷砂糖) / Kandiszucker

Kandiszucker nimmt die Gestalt eines großen Kristalls an und kann pur als Süßigkeit verzehrt werden. Wegen des sich langsam ausbreitenden, sanften Geschmacks wird er zur Herstellung von Fruchtlikör wie Ume-shu 梅酒 (Pflaumenwein) oder Yuzu-shu 柚子酒 (Yuzu-Likör) verwendet.

Wa-san-bon (和三盆)

Wa-san-bon ist eine Zuckerart, die in den Präfekturen Kagawa und Tokushima traditionell nach edozeitlichem  Rezept hergestellt wird. Der gepresste Zuckerrohrsaft wird dafür in einem Stoffbeutel gekocht und danach mit einem Gewicht zusammendrückt und auf ein Tablett (bon) gestrichen. Da dieser Prozess damals dreimal hintereinander durchgeführt wurde, ist die Zahl Drei (san) auch heute noch im Namen dieses Zuckers wiederzufinden. Der Zucker zeichnet sich durch eine sanfte Süße aus und hinterlässt ein angenehmes Mundgefühl. Er wird für die luxuriösen japanischen Süßigkeiten Higashi (japanische Trockensüßigkeit) und Rakugan (Trockensüßigkeit aus Stärke) verwendet.

Rakugan
Rakugan

Die Wertschätzung von Zucker

Lange Zeit war Zucker ein wertvolles Gut der Medizin und ein teurer Luxusartikel. Nach und nach wurde er zu einem alltäglichen Konsumprodukt und wird heute wie selbstverständlich für die verschiedensten Gerichte verwendet. Dabei sollte die ursprüngliche Wertschätzung und die Achtsamkeit bezüglich der unterschiedlichen Zuckersorten nicht verloren gehen, denn Zucker ist ein wichtiger Bestandteil der Nahrung und stärkt den Menschen Tag für Tag.

U-KITCHI, die in Kyōto Medienkommunikation, Betriebswirtschaft sowie Kunstgeschichte studierte, war langjährig als Universitätsdozentin tätig. Freiberuflich bietet sie Seminare und Schulungen bei namhaften internationalen Unternehmen an. Anfang der 2010er Jahre erweiterte sie ihren Tätigkeitsbereich und übernahm einen der ältesten Bioläden Frankfurts.

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