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Der Ursprung des Sudoku – Eine Reise um die Welt

Simone Hencke
Simone Hencke

Anders als der Name es vermuten lassen würde, kommt das Sudoku nicht, oder zumindest nicht nur, aus Japan. Ein Kaiser in China, ein US-amerikanischer Architekt, ein japanischer Druckereiangesteller und ein Richter aus Neuseeland haben zum Sudoku, wie wir es heute kennen, beigetragen, auf ganz unterschiedliche Weise, über Tausende Jahre hinweg.

Sudoku
Ein typisches Sudoku-Rätsel. © KOHARUSAN

Mittlerweile kennt es vermutlich schon jede:r von uns, aus TV-Magazinen, Rätselbänden, Gehirnjogging-Apps, Lernbüchern. Viele haben wahrscheinlich selbst schon das ein oder andere Sudoku gelöst, einige sind vielleicht sogar richtige Enthusiast:innen und das Ausfüllen der Zahlenrätsel gehört fest zu ihrem Alltag.

Ein Zeichen des Universums?

Die Geschichte von Sudoku soll schon vor rund 4.000 Jahren in China begonnen haben. Einer alten Erzählung zufolge habe Yu der Große, Kaiser und Begründer der Xia-Dynastie, auf dem Panzer einer Schildkröte wundersame Muster gesehen, schwarze und weiße Punkte, die die Zahlen von eins bis neun ergaben. Sie waren in drei Reihen beziehungsweise Spalten angeordnet, mit jeweils drei Zahlen pro Reihe oder Spalte, und die Summe jeder Spalte, Reihe und auch Diagonale betrug 15.

Yu der Große soll geglaubt haben, dass diese Zahlen und ihre Anordnung womöglich die Logik der Welt, die Ordnung des Universums widerspiegelten. Er nannte sie „Lo Shu“. Lo Shu wurde etwa zu einem Glückssymbol, später bildete es eine der Grundlagen des Feng Shui, die Lehre der Harmonisierung von Menschen mit ihrer Umwelt.

Lo Shu
Nachstellung des mysteriösen Musters auf dem Rücken der Schildkröte. © AnonMoos / Wikimedia Commons (CC0 1.0)

Von der magischen Schildkröte zum magischen Quadrat

Hunderte Jahre später erreichte Lo Shu Europa und erlangte dort unter dem Namen „magisches Quadrat“ Bekanntheit. Mathematiker:innen begannen, sich für diese magischen Quadrate zu interessieren, sie näher zu erforschen, mit ihnen zu experimentieren und sich neue Regeln auszudenken. So auch der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler (1707-1783). In seinen letzten Lebensjahren schuf er ein magisches Quadrat mit der Regel, dass in jeder Reihe und in jeder Spalte eine bestimmte Zahl nur einmal vorkommen dürfte.

Klingt erst ganz nach dem Sudoku von heute – und tatsächlich behaupten viele, Euler sei der Erfinder des beliebten Zahlenrätsels. Doch in Wahrheit unterscheidet sich Eulers „lateinisches Quadrat“ vom Sudoku, zum Beispiel dadurch, dass es nicht in kleinere Quadrate unterteilt war, in denen sich die Zahlen ebenfalls nicht wiederholen durften.

lateinisches Quadrat
Ein lateinisches Quadrat. © Amit6 / Wikimedia Commons (CC0 1.0)

„Zahlen platzieren“

Tatsächlich entstand das erste Sudoku, wie es heute bekannt und beliebt ist, in den USA. Es erschien 1979 in der Mai-Ausgabe des Magazins „Pencil Puzzles & Word Games“, unter dem Namen „Number Place“, weil es darum ging, Zahlen in Kästchen in einem Quadrat zu „platzieren“.

Schöpfer des „Number Place“ war Howard Garns, ein Architekt aus Indiana. Während seines Ruhestands begann er, sich für Rätsel und auch für Mathematik zu interessieren. Er war 74 Jahre alt, als er sein erstes Rätsel veröffentlichte. Number Place schaffte es damals allerdings nicht, sich in der US-amerikanischen Bevölkerung durchzusetzen und verschwand nach einigen Jahren wieder aus den Rätselzeitschriften.

Die Geburt von sūdoku

Auf der anderen Seite der Welt in Japan entdeckte Kaji Maki, ein Angestellter in einer Druckerei, das „Pencil Puzzles & Word Games“-Magazin. Das inspirierte ihn, auch so eine Zeitschrift zu veröffentlichen – weniger, weil er sich selbst für Rätsel und Puzzles interessierte, sondern eher weil er dachte: „Wenn es sich in den USA verkauft, verkauft es sich wahrscheinlich auch in Japan.“

Kaji Maki
Kaji Maki, der "Vater des Sudoku". © S Pakhrin / Flickr (CC BY 2.0)

Im August 1980 erschien die erste Ausgabe des „Pazuru Tsūshin Nikoli“. Das Magazin verkaufte sich so gut, dass Kaji 1983 seine eigene Firma namens Nikoli gründen konnte. Im selben Jahr, ermutigt durch Kajis Erfolg, brachte auch ein großer Verlag ein Rätselmagazin namens „Puzzler“ (pazurā) heraus, mit dem freien Schriftsteller (und großen Rätsel-Fan) Nishio Tetsuya als Berater.

1984 stießen sowohl Kaji als auch Nishio auf Number Place im „Pencil Puzzles & Word Games“-Magazin. Obwohl sie beide nicht gut Englisch sprachen, konnten sie die Regeln verstehen und das Rätsel schnell lösen – und begannen im Anschluss sofort damit, ihre eigenen zu erschaffen.

Bereits im April desselben Jahres erschien das erste japanische Number Place im „Pazuru Tsūshin Nikoli“, im Oktober dann auch im „Puzzler“. Im „Puzzler“ hieß es einfach Number Place (nanbā pureisu), in „Pazuru Tsūshin Nikoli“ bekam es dagegen einen neuen Namen: Sūji ha dokushin ni kagiru, was so viel bedeutet wie „Nur alleinstehende Zahlen“. Mit der Zeit wurde aus diesem recht langen Namen schließlich einfach nur sūdoku.

Wachsende Popularität

Das Zahlenrätsel gewann schnell an Beliebtheit. 1988 brachte Nikoli das erste sūdoku-Rätselbuch heraus, später folgte auch der Herausgeber des „Puzzler“-Magazins mit einem eigenen Rätselband. In Japan ist sūdoku übrigens eine eingetragene Handelsmarke von Nikoli – das heißt, in Japan darf nur Nikoli die Rätsel so nennen. Andere Herausgeber sind deswegen bei nanbā pureisu, oder kurz nanpure, geblieben.

1997 machte ein ehemaliger Richter des Obersten Gerichtshofes, Wayne Gould, auf der Reise von Hong Kong zurück in seine Heimat Neuseeland einen Zwischenstopp in Tōkyō. Dort fand er in einem Buchladen ein sūdoku-Buch – und war so begeistert von den Rätseln, dass er jahrelang an einem Computer-Programm arbeitete, das sie automatisch erstellen konnte.

2004 verkaufte Gould sein erstes computergeneriertes Rätsel als „Sudoku“ (also ohne das lange “u”) an die britische „Times“, am 12. November 2004 wurde es darin veröffentlicht. Es kam so gut an, dass nur wenige Monate später fast alle regionalen und nationalen Zeitungen im Vereinigten Königreich täglich Sudokus publizierten.

Sudoku
Rätsel mit der Überschrift „nanpure“. © 紺色らいおんさん / Photo AC

Sudoku erobert die Welt

Der Sudoku-Boom erreichte etwa Kanada, Australien, Indien, Hong-Kong, sowie (erneut) die USA. Es entstanden Sudoku-Apps für Handys und elektronische Wörterbücher; Sudoku-Spielzeug, Sudoku-T-Shirts, sogar Sudoku-Schokolade kamen auf den Markt. 2006 organisierte die World Puzzle Federation die erste Sudoku-Meisterschaft in Italien, die seitdem jährlich stattfindet.

Auch unter Mathematiker:innen erregte Sudoku immer mehr Aufmerksamkeit. Mittlerweile gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien rund um das Zahlenrätsel. Ein australisches Forschungslabor errechnete etwa, dass es 6,67 Trilliarden mögliche Sudoku gibt. Ein Team von japanischen Forscher:innen fand heraus, dass selbst ein Computer, der 10.000 Sudoku pro Sekunde lösen könnte, dafür über 20 Milliarden Jahre brauchen würde.

Kaji Maki verstarb am 10. August 2021, doch sein Vermächtnis lebt weiter. Der „Vater des Sudoku“ gab dem Rätsel seinen neuen Namen und eine zweite Chance. Heute sind Sudokus überall auf der Welt beliebt – und werden angeblich jeden Tag von mehr als 100 Millionen Menschen gelöst. 


Verwendete Creative Commons-Lizenzen:

CC0 1.0 (Public Domain)

CC BY 2.0 

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