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Fukuma Kōtarō: Ein Pianist, der neue Klangwelten eröffnet

Maria-Laura Mitsuoka
Maria-Laura Mitsuoka

Der japanische Pianist Fukuma Kotaro hat schon in jungen Jahren sein Talent auf internationalen Bühnen unter Beweis gestellt. Der 38-Jährige lebt seit vielen Jahren in Deutschland und ist nicht mehr aus der Welt der klassischen Musik wegzudenken.

Fukuma Kōtarō
Fukuma Kōtarō ist ein Pianist mit vielen Talenten und Interessen. Er ist als Kulturbotschafter in seiner Heimatstadt Kokubunji tätig und spricht fünf Sprachen. © L. Cousin

Fukuma Kōtarō ist einer der renommiertesten Pianisten unserer Zeit und wurde mit den bedeutendsten Preisen seines Fachs ausgezeichnet. Er entführt seine Zuhörer in die unterschiedlichsten Klangwelten und eröffnet einen neuen Zugang zu längst bekannten Werken. Wir haben Fukuma Kōtarō zu seinem musikalischen Werdegang, den Herausforderungen während der Corona-Krise und seinen neuesten Projekten befragt.


Fukuma Kōtarō
Bereits im Kindesalter begeisterte Fukuma sich für klassische Musik. © M. Hiraga

Fukuma Kōtarō wurde am 29. August 1982 in Tōkyō geboren und begann im Alter von fünf Jahren Klavier zu spielen. Nachdem er seine schulische Ausbildung beendet hatte, studierte er am Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris, an der Universität der Künste in Berlin und an der Internationalen Piano Akademie Lake Como in Italien.

Im Jahr 2003 gewann er den ersten Preis beim 15. Internationalen Klavierwettbewerb in Cleveland. Seitdem ist er aus der Welt der klassischen Musik kaum noch wegzudenken. 


Ein Pianist mit vielen Talenten

Sie haben mit fünf Jahren begonnen Klavier zu spielen. Wollten Sie schon immer Pianist werden?  

Durch den Klavierunterricht meiner Schwestern und die Leidenschaft meiner Familie für klassische Musik bin ich bereits im Kindesalter mit dem Klavierspiel in Berührung gekommen. Als eine meiner Schwestern sieben Jahre alt war, kauften meine Eltern ihr zu Weihnachten einen Flügel. Für mich war dieses riesige Instrument sehr eindrucksvoll und ich reagierte sehr feinsinnig auf die Töne. An meinem fünften Geburtstag konfrontierte ich meine Eltern mit dem Wunsch, Klavier spielen zu wollen. Eine Woche später hatte ich meine erste Unterrichtsstunde.

Zu Beginn hatte ich mir nicht ernsthaft darüber Gedanken gemacht Pianist zu werden. Ich habe Pianisten natürlich bewundert und es wäre mein Traum gewesen, aber ich hatte weder Freunde noch Bekannte in der Branche und glaubte, es sei zu schwierig, dort Fuß zu fassen. Im dritten Jahr der Mittelschule nahm ich an einem internationalen Juniorenwettbewerb in den USA teil. Glücklicherweise schaffte ich es ins Finale. Nach der Preisverleihung sagte mir ein Jurymitglied, dass ich irgendwann sicherlich ein großer Pianist werden würde. Von dem Zeitpunkt an war für mich klar, dass ich meinen Traum unbedingt verwirklichen wollte.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, Ihren festen Wohnsitz nach Berlin zu verlegen? Was schätzen Sie an der deutschen Kultur?

Nach meinem Studium in Paris ging ich 2005 nach Deutschland, weil ich mich tiefer in die deutsche klassische Musik und die Kultur einarbeiten wollte. An der Universität der Künste in Berlin nahm ich an einem Meisterkurs teil und wollte meine Fähigkeiten unter dem damaligen Lehrer verbessern. Auch nach meinem Studium genoss ich das Leben in Berlin. Die Menschen sind sehr offen und interessieren sich für Neues. Es ist ein Ort, wo viele Individuen unterschiedlichster kultureller Herkunft zusammentreffen. Das erlebe ich als inspirierend.

Deutschland ist die Heimat vieler grandioser Komponisten, beginnend mit Bach, Beethoven, Brahms, Richard Strauss usw. Sich dort aufzuhalten, wo diese Menschen gelebt haben und in den Konzerthallen aufzutreten, in denen sie einst musiziert haben, macht mich wirklich sehr glücklich.

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Sie sind nicht nur als Pianist tätig, sondern engagieren sich auch als Kulturbotschafter Ihrer Heimatstadt Kokubunji (Präfektur Tōkyō). Wie kam es dazu?

Ich habe seit meinem zweiten Lebensjahr bis zum Schulabschluss in Kokubunji gelebt und viele Möglichkeiten gehabt, dort aufzutreten. Bisher nahm ich schon ein paar Mal an Wohltätigkeitskonzerten teil und leitete Projekte, bei denen ich mit Grundschulkindern zusammen musizierte. Im September 2018 wurde ich gefragt, ob ich nicht Interesse daran hätte, Tourismusbotschafter für Kokubunji zu werden. Zu meinen Aufgabenbereichen zählt die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sowie das Verschicken von Videobotschaften, wenn ich aus beruflichen Gründen nicht in Japan sein kann. Ich sende Neujahrsgrüße und beteilige mich am lokalen Flugblatt. Zudem mache ich auf meinen Social Media-Seiten manchmal Werbung für Sehenswürdigkeiten in Kokubunji.

Ein Wettlauf mit der Zeit

Das Publikum schätzt Sie nicht nur für Ihre Virtuosität, sondern auch für Ihre sehr anspruchsvollen Transkriptionen. Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein Stück bearbeiten? Komponieren Sie auch?

Am meisten transkribiere ich Lieder oder Orchesterstücke, um sie auf dem Klavier neu interpretieren zu können. Für mich ist das Transkribieren ein Hobby. Ich mache es hauptsächlich aus Spaß, dabei probiere ich viele Sachen aus.

Eigene Stücke komponiere ich in der Regel nicht. Es gibt so viele Stücke, die ich gerne auf dem Klavier spielen möchte, da reicht ein ganzes Leben nicht aus. Deshalb möchte ich meine Zeit lieber ins Musizieren investieren, als eigene Kompositionen zu entwickeln. Es ist wie ein Wettlauf mit der Zeit.

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Die COVID-19-Pandemie hat die Musikwelt schwer getroffen; Konzerte mussten abgesagt werden und viele Auftritte konnten nur über Streaming-Plattformen verfolgt werden. Wie handhaben Sie die derzeitige Lage?

Eigentlich wollte ich im Mai 2020 wieder nach Deutschland zurückkehren, aber wegen der Pandemie fielen alle Konzerte aus. Auch in Japan wurden bis Juni keine Konzerte gegeben, danach lief es einen Monat lang ohne Zuschauer über einen Online-Streamingservice und ab Juli mit einer reduzierten Zuschauerzahl. Im August hatte ich in Deutschland lediglich zwei Auftritte, alle darauffolgenden Pläne fielen aus. Ich kann von Glück reden, dass ich hier in Japan regelmäßig einspringen und vor einem versammelten Publikum spielen kann.

Viele Künstler, die ich sehr bewundere, konnten teilweise ein ganzes Jahr lang nicht vor einem Publikum auftreten. Da wird einem bewusst, wie sehr man den Beifall und den Support der Zuschauer schätzt. Auch ich war sehr berührt, als ich im letzten Jahr im Juli nach viermonatiger Pause wieder Beifall bekam. In dieser Zwangspause hatte ich sehr viel Zeit zum Nachdenken und schlug neue Wege, wie z.B. das Geben von Online-Kursen, ein. Diese Erfahrungen haben mich sehr bereichert.

Zudem begann ich mithilfe einer professionellen Streaming-Ausrüstung eine Online-Konzertreihe, die von der Veranstaltung “Raritäten der Klaviermusik” in Husum angeregt wurde. Dieses Projekt möchte ich gerne in den kommenden Saisons fortsetzen.

[Video] Fukuma Kōtarōs Online-Konzertreihe auf YouTube (japanisch)

Sie haben erst kürzlich ein neues Bach-Album veröffentlicht. Können Sie es uns vorstellen?

Das Programm meines neuen Albums habe ich im letzten Januar auf dem Barockfestival in Malta gespielt. Es handelt sich um Transkriptionen von Stücken, die ursprünglich gesungen oder für andere Instrumente komponiert worden sind. Entsprechend der Epoche Barock hatte ich mir damals Bach als Projekt ausgesucht.

Außerdem war Bach bei einer Umfrage unter meinen Zuhörern unter den beliebtesten Komponisten. Bachs Musik zeichnet sich für mich dadurch aus, dass sie tief ins Herz des Zuhörers eindringt und seelische Schmerzen lindern kann. Diese Gründe brachten mich schließlich auf die Idee, ein Bach-Album aufzunehmen.

Fukuma Kōtarō Album
Sein neuestes Album ist ab dem 25. Juni 2021 in Deutschland erhältlich und kann bei Amazon, jpc oder Naxos erworben werden. © EIICHI IKEDA

Welche Botschaft möchten Sie dem Publikum mit dem Album ans Herz legen?

Corona macht manches, das für uns selbstverständlich war, kaum noch möglich. Viele Menschen fühlen sich im Lockdown einsam. Selbst nach der Impfung werden sich manche zurückhalten, zuhause bleiben und Konzerte meiden. Die Musik auf der CD soll die Zuhörer tief im Herzen berühren und ihre Traurigkeit lindern. Zudem ist Bach das Fundament unserer heutigen Musik. Elemente seiner Kompositionen sind heutzutage überall zu finden.

Fukuma Kōtarō konzert
Fukuma Kōtarōs Musikkarriere führt ihn durch ganz Europa. Auch beim französischen Musikfestival Piano aux Jacobins in Toulouse (2015) konnte er sein Publikum begeistern. © Stephane Delavoye

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Die Pandemie zeigt, wie schwierig es ist, verlässlich zu planen, doch ich möchte an dieser Stelle Hinweise auf meine nächsten Auftritte in Europa geben, die hoffentlich auch stattfinden werden.

Für den 30. Juni 2021 ist ein Konzert mit Online-Stream und Publikum in Bonn vorgesehen. Dazu haben wir uns einen besonderen Auftritt ausgedacht. Es wird aus dem achten Kapitel von Thomas Manns „ Doktor Faustus“ vorgelesen, während ich die Sonate op. 111 von Beethoven spiele. In der zweiten Jahreshälfte stehen einige Konzerte in Frankreich und Deutschland an, eine weitere Konzertlesung am 27.08. in Berlin.

Ich hoffe sehr, dass es bald wieder möglich sein wird, auch längerfristige Projekte sinnvoll zu planen. Für 2022 und 2023 möchte ich einen Konzertzyklus anläßlich der 150. Geburtstage von Skrjiabin und Rachmaninow realisieren und ein weiteres Programm zum Thema „Musik und Literatur“ erarbeiten. Und grundsätzlich: Es gibt eine Fülle großartiger Klaviermusik – sowohl Solowerke als auch Konzerte mit Orchester-, die ich noch vertieft kennenlernen und erarbeiten möchte. Deshalb schaue ich mit großer Neugier in die Zukunft.

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