Vom Badehaus auf die Straße: Die Geschichte des Yukata

Carolin Becke
Carolin Becke

Kaum ein Sommerfest in Japan kommt ohne Yukata aus. Das leichte Baumwollgewand prägt das sommerliche Straßenbild – farbenfroh, traditionsbewusst und modisch zugleich. Ursprünglich jedoch diente der Yukata als schlichter Bademantel für die heiße Quelle. Wie wurde aus funktionaler Badekleidung ein ikonisches Sommeroutfit? Dieser Frage gehen wir im folgenden Artikel nach.

Ein Spaziergang im Yukata. © iStock.com / Lemon Pie

Die Ursprünge des Yukata lassen sich bis in die Heian-Zeit (794–1185) zurückverfolgen. Damals trugen Adelige sogenannte yukatabira (湯帷子), ein leichtes, aus Hanf oder Leinen gefertigtes Gewand, das während des Dampfbads angelegt wurde. Ziel war es, die Haut vor Verbrennungen zu schützen und gleichzeitig den eigenen Schweiß aufzufangen. Der Begriff „Yukata“ leitet sich direkt von yu (湯, Bad) und katabira (帷子, Untergewand) ab.

Im Laufe der Edo-Zeit (1603–1868) wurde das sento (銭湯, öffentliches Badehaus) zu einem festen Bestandteil des Alltagslebens in den Städten. In diesem Kontext wurde der Yukata auch für Menschen außerhalb des Hofadels zugänglich und verbreitete sich in der städtischen Bevölkerung. Zu Beginn der Edo-Zeit wurde der Yukata vor allem nach dem Baden in den zweiten Stockwerken der Badehäuser getragen, wo sich die Gäste zum Entspannen und Abkühlen aufhielten. Im Laufe der Jahrzehnte begann auch die Modifikation des Yukata: Baumwolle ersetzte nach und nach die zuvor üblichen Materialien wie Hanf, da sie günstiger und pflegeleichter war. Die Verbreitung von Indigo-Färbung (藍染, aizome) prägte das Erscheinungsbild der Yukata dieser Zeit – oft in geometrischen oder floralen Mustern.

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Vom Ryokan ins Rampenlicht: Der Yukata etabliert sich

Mit dem Ende der Edo-Zeit und dem Beginn der Meiji-Zeit (1868–1912) wandelte sich auch die Rolle des Yukata. Da der Kimono im Laufe des nächsten Jahrhunderts zunehmend aus dem Alltagsgebrauch verschwand, gewann der Yukata als informelle, leicht zu tragende Alternative an Bedeutung. Besonders die Kombination aus Funktionalität, Tragekomfort und saisonaler Symbolik trug dazu bei, dass sich der Yukata im kulturellen Bewusstsein als typisches Sommerkleidungsstück verankerte.

In der Taishō- (1912–1926) und frühen Shōwa-Zeit (1926–1945) war der Yukata beispielsweise ein gängiges Kleidungsstück für Männer, Frauen und Kinder – sei es im Ryokan, auf Reisen oder als bequeme Hauskleidung an heißen Tagen. Gleichzeitig etablierte sich der Yukata als Kleidung für Sommerveranstaltungen. Diese Entwicklung hatte schon mit dem Ende der Edo-Zeit begonnen, als Festivals (祭り, matsuri) und Feuerwerksfeste (花火大会, hanabi taikai) zunehmend populär wurden und der Yukata sich als praktisches wie auch ästhetisch ansprechendes Gewand für solche Anlässe anbot.

Streetstyle auf Japanisch: Der Yukata als Sommer-Statement

In den letzten Jahrzehnten hat der Yukata eine Renaissance als Modeartikel erlebt. Designer und große Kaufhäuser bieten moderne Interpretationen mit modisch inspirierten Mustern, auffälligen Farben und praktischen Details. Einen wichtigen Impuls gab hier der sogenannte „achtfarbige Yukata“ (八色浴衣, hasshoku yukata) der Kimono-Firma Yamato in den 1990er-Jahren, der sich mit seinem lebendigen Farbspektrum deutlich von den bis dahin vorherrschenden indigo-blauen und weißen Designs abhob. Besonders jüngere Generationen fühlten sich von den modernen Farb- und Musterkombinationen angesprochen, was zu einer verstärkten Präsenz des Yukata in der Alltagsmode führte.

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Seitdem ist der Yukata nicht nur bei Sommerfesten präsent, sondern auch als modisches Statement auf Straßenfesten und bei urbanen Pop-up-Events zu sehen. Besonders in der Festivalsaison greifen viele junge Menschen zu farbenfrohen, kreativ gebundenen Yukata-Styles und kombinieren diese mit modernen Accessoires wie Handtaschen, Haarschmuck oder sogar Sneakers. Die einfache Handhabung im Vergleich zum formellen Kimono trägt zusätzlich zur Beliebtheit des Yukata bei. Auch in Ryokans gehört der Yukata nach wie vor zur Standardausstattung für Gäste, während in touristischen Hotspots sogenannte Yukata-Verleihservices boomen – oft verbunden mit Fotoshootings oder Spaziergängen durch historische Stadtviertel.

 
Der Yukata zum Entspannen im Ryokan. © iStock.com / K-Angle

Das Fazit: Zwischen Alltagskleidung und Kulturerbe

Vom schlichten Bademantel zum modischen Sommergewand – der Yukata hat eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Seine Geschichte ist eng mit der japanischen Badekultur, der Textilkunst und dem gesellschaftlichen Wandel verknüpft. Über Jahrhunderte hinweg hat sich der Yukata stetig verändert, ohne dabei seine kulturellen Wurzeln zu verlieren. Heute steht er exemplarisch für die Verbindung von Tradition und Zeitgeist. Ob in Ryokans, auf Sommerfesten oder in urbanem Streetstyle – der Yukata ermöglicht es Menschen aller Generationen, japanische Kultur auf stilvolle, individuelle und zugängliche Weise zu erleben. Seine Leichtigkeit, Wandelbarkeit und symbolische Tiefe machen ihn zu einem spannenden Kleidungsstück. 

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