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“Yoshitoshi – 100 Ansichten des Mondes”: Die Ukiyo-e-Ausstellung im MOK Köln

Diana Casanova
Diana Casanova

Vom 17. September 2021 bis 09. Januar 2022 findet im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln eine besondere Ausstellung statt: Es werden die "100 Ansichten des Mondes" vom letzten großen Ukiyo-e-Künstler Tsukioka Yoshitoshi präsentiert. Was dürfen Besucher*innen erwarten?

Farbholzschnitt von Tsukioka Yoshitoshi
Yasumasa spielt bei Mondlicht Flöte, Farbholzschnitt von Tsukioka Yoshitoshi (1883). © Nihon no hanga Amsterdam

Am 17. September 2021 eröffnete “Yoshitoshi – 100 Ansichten des Mondes” im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln. Wir waren vor Ort und haben uns diese besondere Ukiyo-e-Ausstellung angeschaut. Was sind Ukiyo-e und wer war Tsukioka Yoshitoshi, der als letzter großer Meister seines Handwerks gilt? 


Bevor man den ersten Ausstellungsraum betritt, wird man von einer großen Wand begrüßt, auf der per Beamer ein japanisches Gedicht projiziert wird. Es ist ein waka-Gedicht , das aus der Farbholzschnittserie “100 Ansichten des Mondes” stammt – insgesamt werden drei dieser japanischen Kurzgedichte angezeigt, eines davon ist das Todesgedicht des Holzschnittkünstlers, um den sich die gesamte Ausstellung dreht: Tsukioka Yoshitoshi. 

Der erste Ausstellungsraum selbst ist beinahe vollständig abgedunkelt, nur die ausgestellten Werke werden mit warmem Licht beleuchtet. Das ist durchaus passend, wenn man bedenkt, dass die “100 Ansichten des Mondes” stets den Mond und die Nacht als wiederkehrendes Motiv beinhalten. Im hinteren Teil des Raumes wartet eine große Bank, die zum Hinsetzen und Betrachten der Ukiyo-e-Bilder einlädt. Auf einer Wand sieht man ein waka in abwechselnd japanischer, englischer und deutscher Sprache, auf der anderen einen animierten, am Nachthimmel stehenden Mond hinter Pampasgras, das sich sanft bewegt. Begleitet wird dies von sanften Tönen einer japanischen Flöte sowie dem Rauschen des Windes. 

Die Animation leitet direkt zum Höhepunkt der Holzschnittserie sowie der gesamten Ausstellung über: das Triptychon “Fujiwara Yasumasa spielt bei Mondlicht Flöte” (siehe Titelbild), welches daran angrenzend an einer einzelnen Wand präsentiert wird.

Zwischen Windrauschen und waka-Gedicht kann man sich hinsetzen und die Ausstellung auf sich wirken lassen. © D. Casanova

Die greifbare Ruhe, die man beim Betreten des Raumes verspürt, hilft dabei, sich voll auf Yoshitoshis Farbholzschnitte zu konzentrieren. Die meisten Werke sind etwa so groß wie ein A4-Blatt, die man von so nahem betrachten kann, dass jedes einzelne Detail erkennbar ist und man nur fasziniert davon sein kann, welche Kunstfertigkeit hinter den Ukiyo-e steckt. Zu jedem Werk finden sich in deutscher und englischer Sprache kurze Erklärungstexte zu Entstehung und historischem Kontext. 

Die Ukiyo-e-Werke werden zusammen mit informativen Begleittexten ausgestellt. © D. Casanova

Ukiyo-e, “Bilder der fließenden Welt”

Mit Ukiyo-e wird ein bestimmtes Genre der japanischen Druckkunst beschrieben, welches sich in der Edo-Zeit (1603-1868) entwickelt hat. Die Herstellung ist aufwendig und kompliziert: Sie beginnt mit einem Entwurf auf dünnem Papier, der auf einen geglätteten Holzblock geklebt und von einem Formschneider anschließend entlang der vorgegebenen Linien ausgeschnitten wird, während das Holz stückweise entfernt wird. Im zweiten Schritt werden für die vorgesehenen Farben weitere Druckstöcke angefertigt. Der Druckvorgang erfolgt dann durch Reiben des Papiers mit einem Reiber, bei dem das Blatt gleichmäßig auf den jeweiligen eingefärbten Holzblock gedrückt wird. Kleine Details oder Farbabstufungen werden im Anschluss per Hand hinzugefügt. 

Der Begriff “Ukiyo-e” (浮世絵, wörtlich “Bilder der fließenden Welt”) kam erstmals im 17. Jahrhundert auf, als Kunstwerke populäre Unterhaltungsformen wie das Kabuki-Theater darstellten. Der Farbdruck selbst wurde allerdings erst Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelt. Berühmte Künstler sind, neben Yoshitoshi, Katsushika Hokusai (1760-1849) und Andō Hiroshige (1797-1858). 

Werkzeuge der Holzschnittherstellung. © D. Casanova

Tsukioka Yoshitoshi, der letzte große Ukiyo-e-Meister

Der Ukiyo-e-Künstler Tsukioka Yoshitoshi wurde 1839 als Sohn eines reichen Händlers in Edo geboren, als er im Alter von 11 Jahren der Schüler von Utagawa Kuniyoshi, einer der wichtigsten Farbholzschnittkünstler der japanischen Geschichte, wurde. 

Sein erster Druck erschien 1853, ein Triptychon der Seeschlacht von Dan-no-ura, in der 1185 der Minamoto-Clan die Streitkräfte des Taira-Clans besiegte. Im selben Jahr erreichte der US-Kommandant Matthew Perry mit seinen Kriegsschiffen Japan und erzwang die wirtschaftliche Öffnung des Landes, welches bis dahin über 200 Jahre beinahe völlig isoliert von der Außenwelt existierte. 

Gedenkporträt von Yoshitoshi, angefertigt von Kanaki Toshikage, zusammen mit dessen Todesgedicht. © D. Casanova

Einflüsse des Umbruches und der eigenen Psyche

Diese Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche, der Beginn der Meiji-Ära 1868 und die damit verbundene Meiji-Restauration, beeinflussten das weitere künstlerische Schaffen Yoshitoshis sehr. Zwar interessierte er sich für die neuen westlichen Einflüsse und ließ sie in vielen Werken einfließen, doch fürchtete er auch, dass japanische Kultur und Traditionen dabei verloren gehen würden. Zeitgleich war sein Leben von schweren Depressionen, Psychosen und Armut geprägt – zahlreiche Darstellungen von Gewalt, Tod, Monstern und Geistern in seinen Werken sind Zeugen davon. 

Ab 1873 erholte sich Yoshitoshi jedoch und begann wieder verstärkt Holzschnitte anzufertigen. Auch seinen Künstlernamen änderte er zu Taiso (“großes Wiedererwachen”). Seine letzten Lebensjahre waren mitunter seine fruchtbarsten: 1885 begann er die Serie “100 Ansichten des Mondes” anzufertigen, die er sieben Jahre später fertigstellen würde. 1892 starb Yoshitoshi schließlich an einer Hirnblutung. 

Mond über dem Meer bei Daimotsu, aus der Serie „Hundert Ansichten des Mondes“ von Tsukioka Yoshitoshi (1839-1892), Farbholzschnitt, ōban (38 x 25 cm), Japan, 1885 © Nihon no hanga Amsterdam

Yoshitoshis Meisterwerk, die “100 Ansichten des Mondes”

Aus dem Wunsch heraus, in Zeiten des politischen und gesellschaftlichen Umbruches die Traditionen Japans zu erhalten, entstand Yoshitoshis wohl berühmteste Holzschnittserie. Die “100 Ansichten des Mondes” zeigen viele unterschiedliche Szenen japanischer Geschichte, Künste und Mythologie, manche zeigen historische Figuren wie die Schriftstellerin Murasaki Shikibu (Autorin des literarischen Klassikers Genji monogatari) oder den Kriegsherren Toyotomi Hideyoshi

Freunde und Interessierte der japanischen Kunst sollten sich diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen, in Deutschland echte Ukiyo-e-Kunst zu entdecken. Doch selbst jene, die es nicht so sehr mit Kunst haben, können Wertvolles über japanische Mythologie und Geschichte lernen und wie diese in einzigartigen Techniken in und zu traditioneller Kunst verarbeitet wurde. 

Ausstellungsraum im Museum für Ostasiatische Kunst. © D. Casanova

Ausstellung im Museum für Ostasiatische Kunst 

Neben den “100 Ansichten des Mondes” können Besucher*innen weitere Ausstellungsstücke begutachten, z.B. Hilfsmittel der Ukiyo-e-Produktion. Außerdem werden in der Dauerausstellung weitere Kunstwerke wie Lackwaren und Gemälde aus Japan, China und Korea präsentiert. Im Rahmen der Ausstellung wurde zudem ein umfangreicher Katalog von Kurator Bas Verberk herausgegeben, der in den Ausstellungsräumen zur Ansicht bereitgestellt wird. 

Noch bis zum 09. Januar 2022 läuft die Ausstellung im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln. Weitere Informationen dazu finden Sie hier: 


Weiterführende Literatur:

Museum für Ostasiatische Kunst Köln/Bas Verberk (2021). Yoshitoshi: Hundert Ansichten des Mondes, Begleitkatalog zur Ausstellung. ISBN: 978-3-7533-0086-3

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