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Wie japanische Krankenkassen funktionieren

Matthias Reich
Matthias Reich

Dem einen sind die Beiträge zu hoch, dem anderen die Leistungen zu niedrig – die Krankenkasse sorgt bei vielen für Kopfschmerzen. Doch wie wird das eigentlich in Japan geregelt? Immerhin handelt es sich dabei um die Industrienation mit der mit Abstand ältesten Bevölkerung der Welt.

Eine typische japanische Krankenkassenkarte.
Eine typische japanische Krankenkassenkarte. © Photo AC / ゆきだるま

Ein paar harte Fakten vorweg: Deutschland steckte im Jahr 2022 12,7 % seines Bruttonationalprodukts in das Gesundheitswesen, die USA 16,6 % und Japan 11,5 %. Die Deutschen gaben dabei im Schnitt gut 8.000 US-Dollar für das Gesundheitswesen aus, Amerikaner:innen unglaubliche 12.555 Dollar – und Japaner:innen gerade mal knapp 5.000 Dollar.[1]

In Deutschland ist es Pflicht, Mitglied in einer Krankenkasse zu sein. Diese Krankenkassen sind zwar nicht staatlich, aber der Staat regelt die Beitragssätze: 14,6 % des Gehalts, wobei Angestellte und Firmen sich die Kosten exakt 50/50 teilen. Hinzu kommen Zusatzbeiträge, die je nach Krankenkasse variieren, sowie die Pflegeversicherung, die derzeit bei rund 3,4 % des Gehalts liegt. Knapp 86 % der Deutschen sind in einer der über 100 verschiedenen Krankenkassen versichert, der Rest ist privat versichert – ein Privileg, das ab einer gewissen Einkommensgrenze zum Ausstieg aus der staatlichen Gesundheitsvorsorge berechtigt. Zuzahlungen bei einem Arztbesuch und gegebenenfalls für Medikamente werden ebenso fällig wie andere Formen der Kostenbeteiligungen, wobei diese jedoch auf 2 % des Haushaltseinkommens, bei chronisch Kranken auf 1 % begrenzt sind.[2]

“In Japan geht ein Arztbesuch ins Geld”

Auch in Japan muss man in einer Krankenkasse sein. Im Prinzip gibt es nur zwei Krankenkassen: die von der Firma als Teil des “Sozialversicherungspakets”, auf Japanisch shakai hoken genannt, gebotene Krankenkasse oder die kommunale Krankenkasse. Nur knapp 2 % fallen aus diesem System – und zwar Menschen die als “verarmt” gelten und so Teil des Öffentlichen Sozialen Unterstützungsprogramms werden. 59 % der Japaner:innen sind über ihre Firmen versichert (die wiederum Verträge mit einem von mehr als 1.400 Dienstleistern abschließen, doch welcher Anbieter das ist, ist für Versicherte irrelevant). In der Regel werden so auch Minderjährige im Haushalt abgedeckt. Regionale Versicherer decken die Nicht-Erwerbstätigen ab, die über 75-jährigen (immerhin ein Achtel der Bevölkerung) werden automatisch von einer gesonderten Krankenkasse für Senioren abgesichert.

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Die Krankenkassenbeiträge sind in Japan deutlich geringer – sie variieren je nach Region, liegen aber eher bei knapp 12 % des Bruttolohns, und auch hier teilen sich Arbeitgebende und Arbeitnehmende den Beitrag 1:1. Diese Beiträge machen 42 % des gesamten Budgets aus, weitere 42 % stammen aus Steuergeldern. Die verbliebenen 14 % werden von den Versicherten letztendlich separat aus eigener Tasche bezahlt, und dies ist der große Unterschied zu Deutschland.

Ein Krankenhausaufenthalt kann finanziell richtig einschlagen, denn der Selbstkostenanteil liegt zunächst bei pauschalen 30 %. Es gibt zwar Obergrenzen, und ab einer gewissen Ausgabenlage pro Jahr kann man einen Teil der Kosten von der Steuer absetzen, doch in Japan geht ein Arztbesuch stark ins Geld. Ob und wenn ja, wie viele Kinder für Arztbesuche und Medikamente bezahlen müssen, liegt in der Entscheidungsgewalt der Kommunen. Gerade in Hinblick auf die niedrige Geburtenrate und Überalterung der Gesellschaft locken etliche der rund 1.700 japanischen Kommunen Familien mit Kindern damit, kostenlose Krankenversicherungen bis zum 14. Lebensjahr zu garantieren.

Zusatzversicherungen sind normal

Das System sorgt unter anderem dafür, dass man bei einem Krankenbesuch in erster Linie Geld statt etwa Blumen schenkt, denn das haben die Genesenden am nötigsten. Es sorgt auch dafür, dass rund 70 % der Japaner:innen auf die eine oder andere Weise zusätzlich versichert sind – meistens in Form einer erweiterten Lebensversicherung, die bei lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Notfällen wie Krebs, Herzinfarkten oder Schlaganfällen mit festgesetzten Summen einspringt. Interessanterweise bedeutet das aber nicht, dass die Menschen weniger zum Arzt gehen: Während Deutsche im Jahr 2021 im Schnitt 9,5 mal pro Jahr zum Arzt gingen, waren es in Japan im gleichen Zeitraum 12,4 mal.[3]

Natürlich hat auch das japanische Gesundheitswesen mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Personalmangel und eine fortschreitende Ausdünnung der medizinischen Versorgung auf dem Land gehören genauso dazu wie die Tatsache, dass laut offizieller Statistik knapp 14 % der Haushalte ihre Krankenkassenbeiträge überhaupt nicht bezahlen (können).[4]

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