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Shinrin yoku: Die heilsame Wirkung des Waldbaden

Sina Arauner
Sina Arauner

Einfach mal abschalten ist im Zeitalter von Digitalisierung und Urbanisierung gar nicht so leicht. In Japan wird deshalb "shinrin yoku" (Waldbaden) als Konzept der Naturtherapie und zur Erholung gefördert. Was es damit auf sich hat, erfahren Sie hier.

Nadelwald in Japan

Dass der Aufenthalt in der Natur Erholung zum hektischen Alltag bietet, ist wohl kein Geheimnis. In Japan wird das sogenannte Waldbaden als shinrin yoku bezeichnet. Es meint das Aufsaugen der wäldischen Atmosphäre und hat positive Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit. In Japan wird shinrin yoku deshalb als Erholungsangebot und Naturtherapie vermehrt erforscht und gefördert. Kein Wunder, immerhin bedecken Wälder rund 67 % der Landfläche Japans.

Was es mit Waldbaden auf sich hat

Die Geografie Japans mit seinen zahlreichen Wäldern bedenkend, könnte man behaupten, das Spazieren im Wald sei ein beliebtes Hobby. Ist es auch, doch geht shinrin yoku noch einen Schritt weiter. Es handelt sich hierbei um eine bewusste, intensive Beschäftigung mit der Atmosphäre des Walds. Mit dieser geht nicht nur eine Stimulation der Sinne und die Erholung des Geistes, sondern auch körperliche Verbesserung einher. Wegen seiner erholenden, stressreduzierenden Wirkung erfährt shinrin yoku in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit.

Frau beim Waldbaden

Die Geschichte des Waldbadens in Japan

Auch wenn die Verbundenheit zur Natur in Japan schon seit jeher eine große Rolle spielt: Der Begriff shinrin yoku wurde erst 1982 im Rahmen einer Marketingkampagne des Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei geprägt. Sie sollte die japanische Bevölkerung dazu anregen, mehr in die Natur zu gehen.

1990 hat Miyazaki Yoshifumi, Professor und Direktor des Zentrums für Umwelt, Gesundheit und Feldforschung an der Universität Chiba, in einer ersten Feldstudie den Zusammenhang zwischen längeren Aufenthalten im Wald und der reduzierten Zahl von Stresshormonen herausgefunden. Seither wird in Japan Forschung betrieben, um die vermuteten gesundheitlichen Einflüsse von shinrin yoku auch wissenschaftlich zu belegen.

Shinrin yoku: heilsam für Körper und Geist

Verschiedene Forschungen in Japan und weltweit beschäftigen sich sowohl mit den psychologischen als auch den physiologischen Folgen von shinrin yoku auf den Menschen. Daher zeigen aktuelle Forschungsergebnisse diverse gesundheitliche Auswirkungen von Waldbaden auf.

Zum einen wirkt der Aufenthalt in Wäldern stressreduzierend und stimmungsaufhellend. Verantwortlich hierfür sind die sogenannten Phytonzide. Diese sind flüchtige organische Verbindungen, die Pflanzen ausströmen, um Bakterien, Pilze und Insekten abzuwehren. Beim Einatmen der Phytonzide lösen diese beim Menschen ein Gefühl der Ruhe aus und senken den Blutdruck sowie die Aktivitäten des präfrontalen Kortex. Außerdem wird das Stresshormon Cortisol verringert. Auch wird die Herzfrequenzvariabilität verbessert, welche dafür verantwortlich ist, wie gut das Herz mit Stress umgeht.

Weiterhin wurde festgestellt, dass die Phytonzide einen positiven Einfluss auf die Anzahl und Aktivität der natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) haben. Diese Zellen setzen Proteine zur Bekämpfung von Krebszellen frei, weshalb das regelmäßige Waldbaden der Krebsbildung präventiv entgegenwirken könnte. Der Zustand der erhöhten NK-Zellen-Aktivität hält nachweislich mindestens sieben Tage nach einem Besuch im Wald an.

Bild eines Waldes mit Fluss und Moos

Können die Effekte von shinrin yoku künstlich reproduziert werden?

Jein. Eine Studie von Roger Ulrich, Professor und Forscher von Healthcare-Architektur, aus dem Jahr 1984 hat ergeben, dass die Sicht auf einen Wald vom Fenster eines Krankenhauses aus sowie das Platzieren von Pflanzen in Krankenzimmern die Stimmung und die Erholungsrate der Patienten verbessern. Auch in Büros sorgen Zimmerpflanzen für weniger Fehltage und mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz.

Holzoberflächen haben im Vergleich zu Metalloberflächen außerdem einen beruhigenden Effekt. Dabei kommt es allerdings auf die Menge der mit Holz bedeckten Oberflächen an. Etwa 30-40 % sind der ideale Wert. Gibt es mehr Holzoberflächen oder -vertäfelungen, kann dies als erhöhter Stressfaktor wahrgenommen werden.

Auch die künstliche Erhöhung von Phytonziden in der Luft ist nur bis zu einem gewissen Grad hilfreich. So ist etwa die unnatürlich hohe Konzentration von α-Pinen, das besonders in Nadelwäldern auftritt, unangenehm und erhöht den empfundenen Stress. Dies liegt vermutlich daran, dass der Mensch im Laufe seiner Evolution selten einer hohen Konzentration von α-Pinen ausgesetzt war.

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Fazit: Ab in den nächsten Wald

Lassen Sie Smartphone, Tablet und co. daheim und ab in den nächsten Wald. Genießen Sie die natürliche Atmosphäre und gönnen Sie sich eine Auszeit. Ihr Geist und Körper werden es Ihnen danken!

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