Kristall des Nordens: Biei auf Hokkaidō

Constanze Thede
Constanze Thede

Biei bedeutet übersetzt „schöner Kristall“ und die ländliche Kleinstadt auf Japans nördlichster Insel Hokkaidō gilt tatsächlich als einer der schönsten Orte im ganzen Land. Im Sommer bezaubert Biei mit prächtigen Blumenfeldern und im Winter mit schneebedeckten Abhängen für Wintersportler.

Panorama-Blumengarten Shikisai no Oka
Der Panorama-Blumengarten Shikisai no Oka ist nur eine von Bieis spektakulären Sehenswürdigkeiten. © i-Stock.com / thanyarat07

Das kleine Biei im Herzen Hokkaidōs gehört nicht ohne Grund zu den malerischsten Landschaften Japans. Die landwirtschaftliche Idylle besticht mit endlosen Blumenfeldern und -gärten, die einem Bilderbuch entsprungen zu sein scheinen. Die Kleinstadt ist längst kein Geheimtipp mehr, denn jährlich zieht es über eine Million Menschen zu den mittlerweile weltberühmten Sehenswürdigkeiten.

Biei ist nicht nur schön anzusehen, sondern legt auch sehr viel Wert auf einen achtsamen Umgang mit der Umwelt – Fleisch, Milch und Eier stammen hier i.d.R. von kleinen Bauernhöfen, wo die Tiere artgerecht gehalten werden – und die Stadt hat es sich zum Ziel gesetzt, CO2-neutral zu werden.

Blumenpracht und Landidylle

Der sich über mehrere sanft abfallende Hügel erstreckende Panorama-Blumengarten Shikisai no Oka („Vier-Jahreszeiten-Hügel“) erstrahlt von Ende April bis Oktober in unglaublich prächtigen Farben. Hochsaison ist von Juli bis September, denn dann blühen hier über zwanzig verschiedene Blumensorten. Zum Garten gehört auch ein Restaurant und eine Alpaka-Farm, die besonders bei Kindern sehr beliebt ist. In der Wintersaison von Dezember bis April zeigen sich die schneebedeckten Hügel von einer ganz anderen Seite: Jetzt stehen statt Traktorbussen Schneemobile bereit.

Der Shikisai no Oka gehört zur sogenannten Panorama Road, bei der es sich eigentlich nicht um eine einzelne Straße, sondern um ein ganzes Gebiet südlich des Stadtzentrums handelt. Dieses lässt sich am schönsten mit dem Auto oder dem Fahrrad erkunden, zumal hier noch weitere attraktive Sehenswürdigkeiten zuhause sind. Für Kulturinteressierte ist die Fotogalerie Takushinkan der richtige Ort, in der Werke des Landschaftsfotografen Maeda Shinzō ausgestellt sind. Maeda trug dank seiner Aufnahmen maßgeblich zur Popularität Bieis als Touristenziel bei.

Der Panorama-Blumengarten Shikisai no Oka
Der Panorama-Blumengarten Shikisai no Oka zählt zu den Aushängeschildern Bieis. © Shikisai no Oka

Die etwas kleinere Kanno Farm hat ebenso herrliche Blumenfelder sowie reizvolle Souvenirs und schmackhafte Snacks zu bieten. Besonders stolz ist man hier auf seinen Lavendel, der zu vielfältigen Produkten inspiriert hat, aber auch pur zu erwerben ist. Der Biei-Weidenmilchbetrieb wiederum bietet in seinem Café von Käse über Trinkjoghurt bis Softeis zahlreiche frische Milchprodukte aus eigener Herstellung mit Blick auf saftige Wiesen, wo die Kühe friedlich grasen. Der artgerechte Umgang mit den Tieren ist der Farmleitung eine Herzensangelegenheit.

Auf der Weide grasende Kühe
Im Biei-Weidenmilchbetrieb werden die Milchkühe artgerecht gehalten. © 美瑛放牧酪農場

Faszination Blue Pond

Die berühmteste Sehenswürdigkeit Bieis ist der Blue Pond mit seinen leuchtenden Blau- und Grünschattierungen, die sich je nach Tages- und Jahreszeit unterscheiden. Als Apple den Teich 2012 als Motiv eines der im Betriebssystem integrierten Hintergrundbilder auswählte, wurde dieser weltweit bekannt. Er entstand 1988 zufällig als Nebeneffekt einer Maßnahme des Erosionskontrollsystems, das Schäden durch die vor allem in den Wintermonaten häufigen Schlammlawinen des Vulkans Tokachi verhindern sollte. Ein Teil des Wasser aus dem Biei-Fluss sammelte sich in einem der errichteten Dämme und bildete den Blue Pond. Dessen prachtvolle Farben von Türkis bis Kobaltblau ergeben sich durch verschiedene natürliche Mineralien (u. a. Schwefel) aus nahegelegenen Flüssen und dem Shirahige-Wasserfall, die sich mit dem im Teich vorkommenden Aluminium verbinden. Sowohl im Sommer als auch im Winter ist er ein beeindruckendes Fotomotiv und in der warmen Jahreszeit werden rund um den Teich verschiedene thematisch passende Süßspeisen angeboten wie „Blue Pond“-Softeis und -Pudding.

Der Blue Pond in Biei mit sich im blauen Wasser spiegelnden Wolken
© i-Stock.com / structuresxx

Wandern rund um den Shirahige-Wasserfall

Da Biei eine Vulkangegend ist, entstanden dort auch faszinierende Felsformationen wie am Shirahige-Wasserfall. Der Name des rund 30 m hohen Wasserfalls bedeutet „weißer Bart“ und seine die Felswände hinunterrauschenden Ströme erinnern tatsächlich an einen solchen. In der kalten Jahreszeit gefrieren Teile des Wasserfalls zu Eis, die von November bis April zusätzlich durch besondere Illuminationen in ein magisches Licht getaucht werden.

Da die Natur in der Umgebung so reichhaltig ist, bietet es sich im Frühling und Sommer an, vom Blue Pond auf dem „Weißbirkenpfad“, einem lauschigen Wanderweg, zu Fuß zum Wasserfall zu laufen. Dieser 3 km lange Pfad läuft parallel zur Hauptstraße und ist in etwa einer Stunde gut zu bewältigen. Wer mehr über die örtliche Natur lernen möchte, kann an einer geführten Tour des Shirogane-Urwaldes teilnehmen, der Teil des Daisetsuzan-Nationalparks ist. Japans größter Nationalpark, der in der Sprache der Ainu, der Ureinwohner Hokkaidōs, „Spielplatz der Götter“ genannt wird, beherbergt außergewöhnliche Pilze und Pflanzen sowie faszinierende Wildtiere, die man selten von so Nahem sehen kann.

Shirahige-Wasserfall von Grün umgeben
Der fotogene Shirahige-Wasserfall im Sommer. © i-Stock.com / Haruki_Nakatani

Entspannen im Shirogane Onsen

Das natürliche Thermalbad Shirogane Onsen liegt etwa 5 Autominuten vom Blue Pond entfernt am Fuße des Tokachi. Die heißen Quellen Bieis wurden in den 1950er Jahren entdeckt, daher stammen die meisten Hotels und Unterkünfte rundherum aus dieser Zeit. Darunter befinden sich sowohl charmante und preiswerte Herbergen, Hotels im westlichen Stil als auch traditionelle Ryokan. Die meisten Unterkünfte sind direkt mit den heißen Quellen verbunden, sodass man sein Bad in entspannter Atmosphäre mit Bergpanorama genießen kann, außerdem bekommt man überall authentische japanische Küche. Um diese zu genießen, muss man nicht zwingend dort übernachten, da es spezielle Angebote für Tagesausflügler gibt.

Die Onsen-Gegend um Shirogane bietet ein sehr typisches japanisches Flair, was man sonst in Biei vielleicht etwas vermisst, da die Stadt architektonisch und landschaftlich eine deutlich europäisch anmutende Atmosphäre ausstrahlt. Hier jedoch sind nicht nur die Ryokan sondern beinahe alle Unterkünfte im traditionellen japanischen Stil gestaltet.

Kulinarische Spezialitäten

Biei ist bekannt für seine lokale Nudelküche – beliebt sind Soba-Nudeln und Curry-Udon, dicke Weizennudeln, die in einer scharf gewürzten Brühe serviert werden. Das Getreide für die Nudeln stammt direkt aus Biei. Man kann dort sogar regional produziertes Wagyu-Rindfleisch genießen – dieses ist äußerst zart und wurde von der Japan Meat Grading Association als besonders hochwertig eingestuft. Als Beilage bieten sich die beliebten korokke an; Kroketten, die aus heimischen Kartoffeln zubereitet werden.

Curry-Udon
Curry-Udon sind eine beliebte Spezialität Bieis. © photo-ac.com / kurumicafe

Auch Liebhaber von Sushi und Sashimi kommen ganz auf ihre Kosten, denn diese typisch japanischen Delikatessen werden vielerorts angeboten. Viele Restaurants in Biei haben einen vielfältigen Speiseplan, sodass man mitunter im selben Restaurant sowohl Wagyu als auch Fisch und Meeresfrüchte bekommt, was den Besuch für Gruppen deutlich angenehm gestaltet.

Unbedingt zu empfehlen sind die regionalen Süßspeisen, besonders das Softeis, das es in so ungewöhnlichen Sorten wie Lavendel, Melone oder Kürbis gibt. Köstlich sind auch die frischen Backwaren, für die ebenfalls regionales Getreide verwendet wird.

Lavendel-Softeis in Biei
Sogar das Softeis gibt es mit Lavendelgeschmack. © i-Stock.com / Peera_Sathawirawong

Beste Reisezeit:

Mai bis September (Kirschblütenzeit Anfang bis Mitte Mai), Wintersportsaison Dezember bis März

Anreise:

Die nächstgelegenen Städte sind Asahikawa und Furano, die jeweils 30 bis 40 Min. von Biei entfernt liegen.

Vom Flughafen Haneda sind es ca. 1 ½ Std. Flugzeit zum Flughafen Asahikawa. Von dort aus ist Biei mit dem „Lavender-go“-Bus in 15 Min. zu erreichen.

Mehr Infos auf: https://www.biei-hokkaido.jp/en/


Dieser Artikel erschien in gekürzter Form in der JAPANDIGEST April 2023-Printausgabe und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.

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