Wer an Whisky denkt, der hat vermutlich sofort den berühmten Scotch, den amerikanischen Bourbon oder einen Whiskey aus Irland im Kopf. Diese Länder sind weltweit berühmt für ihre Whiskys, doch wie sieht das mit Japan aus? Ist das Land der aufgehenden Sonne nicht eher bekannt für alkoholische Getränke wie Sake? Weit gefehlt.
In den letzten Jahren haben sich japanische Whiskys zu den begehrtesten der Welt entwickelt und lassen Herzen von Whisky-Fans höher schlagen. Das Problem: Der Ansturm auf japanische Whiskys kam so schnell, dass die Destillerien mit der Nachfrage nicht zurechtkommen und die Preise geradezu explodieren. Aber wieso sind japanische Whiskys so besonders und was hat dazu geführt?
Geschichte japanischer Whiskys
Um zu verstehen, was japanische Whiskys so besonders macht, muss man einen Blick auf die Vergangenheit werfen. Zwei Namen, die in Verbindung mit Whiskys aus Japan immer wieder fallen, sind Taketsuru Masataka und Torii Shinjirō. Sie sind zwei der Hauptfiguren, die japanischen Whisky stark geprägt haben und deren Firmen beziehungsweise Destillerien noch heute den Markt dominieren. Das Spannende an der Geschichte ist allerdings,wie sich die Wege der beiden in der Vergangenheit gekreuzt haben.
Torii Shinjirō ist der Gründer des weltweit bekannten Spirituosenherstellers Suntory. Im Jahr 1899, noch unter dem Namen Kotobukiya gegründet, ist Suntory heute einer der weltweiten Marktführer im Whisky-Segment. Dabei vereint das Unternehmen nicht nur die bekanntesten japanischen Destillerien Yamazaki, Hakushu und Hibiki unter einem Dach, sondern ist mittlerweile auch im Besitz vieler schottischer Destillerien. Torii Shinjirō war einer der ersten, der japanischen Whisky nach schottischem Vorbild produzieren wollte.
Der 1894 geborene Taketsuru Masataka gilt als einer der prägenden Charaktere in der japanischen Whisky-Kultur. Er war es, der in noch jungen Jahren nach Schottland reiste, um in Glasgow zu studieren und die Kunst der Whiskyherstellung zu erlernen. Dabei machte er Halt an unterschiedlichen Destillerien und erlernte das Handwerk von Grund auf aus erster Hand. Wie es kommen musste, lernte Taketsuru dort auch seine zukünftige Frau Rita, eine Schottin, kennen. Mit dem enormen Wissen rund um die Herstellung schottischer Whiskys im Gepäck kehrte er zurück nach Japan. Dort begann er seine Karriere bei Kotobukiya, dem Unternehmen von Torii Shinjirō. Mit Taketsuru Masataka fand er den Richtigen, der seinen Traum vom japanischen Whisky nach schottischer Art wahr werden lassen konnte.
Nachdem Taketsuru für den Aufbau von Destillerien wie Yamazaki verantwortlich war, ergaben sich allerdings Unstimmigkeiten zwischen dem Gründer Torii Shinjirō und ihm. Dies war der Grund, weshalb er das Unternehmen verließ und Nikka, den zweiten Big Player im japanischen Whiskymarkt, gründete. Unter dem Dach von Nikka befinden sich noch heute die bekannten Destillerien Yoichi und Miyagikyo, mit denen sich Taketsuru Masataka seinen Traum verwirklichte. Diese zwei Personen waren es, die die hochwertige Art der schottischen Whisky-Kultur nach Japan brachten und dort etablierten.
Was macht japanische Whiskys aus?
Wo die Schotten eher strikt traditionell arbeiten, verstehen es die Japaner, das althergebrachte Verfahren der schottischen Whiskyherstellung mit neuen Technologien zu verbinden und ihren eigenen Stil zu entwickeln. Sie verändern die althergebrachte Art nicht, sondern überwachen und optimieren sie bis zur Perfektion, um das optimale Produkt herzustellen. Dabei achten sie auch bei der Wahl ihrer Grundstoffe (Gerste und Wasser) penibel auf die Qualität.
Neben dem Einsatz von Technologien sind die Japaner auch Meister im sogenannten “Blending”. Beim Blending von Whisky werden verschieden gereifte Whisky-Fässer miteinander „vermählt“, also gemischt. Jedes Fass weist durch unterschiedlich lange Reifung sowie Eigenschaften einzigartige Aromen auf. Der sogenannte „Master Blender“ versteht es, die passenden Aromen der Whiskys zu kombinieren und somit das Endergebnis mit gezieltem Blending nach seinen Vorstellungen zu designen. Diese Technik beherrschen die japanischen Whisky-Hersteller perfekt.
Neben der Herstellung zeichnet sich japanischer Whisky im Vergleich zu den Schotten durch ein anderes Geschmacksprofil aus. Er ist tendenziell sanfter und subtiler als schottische Whiskys und weist meist einen geringeren Alkoholgehalt auf. Nicht, dass die Destillerien nicht auch ausgezeichnete Fassstärke-Whiskys mit hohem Alkoholgehalt abfüllen, doch meist trinken Japaner ihren Whisky während oder nach dem Essen, weshalb die Spirituose den Geschmack des Essens nicht dominieren soll. Das ist auch der Grund, weshalb die Japaner weniger mit getorfter Gerste arbeiten und rauchigen Whisky eher selten produzieren. Es gibt hierbei allerdings auch Ausnahmen, wie beispielsweise die Destillerien Hakushu oder Yoichi, die zum Großteil rauchigen Whisky herstellen – wobei auch diese meistens nicht an die Intensität eines Whiskys von der schottischen Insel Islay herankommen.
Wie bereits erwähnt, füllen Japaner nicht nur Whiskys mit geringem Alkoholgehalt ab. Eine Destillerie sticht hier mit ihren regelmäßigen Serien besonders heraus. Die Chichibu Brennerei befindet sich in der gleichnamigen Stadt Chichibu (Präfektur Saitama) und wurde erst 2008 gegründet. Obwohl sie im Verhältnis noch sehr jung und klein ist, ist sie berühmt für ihre Einzelfassabfüllungen, die stets eine sehr hohe Qualität aufweisen und meist innerhalb weniger Minuten, nicht selten zu Preisen jenseits der 1.000 Euro restlos ausverkauft sind. Auch diese kleine Destillerie ist ein Beispiel für die hohe Qualität japanischer Whiskys.
Wie sich japanischer Whisky an die Spitze kämpfte
Bis Anfang 2015 fristeten japanische Whiskys eher ein Schattendasein. Obwohl sie bereits 2007 erste Auszeichnungen erhielten, wurde ihnen noch relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dies änderte sich allerdings schlagartig, als Jim Murray, der wohl berühmteste Whisky-Experte der Welt, in seiner jährlich erscheinenden „Whisky Bible“ den japanischen Yamazaki Sherry Cask aus dem Jahr 2013 zum besten Single Malt Whisky der Welt kürte. Fortan sollte sich alles ändern und es begann der Ansturm auf japanische Single Malt Whiskys. Auf den Erfolg sollten viele weitere Auszeichnungen folgen, die die Nachfrage noch weiter anheizten.
Dies sorgt allerdings bis heute für große Probleme, denn die Destillerien hatten in der Vergangenheit zu wenig Whisky zurückgelegt und reifen lassen, als dass sie der Nachfrage entsprechen konnten. Die hohe Nachfrage und das geringe Angebot führten zu einem extremen Preisanstieg. Eines von vielen Beispielen ist der Yamazaki 18 Jahre, welcher anfangs noch für 70 Euro zu kaufen war, heute jedoch einen Preis von 500 Euro erreicht. Dennoch hat sich der Großteil der japanischen Whiskys nicht nur zum Luxus-Whisky entwickelt: Viele der Abfüllungen mussten aufgrund der leeren Lager sogar eingestellt werden, was die Nachfrage und den Preis noch weiter in die Höhe trieb. Gerade die sogenannten „Age-Statement“-Whiskys, also Whiskys mit Altersangabe, sind davon betroffen.
Japanischer Whisky ist nicht immer japanischer Whisky
Wer echten japanischen Whisky probieren möchte, der sollte im Vorfeld etwas recherchieren. Die japanischen Brennereien haben weit weniger Richtlinien als schottische, weshalb der Whisky lediglich in Japan abgefüllt werden muss, um diesen als “japanischen Whisky” zu deklarieren. Aufgrund der hohen Nachfrage und des geringen Angebots sind einige Destillerien dazu übergegangen, Whisky aus Schottland zu importieren und diesen mit ihrem zu mischen.
Zum Autor:
Tim Schneller ist Gründer von Gentlemans-Attitude.de, dem 2019 gegründeten Magazin rund um Genuss, Mode, Technik und Lifestyle. Als Whisky-Enthusiast und Mitglied der Scotch Malt Whisky Society schreibt er rund um das Thema Whisky. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf schottischem Single Malt, sondern auch auf internationalem Whisky.
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