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Standhafte Glücksbringer: Mit Daruma werden Wünsche wahr

Simone Hencke
Simone Hencke

Sie sollen Glück bringen, Wünsche erfüllen können und stehen auch für Beharrlichkeit und Neuanfänge. Daruma sind beliebte Talismane in Japan - die Geschichte ihres Ursprungs ist allerdings weniger glücklich.

Daruma
Daruma in allerlei Größen. Auf ihren Bäuchen steht das Kanji für „Sieg“. © Roméo A. / Unsplash

Es gibt sie in Geschäften, Fabriken, Büros und den Häusern vieler Japaner:innen, in zahlreichen unterschiedlichen Mustern und Farben, am häufigsten aber in Rot. In die Mitte ihrer rundlichen Körper werden oft mit goldener Farbe Wörter wie „Glück“ oder „Beharrlichkeit“ gemalt, auf die Seiten Formulierungen wie „Sicherheit der Familie“ oder „geschäftlicher Erfolg“. Ihre Augenbrauen sind wie Kraniche geformt, ihre Bärte wie Schildkröten, beides Tiere, die unter anderem Langlebigkeit symbolisieren.

Doch eines der wichtigsten Merkmale der daruma sind ihre Augen, „übergroße, symmetrisch runde, leere, weiße Augen“, wie sie Forscher Monte A. Greer beschrieb[1]. Wenn Japaner:innen an Neujahr oder vor einem wichtigen Ereignis einen daruma kaufen oder von jemand anderem erhalten, wünschen sie sich etwas und malen dann einen schwarzen Kreis, wie eine Pupille, in ein Auge. Dieses ist nun, in den Worten von Greer, „immer geöffnet und auf das Ziel konzentriert“. Sobald das Ziel erreicht wird oder der Wunsch in Erfüllung geht, wird schließlich auch das zweite Auge ausgemalt.

Daruma
Früher haben die Hersteller:innen die Augen der daruma ausgemalt, heute machen das die Käufer:innen selbst. Manchmal werden statt der Pupillen auch Schriftzeichen gemalt. © Photo AC / clasico

Am Ende des Jahres bringen Japaner:innen die daruma zurück in die Tempel, wo sie sie gekauft haben. An einem Stand („eine Art kosmischer Mülleimer“) werden sie eingesammelt, um später verbrannt zu werden. Viele Menschen kaufen direkt ein neues daruma, definieren ein neues Ziel oder einen neuen Wunsch – oder versuchen es ein weiteres Mal mit einem alten, noch unerfüllten.

[Video] “Daruma, A Nation’s Lucky Charm”; Geschichte, Herstellung, Aberglaube und Rückgabe der daruma.

Eine dunkle Vergangenheit

Über den Ursprung der daruma ist noch vieles unbekannt. Forschende wissen aber, dass ihr Vorbild der buddhistische Mönch Bodhidharma (auf Japanisch Daruma) war. Dieser reiste im 6. Jahrhundert aus dem südlichen Indien nach China und entwickelte eine strenge Lehre mit lang anhaltenden Meditationen und Selbstverzicht, die später die Basis des Zen-Buddhismus bildete. (Die erste Zen-Schule hieß sogar „Daruma-Schule”.)

Einer Legende zufolge meditierte Bodhidharma neun Jahre lang in einer Höhle und bewegte seine Arme und Beine so lange nicht, dass sie abstarben. Außerdem soll er einmal während einer Sitzmeditation eingeschlafen und danach so wütend auf sich selbst gewesen sein, dass er seine Augenlider ausriss und sie auf den Boden warf. Diese Geschichten begründen angeblich das Aussehen der heutigen daruma, also ihre leeren, weißen Augen und fehlenden Arme und Beine.

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Wachsende Beliebtheit

Jahrhunderte später, in der Edo-Zeit (1603-1868), waren daruma als Bringer von Glück, reichen Ernten und Wohlstand bekannt und dafür, dass sie Kinder vor Unheil und Krankheiten wie Pocken schützten. Vor ungefähr 200 Jahren begannen Landwirt:innen in Takasaki in der Präfektur Gunma, daruma (fast) wie wir sie heute kennen herzustellen, zunächst jedoch nur, um sich in den Wintermonaten etwas dazuzuverdienen.

Anfangs waren daruma relativ menschenähnlich, da ihre Köpfe und Körper voneinander getrennt waren. Später ähnelten sie eher den Kokons von Seidenraupen, welche damals in der Region eine wichtige Rolle spielten. In den frühen Jahren der Meiji-Zeit (1868-1912) erhielten die daruma ihre heutige rundliche Form und gewannen dann auch unter der allgemeinen, nicht in der Landwirtschaft tätigen, Bevölkerung an Beliebtheit.

Heute wird ein Großteil der daruma in Takasaki produziert, bis zu 900.000 Stück im Jahr. Außerdem findet dort jedes Jahr am 1. und 2. Januar ein daruma-Markt statt; 2020 lockte er um die 370.000 Besucher:innen an.

Daruma
Sogenannte "Takasaki daruma", verziert mit verschiedenen Wünschen und Glücksbotschaften in goldener Schrift. © Photo AC / kinoko17

Immer wieder aufstehen

Traditionell sind daruma aus Pappmaché, heutzutage manchmal auch aus Plastik. Sie sind innen hohl und sehr leicht. Deswegen wird Ton an ihre Unterseiten angebracht, wodurch die daruma hin und her schwingen, aber nicht mehr umfallen können.

Daruma werden deswegen oft mit dem japanischen Sprichwort nana korobi ya oki (七転び八起き) verbunden, was auf Deutsch soviel bedeutet wie „siebenmal hinfallen, achtmal aufstehen“. „Ein daruma erinnert daran, dass du immer wieder aufstehen musst, egal wie oft du umgeworfen wirst“, schrieb die Journalistin Karen Gardiner für „BBC“[2]. „Ein Symbol der Beharrlichkeit für ein Land, welches oft nah an seine Grenzen gedrängt wurde.“ Und eine Weisheit, von der auch wir uns, angesichts der momentanen Weltsituation, etwas mitnehmen können.

[Video] “Making of Takasaki Daruma”, Herstellung der Takasaki daruma.


Quellen:

[1] Greer, Monte A. (2002). Daruma Eyes: The Sixth Century Founder of Zen Buddhism and Kung Fu Had the Earliest Recorded Graves’ Ophthalmopathy. In Thyroid Vol. 12 (5): https://www.liebertpub.com/doi/pdf/10.1089/105072502760043468

[2] Gardiner, Karen (2020). BBC: https://www.bbc.com/travel/article/20200630-why-are-the-japanese-so-resilient

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