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Rothenburg ob der Tauber – Japan-Faszination in der romantischen Kleinstadt

Anne-Marie Oelschläger
Anne-Marie Oelschläger

Beim Gedanken daran, Japan in Deutschland zu erleben denkt man oft an japanische Gärten und Rāmen-Restaurants. Doch im Norden Bayerns lässt sich Japan in Deutschland auf eine ganz andere Art und Weise erleben: auf der Spur japanischer Touristen.

Weihnachtsdorf Rothenburg
Ein Einblick in das Weihnachtsdorf in Rothenburg © Käthe Wohlfahrt Christmas Village

Die Gründe, warum sich Japaner für Deutschland interessieren, können sehr vielfältig sein – ähnlich wie Japan-Begeisterte aus Deutschland ganz verschiedene Motivationen für ihre Faszination haben können. Japaner verbinden mit Deutschland – neben der Begeisterung für Fußball, klassischer Musik oder das vielfältige Wurst- und Brotangebot – oft ein Bild des romantischen europäischen Mittelalters. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sowohl München als auch Schloss Neuschwanstein zu den beliebtesten deutschen Reisezielen der Japaner gehören. Jedoch gibt es noch einen weiteren Ort, der das traditionelle mittelalterliche Dorf mit am besten repräsentiert: Die Weihnachtsstadt Rothenburg ob der Tauber.

Rothenburg als japanischer Touristenmagnet

Rothenburg ob der Tauber ist eine Kleinstadt im Norden Bayerns, die trotz großer Verluste im Zweiten Weltkrieg einen authentischen, teils originalgetreu wiederaufgebauten Stadtkern besitzt. Die Stadt wahrt das Bild des mittelalterlichen Dorfes vor allem in der Altstadt. In diese hat sich bis heute kein modernes Gebäude verirrt. Rothenburg ist aufgrund seiner vielen Baudenkmäler und seines authentischen Charmes international als Touristenziel bekannt. Außerdem ist die Stadt das Highlight der sogenannten Romantischen Straße – die älteste Ferienstraße in Deutschland.

Rothenburg ob der Tauber stellt daher für viele seiner japanischen Besucher den Inbegriff eines traditionellen deutschen Dorfes dar. Allein 2018 hat es fast 40.900 Japaner nach Rothenburg verschlagen. Die japanischen Touristen belegen damit nach den Amerikanern den zweiten Platz.

Das wichtigste Fotomotiv stellt dabei das Plönlein dar, das sogar seine eigene Katakana-Schreibweise bekam: プレーンライン. Dieser Platz im Zentrum der Stadt ist für Japaner in Bezug auf Deutschland fast so bekannt wie für Touristen in Japan der im Wasser stehende Schrein auf der heiligen Insel Miyajima (Präfektur Hiroshima) oder die Chūreitō-Pagode vor dem Fuji-san (Präfektur Yamanashi). Diese Bekanntheit spiegelt sich auch in der Popkultur wider. So war das Plönlein Vorbild für die fiktive Stadt Mühlenburg aus dem Manga „Little Snow Fairy Sugar“ und für eine Map im Videospiel „Tekken Tag Tournament 2“.

Das Plönlein in Rothenburg
Das international bekannte Plönlein © Anne-Marie Oelschläger

Wie sich Rothenburg auf die Japaner einstellt

Im Vergleich zu anderen Fachwerkstädten in Deutschland bietet Rothenburg ob der Tauber entscheidende Vorteile, dank derer sie sich zum japanischen Touristenmagneten mitten in Süddeutschland entwickeln konnte.

Der erste Vorteil ist die Lage: Viele Japaner haben oft nur wenige Urlaubstage pro Jahr, daher muss ein Urlaub in Deutschland sehr gut durchgeplant sein. Durch seine geografische Nähe zu München und Schloss Neuschwanstein passt Rothenburg also perfekt in den japanischen Kurzurlaub.

Ein weiterer Vorteil ist, dass in Rothenburg das ganze Jahr lang Weihnachten ist. Das Bild vom romantischen Europa wäre nicht perfekt ohne die märchenhafte Weihnachtsstimmung. Und in Rothenburg ob der Tauber gibt es diese Stimmung eben auch außerhalb vom Dezember. Touristen können im Deutschen Weihnachtsmuseum und dem ganzjährigen Weihnachtsdorf zu jeder Jahreszeit die deutsche Weihnachtsstimmung nachvollziehen. Dies beinhaltet natürlich Musik und Dekorationen aber auch weihnachtliches Gebäck und Gerüche.

Käthe Wohlfahrt Weihnachtsdorf u. Museum
In Rothenburg herrscht eine geradezu märchenhafte Weihnachtsstimmung. © Käthe Wohlfahrt Christmas Village Winter Outside

Obwohl Weihnachten in Japan – wenn überhaupt – selten mit der Familie gefeiert wird, ist dies keine praktische Reisezeit für Japaner. Weihnachten ist dort nämlich kein Nationalfeiertag. Die Hauptreisezeiten für Japaner sind vor allem die Golden Week im Mai und die Obon-Woche im August. Der ganzjährige Zugang zu diesem Teil der deutschen Kultur ist daher sehr praktisch um auch – für Deutsche ganz untypisch – außerhalb vom Dezember in Weihnachtsstimmung zu kommen.

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Darüber hinaus ist die Anpassung Rothenburgs an seine japanischen Besucher und vor allem an die japanische Sprache ein weiterer bedeutender Vorteil. Dieser Aspekt fängt direkt bei der Reiseplanung an. Von Rothenburgs offizieller Tourismus-Website gibt es neben einer deutschen, englischen und spanischen Version auch eine japanische. Dies ist in Deutschland eine ziemliche Seltenheit – selbst München bietet nur eine deutsche und englische Sprachversion ihrer Website an. Doch nicht nur digital hat sich Rothenburg auf japanische Touristen eingestellt. Viele Restaurants stellen japanische Speisekarten bereit und einige Geschäfte haben Japanisch sprechende Mitarbeiter oder Tourguides. Ebenso hat sich die Stadt an die internationalen Einkaufsgewohnheiten angepasst, sodass mehrere Souvenirshops Omiage-ähnliche Mitbringsel anbieten und auch sonntags geöffnet haben.

Japanisches Schild vor einem Restaurant in Rothenburg
Japanische Speisekarten und Hinweisschilder in Rothenburg. © Stephanie Drewing

„Japan in Deutschland“ mal anders

Das Erkunden der Stadt ist daher für Japaner insgesamt sehr bequem und praktisch – so wie viele es eben von zuhause gewohnt sind. Doch auch für deutsche Besucher kann Rothenburg ein spannendes Reiseziel sein, das den etwas anderen Japan-Bezug bietet. Japanische Gärten oder asiatische Supermärkte kann man hier zwar nicht aufsuchen, dafür lässt sich der japanische Charme in den Details finden. Von Hinweisschildern auf Japanisch über Inschriften an der Stadtmauer mit Japan-Bezug bis hin zu chōchin-Lampen (Papierlaternen) an dem einen oder anderen Wohnhaus: Auch Japan-Begeisterte können eine schöne Zeit in Rothenburg ob der Tauber verbringen. Und ganz nebenbei kann man sich vom romantischen Charme Rothenburgs mitreißen lassen und ein klein wenig die Faszination der Japaner an der deutschen Kultur nachvollziehen.

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