Buchrezension: „Japan. Alles, was Sie über Japan wissen müssen“ von Susanne Phillipps

Constanze Thede
Constanze Thede

Susanne Phillipps stellt in ihrem Buch „Japan. Alles, was Sie über Japan wissen müssen“ das Land in all seinen Facetten vor. Dabei vermittelt sie dem Leser fundiertes Wissen jenseits aller Klischees.

Buchcover „Japan. Alles, was Sie über Japan wissen müssen“ von Susanne Phillipps
© Mana-Verlag

Reiseführer gibt es viele – das in der Reihe MANA-LÄNDERPORTRÄT erschienene Werk „Japan. Alles, was Sie über Japan wissen müssen“ von Susanne Phillipps dagegen will dem Leser fundierte Informationen bieten und die typischen Seiten des Landes zeigen.

Zum Buch

Dass Susanne Phillipps sich nicht nur nebenbei mit Japan beschäftigt, merkt man diesem Buch deutlich an. Es handelt sich hier, wie gesagt, nicht um einen simplen Reiseführer, sondern um ein äußerst umfangreiches Länderporträt garniert mit Reise- und Veranstaltungstipps. Die LeserInnen erfahren zunächst einiges über Japans Natur und können anschließend in die Geschichte des Landes von der Vorzeit bis zur Frühmoderne eintauchen. Dem modernen Japan ab der Meiji-Zeit ist noch einmal ein eigenes Oberkapitel gewidmet. Anschließend werden alle Themen behandelt, die zum Verständnis des gegenwärtigen Japans relevant sind wie Politik und Gesellschaft, Wirtschaft, Alltägliches wie Sprache und Schrift, die japanische Küche sowie Feste und Freizeitgestaltung. Selbstverständlich wird auch die Kultur in all ihren Facetten nicht außer Acht gelassen. Zum Schluss folgt noch ein geografischer Streifzug durch Japans bekannteste Städte und Regionen, der auch einige Reisetipps enthält.

Roter Fuji (Bild von Hokusai)
S. 17: "Roter Fuji" von Hokusai © Ishikawa Prefecture Tourist Association and Kanazawa Convention Bureau/JNTO

Genauer gesagt

Was dieses Buch besonders auszeichnet ist, dass es zwar für Europäer geschrieben ist, die Autorin sich aber bewusst von den in Bezug auf Japan im westlichen Diskurs häufig auftauchenden Allgemeinplätzen abgrenzt. Gleich in der Einleitung macht sie deutlich, dass das verbreitete Bild Japans als Land „zwischen Tradition und Moderne“ in Teilen durchaus der Wirklichkeit entspricht, da dort sowohl verschiedene kulturelle Einflüsse als auch unterschiedliche Religionen friedlich nebeneinander existieren und „das schon Dagewesene selten vollständig überschrieben oder verdrängt“ wurde (S. 12). Andererseits entlarvt sie aber unseren verklärten Blick auf das fernöstliche Land, indem sie treffend feststellt, dass auch wir Europäer uns „zwischen Tradition und Moderne“ bewegen:

Der ICE hält am Kölner Hauptbahnhof nur wenige Hundert Meter entfernt vom Dom, in dem die Gebeine der Heiligen Drei Könige aufbewahrt werden. (S. 12)

In den folgenden Kapiteln nimmt Phillipps uns mit auf „eine Reise durch Japan in Zeit und Raum“ (S.17). Indem sie die LeserInnen durch Japans Flora und Fauna, Kulturgeschichte, das heutige Japan und die verschiedenen Landesregionen führt, vermittelt Sie Ihnen, wie der Titel schon sagt, alles, was sie wissen müssen, um ein tiefes Verständnis für das Land zu entwickeln und auf der Grundlage dieses Wissens Japan selbst zu bereisen und für sich zu entdecken.

Chrysanthemen
S. 61: Chrysanthemen © Dodd, Mead and Company, 1902 / wico, gemeinfrei

Japan im Detail

Was mir persönlich am Aufbau des Buches sehr gefallen hat, ist, dass es nicht mit dem geschichtlichen Teil beginnt, sondern das Thema Natur (sprich Klimazonen, Geografie und Geologie sowie die lokale Tier- und Pflanzenwelt) den Einstieg bildet. Da ich selbst schon einige längere Japanaufenthalte hinter mir habe, ist mir bewusst, wie wichtig es ist, genaue Kenntnisse über diese Dinge zu haben. Wer sich vor seinem ersten Japanaufenthalt nicht darüber informiert, wird unter Umständen von den feuchtschwülen Sommertemperaturen überrascht sein oder vollkommen überfordert reagieren, wenn ein Erdbeben oder ein Taifun kommt. Diese Dinge gehören in Japan jedoch zum Alltag, und mithilfe des Grundwissens, das einem dieses Buch vermittelt, ist man schon einmal geistig gut darauf vorbereitet. Wenn man in naher Zukunft keine Japanreise geplant hat, ist dies dennoch nützliches, landeskundliches Wissen. Wie in allen anderen Kapiteln auch, hält sich die Autorin hier nicht an der Oberfläche auf, sondern erklärt beispielsweise genau, wie die tektonischen Platten in Japan aufeinandertreffen und welche Bedeutung die verschiedenen Blumensorten dort haben.

Karte der tektonischen Platten
S. 23: Karte der tektonischen Platten © wikimedia commons USGS pd

Der geschichtliche Teil lässt ebenfalls nichts zu wünschen übrig. Besonders positiv hervorzuheben ist hier, dass die Autorin, da der Schwerpunkt auf dem Gebiet Kulturgeschichte liegt, unter anderem auch auf den auf shintōistischen Glaubensmustern basierenden Gründungsmythos eingeht, nachdem die japanischen Inseln von den Göttern Izanami und Izanagi geschaffen wurden, sowie auf den Einfluss des Buddhismus in Japan ab dem 6. Jahrhundert. Auch die nachfolgenden Epochen vom Altertum (kodai) bis zur Edo-Zeit (1600-1868) werden ausgiebig behandelt. Dabei lässt Phillipps auch die Entstehung der Teekultur in Japan sowie die Bedeutung von Geistern und Dämonen nicht außer Acht.

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Im Anschluss folgt ein umfangreicher Einblick in das moderne Japan ab der Meiji-Zeit (1868–1912). Dieses Kapitel führt die LeserInnen durch alle folgenden historischen Epochen und Ereignisse über die Industrialisierung Japans, den Zweiten Weltkrieg, das Wirtschaftswunder und die Studentenunruhen der Nachkriegszeit, das Platzen der Wirtschaftsblase 1990 bis zur heutigen Ära Reiwa. 

Auch in Bezug auf den japanischen Arbeitsmarkt wichtige Begriffe wie NEET und Freeter werden hier erklärt. Deutsche LeserInnen erfahren in diesem Kapitel sicher einiges, was sie bisher noch nicht wussten, da japanbezogene Themen in den deutschen Nachrichten meist zu kurz kommen. Daher ist Phillipps detaillierte Japan-Berichterstattung von unschätzbarem Wert.

Proklamation der Verfassung
S. 181: Proklamation der Verfassung © Kobayashi Kiyochika (1879) / pd

Noch umfassender ist das Kapitel über Politik und Gesellschaft Japans, was nicht verwundert, da beides weitgehende Themenfelder sind. Unter anderem gibt Phillipps hier Einblick in das politische sowie das Schulsystem Japans und lässt dabei auch ernstere Themen wie Mobbing (ijime), soziale Selbstisolation (hikikomori) und die hohe Suizidrate in Japan nicht aus. Der japanischen Wirtschaft widmet die Autorin sinnvollerweise ein eigenes Kapitel, ebenso wie der japanischen Kulturlandschaft. Hier gibt sie sowohl Einblick in populärkulturelle Phänomene wie Cosplay als auch in die „klassischen“ Kulturbereiche wie Film und Literatur. Im Kapitel „Lebensart“ stellt sie unter anderem die japanische Sprache und Schrift, die Esskultur, Feste (Matsuri) und die einschlägigen Sportarten vor.

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Eine Reise durchs Land

Für alle, die davon träumen, eines Tages nach Japan zu reisen, ist besonders das letzte Kapitel über die Städte und Regionen des Landes interessant. Hier bekommen die LeserInnen auch ein wenig praktische Tipps, beispielsweise zum Nahverkehr in Tōkyō und zum Reisen mit Japans Hochgeschwindigkeitszug, dem Shinkansen. Insgesamt geht es aber in diesem Kapitel eher darum, die einzelnen Regionen vorzustellen und Hintergrundwissen zu vermitteln. Wer sich mehr handfeste Reisetipps erhofft, wird leider enttäuscht sein, da zwar auf Reiseführer verwiesen wird, die in der Literaturliste im Anhang aufgeführt sind, sich dort jedoch lediglich ein Reiseführer über Ōsaka sowie ein Verweis auf ein Dokument der Tōkyōter Präfekturverwaltung finden lassen. Zum Schluss des Buches wird allerdings noch auf zwei verlagseigene Reiseführer hingewiesen. Hier wäre eine umfangreichere Liste mit Reiseführern durchaus wünschenswert gewesen. Dies schmälert jedoch nicht den Genuss, den diese „Reise durch die Regionen Japans“ (S. 18) bietet, die im Übrigen von wunderschönen Fotoaufnahmen begleitet wird.

Winterlandschaft am Yotei-zan (Berg in Hokkaidō)
S. 545: Winterlandschaft am Yotei-zan © Perfect Zero / flickr / CC BY 2.0

Fazit

Als klassischen Reiseführer darf man dieses Buch nicht verstehen und dieser Anspruch wird auch gar nicht erhoben. Vielmehr soll hier das Wissen über Japan jenseits gängiger Klischees vertieft werden. Man kann „Japan. Alles, was Sie über Japan wissen müssen“ im Grunde wie ein Nachschlagewerk verwenden, denn hier werden wirklich alle einschlägigen Themengebiete behandelt. Sowohl für Japanologen als auch für absolute Japan-Neulinge bietet dieses Buch einen reichhaltigen Schatz an Wissen über dieses manchen LeserInnen wohl sehr vertraute, den meisten jedoch wohl (zumindest zu Beginn der Lektüre) noch sehr fremdem Land.

Buchcover: "Japan. Alles, was Sie über Japan wissen müssen" (Susanne Phillipps)
© Mana-Verlag
Susanne Phillipps (Autorin)
© Susanne Phillipps

Zur Autorin

Die Autorin Susanne Phillipps ist promovierte Japanologin und hat sich auf japanspezifische Themen fokussiert. Neben „Japan. Alles, was Sie über Japan wissen müssen“ verfasste sie unter anderem bereits den von Dumont herausgebrachten „Schnellkurs Japan“ sowie eine umfangreiche Abhandlung über das Lebenswerk des Mangakünstlers Tezuka Osamu, die im Iudicum Verlag erschienen ist.

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