Hibakusha: Gedenkveranstaltung für Atombombenopfer in Köln

Miho Doi
Miho Doi

In Hiroshima und Nagasaki finden jedes Jahr Friedenszeremonien zum Gedenken an die Atombombenabwürfe und deren katastrophalen Folgen statt. Auch in anderen Ländern werden solche Veranstaltungen abgehalten. Unsere Autorin hat im August 2018 eine Gedenkversammlung in Köln besucht.

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Die Ansprache Hirata Michimas zum Atombombenabwurf und der Atomkraft rührte die Zuschauer. © Miho Doi

Es ist 73 Jahre her, dass am 6. August 1945 in Hiroshima und am 9. August 1945 in Nagasaki Atombomben abgeworfen wurden. In beiden Städten gibt es einen Friedenspark, wo jedes Jahr Friedenszeremonien stattfinden. Bei diesen werden Stimmen für den Weltfrieden und gegen die Atomwaffen erhoben. Wussten Sie, dass auch in Deutschland solche Gedenkveranstaltungen abgehalten werden? Dieses Jahr habe ich an einer Friedensversammlung im Hiroshima-Nagasaki Park in Köln teilgenommen.

Friedenspark HiroshimaJapan Travel Photographers Association: Der Friedenspark HiroshimaAm 6. August 1945 warf das US-Militär eine Atombombe über Hiroshima ab. Über der Abwurfstelle wurde der Friedenspark als Naherholungsgebiet...06.08.2017

Am Abend des 6. August haben rund 50 Besucher der Sommerhitze getrotz und sich um 19 Uhr im Park versammelt, unter ihnen auch einige Jugendliche. Der Kölner Bezirksbürgermeister Andreas Hupke eröffnete den Abend mit einer Ansprache. Im Anschluss wurde eine Botschaft von Matsui Kazumi, dem Bürgermeister Hiroshimas, verlesen. Einen besonders starken Eindruck hinterließ die Rede von Hirata Michimasa. Er ist ein Überlebender des Atombombenabwurfs in Hiroshima, ein hibakusha. Seine Erzählungen rührten das Publikum zutiefst.

Hiroshima: Die Hölle auf Erden

Herr Hirata, der den Atombombenabwurf mit neun Jahren erlebt hatte, berichtete: „Es gab einen verheerenden Blitz und mein Vater schub mich ruckartig in den Luftschutzraum im Garten. Er hatte sich kaum selbst hineingezwängt, als die Druckwelle kam. Etwa vier oder fünf Minuten später wagten wir uns wieder hinaus. Unser Haus war fast vollständig zerstört gewesen, das Dach in die Luft gesprengt.“

Der sich offenbarende Anblick auf der Straße war ein furchtbarer. „Das Stadtzentrum stand in Flammen. Bei den Menschen auf der Straße hatte die immense Hitze die Haut von den Armen gelöst und hing hinab. Die Arme nach vorne ausstreckend kamen mehr und mehr Menschen aus dem Stadtzentrum. Es war die Hölle auf Erden.“ Herr Hirata selbst erlitt keine Verbrennungen, doch die Aussetzung der radioaktiven Strahlung hinterließ ihre Spuren: Bis heute ist die Zahl seiner weißen Blutkörperchen auf etwa die Hälfte reduziert, weshalb er besonders empfindlich gegenüber Infektionskrankheiten ist.

Hirata Michima im Hiroshima-Nagasaki-Park Köln.
Hirata Michima im Hiroshima-Nagasaki-Park Köln. © Miho Doi

Was wünschen sich hibakusha heutzutage?

In seiner Rede widmete sich Herr Hirata auch dem Thema „Atomwaffen“. Zurzeit gibt es weltweit rund 15.000 atomare Waffen, weshalb die Welt einer großen Gefahr ausgesetzt ist. Die Abschaffung von Nuklearwaffen ist seit langem ein großer Wunsch der hibakusha. 2017 haben zahlreiche UN-Staaten einem Vertrag zum Atomwaffenverbot zugestimmt. Aber manche Atommächte wie die USA oder Russland lehnten diesen ab. Es scheint unfassbar, dass auch Japan, trotz des Einsatzes nuklearer Waffen in Hiroshima und Nagasaki, den Vertrag nicht unterzeichnete. „Als hibakusha kann ich diese Entscheidung Japans nicht hinnehmen“, sagte Herr Hirata.

2016 wurde die Unterschriftenkampagne Hibakusha Appeal ins Leben gerufen, die sich für die Abschaffung von Kernwaffen einsetzt. Die internationale Unterschriftensammlung dauert noch bis 2020 an und kann online ausgefüllt werden. Mit der Sammlung der Unterschriften von Bürgern dieser Erde möchte die Kampagne einen internationalen Einfluss auf die Atomwaffenpolitik nehmen.

Nie mehr hibakusha

Auch Atomkraftwerke hat Herr Hirata angesprochen. „Atomwaffen und -kraftwerke haben den gleichen Ursprung. Der Mensch kann die Atomkraft nicht kontrollieren. Japan plant nicht nur Wiederinbetriebnahme sondern auch den Export von AKWs. Deshalb habe ich vor Deutschland, das sich für den Atomausstieg entschieden hat, großen Respekt.“ Während seiner Lebzeit wird Herr Hirata wohl keine Welt ohne Atomwaffen erleben. Eben deshalb wünscht er sich, dass die Schrecken, die die Atomkraft mit sich bringt, an seine Kinder und Enkel überliefert werden. Er beendete seine Rede auf Deutsch: „Nie mehr Hiroshima! Nie mehr Nagasaki! Nie mehr hibakusha! Nie mehr Krieg!“

Nach seinem Abschluss erhob sich großer Beifall unter den Zuhörern. Es folgte eine Gebetsrunde, in der die Teilnehmer nacheinander vor dem Mahnmal „Atomwaffen abschaffen“ still für sich beteten. Im Hintergrund spielte der Musiker Shimizu Yoshiro die japanische Mundorgel shō.

Toronagashi auf dem Aachener Weiher in Köln.
Tōrōnagashi auf dem Aachener Weiher in Köln. © Miho Doi

Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete das traditionelle tōrōnagashi-Ritual mit dem Aussetzen von Lampions auf einem Fluss. Bei dieser Zeremonie werden die Toten betrauert und verabschiedet. Die Besucher der Veranstaltung platzierten Lampions auf dem Aachener Weiher. In der Abenddämmerung wirkten die Lichter besonders eindrucksvoll.

Ende März 2018 lebten noch 154.859 zertifizierte hibakusha, mit einem Durchschnittsalter von 82,06 Jahren. Als nachfolgende Generationen müssen wir den Wunsch der hibakusha von einer Welt ohne Atomwaffen annehmen und verwirklichen.

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