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Tezuka Osamu – Leben und Werk des „Gott des Manga“

Constanze Thede
Constanze Thede

Das Werk Tezuka Osamus ist so umfangreich und hatte so großen Einfluss auf die Popkultur in Japan, dass Tezuka häufig als „Gott des Manga“ bezeichnet wird. Privat war das Leben für den begabten Künstler jedoch nicht immer ein Zuckerschlecken.

Phoenix-Skulptur vor dem Osamu Tezuka Manga Museum
Skulptur des Phoenix aus dem gleichnamigen Manga vor dem Osamu Tezuka Manga Museum in Takarazuka © Constanze Thede

Tezuka Osamu (1928-1989), der in Japan häufig als „Gott des Manga“ bezeichnet wird, hatte ein bewegtes Leben. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der Aufbruch in eine neue Zeit nach dem Krieg spiegeln sich in seinem beeindruckenden Lebenswerk wieder.

Tezuka Osamu
Tezuka Osamu © Tezuka Productions

Takarazuka

Tezuka Osamu wurde am 3. November in Toyonaka in der Präfektur Ōsaka geboren und wuchs ab seinem siebten Lebensjahr in dem kleinen Städchen Takarazuka in der Nähe von Kyōto auf. Der sensible Junge mit einem Faible für Insekten hatte dort keine allzu glückliche Kindheit – wie er selbst berichtet, wurde er immerzu von den Nachbarkindern schikaniert und außerdem war es die Zeit des Zweiten Weltkriegs, was ein sorgenfreies Leben unmöglich machte. Während des Krieges musste der junge Tezuka in der Waffenproduktion arbeiten und sich später zum Soldaten ausbilden lassen.

Im Nachhinein findet Tezuka aber, dass er sich trotz allem glücklich schätzen kann, in Takarazuka großgeworden zu sein, da er dort in einer wunderschönen Umgebung aufwuchs und viel draußen spielen konnte, was sicher zu seiner Liebe zur Natur beigetragen hat. Seine Faszination für Insekten drückt sich auch in seinem Künstlernamen aus: Seinen ursprünglichen Vornamen „Osame“ (治)  wandelte er in „Osamu“ (治虫)  um, das sich von osamushi („Laufkäfer“) ableitet und das Schriftzeichen für „Insekt“ (虫) enthält.

Als Junge hätte sich Tezuka bestimmt nicht träumen lassen, dass ihm in seinem Heimatort einst sogar ein Museum gewidmet werden würde. Leider wurde das Osamu Tezuka Manga Museum erst nach seinem Tod, im Jahre 1994, eröffnet, so dass er nicht mehr mit eigenen Augen sehen konnte, wie er dort verehrt wird.

Tezukas Weg zum Mangaka

1945 begann Tezuka zunächst ein Medizinstudium, das er 1952 erfolgreich abschloss. Nebenbei zeichnete er aber dennoch fleißig Mangas und konnte bereits 1946 sein erstes Werk Mā-chan no Nikkichō („Ma-chans Tagebuch“) in der Kinderzeitung Shōkokumin Shimbun veröffentlichen.

Tezukas Ziel war es aber, nicht nur Zeitungsstrips zu zeichnen, sondern lange Story-Mangas. Diesen Wunsch verwirklichte er mit seinem Werk Kimba, der weiße Löwe (jap. Janguru Taitei), das erstmals ab 1950 im Magazin Manga Shōnen erschien und später auch als Anime verfilmt wurde. Sowohl der Anime als auch der Manga hatten großen Einfluss auf die japanische Popkultur und erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit in Japan.

 

Kimba der weiße Löwe
Deutsche Ausgabe von „Kimba der weiße Löwe“ © Carlsen

Den großen internationalen Durchbruch brachte aber erst sein nächstes Werk Astro Boy (jap. Testuwan Atomu), dessen Hauptfigur, ein niedlicher Roboter, die Herzen der Leser im Sturm eroberte. Die Veröffentlichung der Anime-Verfilmung in den USA ebnete den Weg für den Export weiterer japanischer Animeserien wie auch Kimba, der weiße Löwe. Die Animeserien zu Astro Boy und Kimba, der weiße Löwe wurden von Tezuka in seinem 1961 gegründeten Animestudio Tezuka Dōga Production (später: Mushi Production) selbst produziert. Letztere erschien auch in Deutschland im Fernsehen, während von Astro Boy hierzulande nur die ersten sechs Folgen des Remakes aus den 1980er Jahren ausgestrahlt wurden.

Schatten der Vergangenheit

Tezuka Osamu gehörte zur Generation, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat, und dies geht nicht spurlos an Menschen vorbei. Ein Künstler jedoch hat die Mittel, die psychologischen Spuren, die der Krieg in den Köpfen und Herzen der Menschen hinterlassen hat, in seinen Werken zu verarbeiten und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Tezuka widmete sich dem in seiner späten Schaffensphase, in der er eine neue Richtung einschlug, weg von den niedlichen, an ein kindliches Publikum gerichteten Manga, hin zu Werken für Erwachsene. Der Medienwissenschaftler Rob Vollmar nennt diese Phase in Tezukas Karriere als Mangakünstler seine „dunkle Phase“.

Als herausragende Werke aus dieser Zeit sind beispielsweise Ayako (1972-73) und MW (1976-78) zu nennen. Beide Werke befassen sich mit der Kriegsvergangenheit und auch der Frage von Schuld und wie man damit umgeht. Ebenso wie in Tezukas Vorgängerwerk Vampire, welches sich an eine jugendliche Zielgruppe richtet, ist die Hauptfigur Yūki Michio in MW ein kaltblütiger Verbrecher ohne Gewissen. Allerdings hat er sich erst durch ein traumatisches Erlebnis in seiner Kindheit so entwickelt: Er wird von Garai, einem Mitglied einer Gruppe junger Anarchisten, die ihn und seine Familie als Geisel genommen hat, vergewaltigt. Als wäre dies nicht genug, werden er und Garai auch noch Zeugen eines Testprogramms der Regierung, bei dem Yūkis Familie und die restlichen Einwohner dem tödlichen Gas „MW“ zum Opfer fallen. Yūkis einziges Ziel im Leben ist fortan, Rache an den Verantwortlichen zu nehmen und mithilfe des Gases die gesamte Menschheit auszurotten, während Garai als katholischer Priester Erlösung sucht.

Tezuka Osamu 1951
Tezuka Osamu im Jahre 1951.

In Ayako geht es ebenfalls um sexuelle Gewalt, aber auch um Abgründe in der eigenen Familie. Als Jirō, der älteste Sohn, aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, hat sich in seiner Familie einiges verändert. Plötzlich hat er eine jüngere Schwester, die scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht ist. Später erfährt er, dass diese aus einer heimlichen Vereinbarung seines Vaters mit seinem älteren Bruder hervorgegangen ist: Dafür, dass dieser sämtlichen Grundbesitz, der nach dem Krieg noch übrig ist, erben wird, gestattet er seinem Vater mit seiner Ehefrau zu schlafen. In dieser Geschichte geht es um den moralischen Verfall einer Familie, die im Krieg fast alles verloren hat und sich nun an ihre verbliebenen Besitztümer klammert. Tezuka scheut sich hier nicht, die Schattenseiten der menschlichen Natur in all ihrer Schärfe abzubilden.

Späte Jahre

Gegen Ende seines Lebens brachte Tezuka noch einige bedeutende Werke hervor, darunter Adolf (jap. Adorufu ni tsugu), eine fiktive Geschichte, in der Adolf Hitlers jüdische Herkunft ans Licht kommt. Der Deutsch-Japaner Adolf Kaufmann und der deutsche Jude Adolf Kamil machen sich in dieser spannenden Geschichte auf die Jagd nach dem geheimen Dokument, das als Beweisstück dient.

Tezuka Osamu war während der Fertigstellung dieses Werks schon gesundheitlich geschwächt, daher hat er es für die zweite Veröffentlichung nachgebessert. Sein bekanntes Werk Phoenix konnte er nicht mehr ganz vollenden, bevor er am 8. Februar 1989 bereits im Alter von 60 Jahren an Krebs starb.


Quellen

https://tezukaosamu.net/en/

https://de.wikipedia.org/wiki/Osamu_Tezuka#Die_letzten_Jahre

Tezuka, Osamu: „Our Earth of Glass” (Ausschnitt, abgedruckt im Flyer des Takarazuka City Osamu Tezuka Manga Museums)

Vollmar, Rob (2012): „Dark Side of the Manga: Tezuka Osamu’s Dark Period.” In: World Literature Today 19: March-April.

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