Japan im Winter: Wunderland & Winterflucht

Matthias Reich
Matthias Reich

Es ist schon eigenartig: Während der Regenzeit sowie in der Hitze des japanischen Sommers sieht man überall Touristen. In den Wintermonaten hingegen ist an mancher Stelle deutlich weniger los. Doch Eingeweihte wissen längst, dass der Winter eigentlich die ideale Zeit für eine Reise nach Japan ist.

Der Ogamiyama-Schrein Okunomiya in Hōki-chō (Tottori) liegt am Fuße des Berges Daisen und ist auch im tiefen Winter ein wichtiger Pilgerort. © itasun / iStock

Diese Erkenntnis sollte nicht verwundern, denn würde man Japan auf den gleichen Breitengrad wie Europa verschieben, läge die Nordspitze Hokkaidōs etwa auf der Höhe von Mailand und das südwestliche Ende irgendwo in Mauretanien. Diese geografische Lage und weitere Faktoren sorgen dafür, dass Japan klimatisch sehr vielfältig ist: von sibirischen Temperaturen auf der nördlichen Insel Hokkaidō bis hin zu subtropischem Klima auf Okinawa oder den Ogasawara-Inseln, von meterhohen Schneefällen entlang der Japanmeerküste bis zu strahlend blauem Himmel ohne jeglichen Niederschlag – und das wochenlang. All das kann man in Japan sogar am gleichen Tag erleben.

Am Kawaguchi-See erstrahlt der Fuji-san im Morgenlicht. Schnee am Ufer und klare Luft machen den Sonnenaufgang zu einem unvergesslichen Winterbild. © cons972 / iStock

Trockenes Wetter an der Pazifikküste

Wer angenehmes, trockenes Wetter liebt, ist in den Wintermonaten entlang der Pazifikküste, von Sendai bis nach Kyūshū, bestens aufgehoben. Da zu dieser Zeit der Wind oft aus nordwestlicher Richtung weht, halten die Berge im Inneren der Hauptinsel Honshū den Großteil der Niederschläge ab. Der zu dieser Zeit häufig auftretende Föhneffekt sorgt zudem für sehr trockene Luft und heiteren Himmel in Tōkyō, Ōsaka und Hiroshima. Das sind ideale Voraussetzungen für einen hervorragenden Weitblick. Vor allem in den Wintermonaten zeigt sich dann der Fuji-san von seiner Schokoladenseite, manchmal sogar aus 150 Kilometern Entfernung. Auch die Alpen sind dann schön anzusehen, denn sie sind von Dezember bis Mai schneebedeckt. In den Straßen der Großstädte lässt es sich bestens aushalten – bei durchschnittlichen Tagestemperaturen von über 10 Grad und Nachttemperaturen, die selten in den Frostbereich fallen. Die trockene Luft, gepaart mit dem niedrigen Sonnenstand, sorgt für ein ganz besonderes Licht – wie gemacht für eine Fotosafari durch die Gegend.

Seltene Winterstimmung in Kyōto: Am Fushimi Inaritaisha legen sich Schneekappen auf die roten Torii-Tore und verleihen dem Schrein magische Ruhe. © CHENG FENG CHIANG / iStock

Schnee im Norden

Ganz anders sieht es keine 100 Kilometer weiter nördlich oder westlich aus – je nachdem, wo man sich befindet. Dort sind mehr als ein Meter Schnee an einem Tag keine Seltenheit, und es klart nur selten auf. In der Gegend der heutigen Stadt Jōetsu in der Präfektur Niigata mussten früher manchmal Schilder im Schnee stecken, auf denen stand: „Hierunter liegt die Stadt Takada“ – der alte Name der Stadt. In fast ganz Hokkaidō, aber auch in vielen Bergregionen, stehen entlang der Straßen mehrere Meter hohe Metallpfähle mit Pfeilen, die nach unten zeigen, da man sonst im winterlichen Weiß nicht wüsste, wie und wo man fahren muss. Doch diese Schneemengen, so schön sie auch anzusehen sind, haben ihre Tücken: Sie sorgen manchmal dafür, dass nicht nur Ortschaften, sondern gelegentlich auch längere Straßenabschnitte tagelang von der Außenwelt abgeschnitten sind. So prägt der Schnee bis heute das Leben in Japans Norden.

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Panoramablick auf die schneebedeckten Berge von Ishiuchi Maruyama und Yuzawa Kōgen bis zu den fernen Gipfeln nahe Echigo-Yuzawa (Niigata). © Irin Somsuppamongkol / iStock

Zugfahrt nach Niigata

Wer diesen starken Kontrast einmal erleben möchte, setzt sich am besten in einen Shinkansen von Tōkyō nach Niigata: Fährt man noch bei bestem Wetter los, rast man keine Stunde später durch tief verschneite Berglandschaften. Es ist kein Wunder, dass Orte wie Echigo-Yuzawa mit seinen Dutzenden Loipen bei den Hauptstädtern so beliebt sind – man ist in Windeseile dort, und es gibt genügend Pisten und Hotels für alle. Der Winter hält zudem zahlreiche andere Freuden bereit – kulinarische zum Beispiel, denn einige Leckerbissen gibt es nur in den kälteren Monaten. Dazu zählt zweifelsohne Oden, in einem deftigen Sud gegarte Zutaten, die von Fleisch über Solei, Gemüse, Fischkuchen bis zu Glasnudeln reichen. Die heiße Brühe, gepaart mit den Zutaten und dem japanischen, sehr scharfen Senf, bildet eine ideale Mahlzeit. Auch andere Genüsse sind im Winter Saison, etwa Krabben und Austern. Dabei handelt es sich nicht um winzige Nordseekrabben, sondern um riesige Schnee- und andere Krabben, die gerne 50 Zentimeter und größer werden.

Vor dem Kiyomizu-Tempel in Kyōto bereitet ein Straßenverkäufer dampfendes Oden zu – ein winterlicher Duft, der Besucher durch die Gassen lockt. © tang90246 / iStock
Krabben, Austern und Garnelen zählen zu den Delikatessen der japanischen Winterküche und werden regional oft frisch vom Markt serviert. © Gyro / iStock

Winterliche Festivals und Illuminations

An jahreszeitlichen Veranstaltungen mangelt es ebenfalls nicht. Weltberühmt ist das im Februar stattfindende Schneefestival von Sapporo, bei dem riesige Skulpturen aus Eis und Schnee zur Schau gestellt werden – begleitet von zahlreichen Essensbuden in der unmittelbaren Umgebung. Mangels Schnee verlegt man sich in Tōkyō und anderen Städten entlang der Pazifikküste auf sogenannte Lichtershows, auf Neujapanisch „Illuminations“ genannt, bei denen ganze Straßen, Parks oder Gebäudekomplexe nachts aufwendig beleuchtet werden. Besonders beeindruckend sind die Lichterfeste von Nabana no Sato (Mie), Itō (Shizuoka), dem Ashikaga Blumenpark oder Roppongi in Tōkyō.

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Roppongi zählt zu den bekanntesten Orten für Winter-Illuminationen in Tōkyō. Mit Blick auf den festlich beleuchteten Tokyo Tower ein absolutes Highlight. © yukihipo / iStock

Schneewanderung und heiße Quellen

Das ultimative japanische Wintererlebnis ist und bleibt jedoch eine kleine Schneewanderung, gefolgt von einer Übernachtung in einem Ryokan mit eigener heißer Quelle. Besonders erholsam wird das mit einem rotenburo, also einem heißen Bad im Freien. Im Ryokan werden danach meist Spezialitäten der Saison serviert, und wenn es richtig kalt ist, wärmt ein atsukan, ein heißer Sake, ganz hervorragend. Wie angenehm ein heißes Bad im Freien ist, kann man gut an den Gesichtern der Rotgesichtsmakaken im Jigokudani-Tal in der Präfektur Nagano ablesen – denn auch sie fühlen sich im warmen Wasser bestens.


Dieser Artikel erschien in der JAPANDIGEST Oktober 2025-Printausgabe und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.

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