Sterne-Restaurant Noma: Umami in der Nordic Cuisine

Hannah Janz
Hannah Janz

Heimlicher Star des weltbesten Restaurants Noma ist ein Schimmelpilz. Aspergillus oryzae - auf Japanisch Kōji kabi - hat sich in Japan seit Jahrhunderten als Geschmacksverstärker und Haltbarmacher bewährt. Noma interpretiert den Schimmelpilz nordisch neu.

Noma Japan Kabi Schimmel
Typisch Noma: Eingelegte Gemüse-Sorten und Knochenmark. (c) cyclonebill, CC2.0

Das Restaurant Noma in Kopenhagen, Dänemark, schreibt sich auf die Fahnen, die Nordic Cuisine erfunden zu haben. Diese verwendet nur saisonal vorhandene Produkte, die aus Skandinavien stammen.

Ziel der Nordic Cuisine ist zudem eine ursprünglichere Art des Essens: Bei Noma erheben Flechten, Pilze und Ameisen das Prähistorische zur Avantgarde.

Die Gerichte bei Noma: Frisch, simpel und doch raffiniert, nordisch.

Dieser Ansatz erntet Lorbeeren. Vier Mal wurde Noma vom britischen Magazin Restaurant zum besten Restaurant der Welt gewählt, 2010, 2011, 2012 und 2014. Seit 2008 führt der Guide Michelin Noma mit zwei Sternen. Das Team will sich darauf nicht ausruhen, sondern das Konzept weiterentwickeln – und kocht deshalb an neuen Orten auf der ganzen Welt.

2015 war Noma in Tōkyō. Aber nicht erst seit dieser Reise übt die japanische Küche eine große Wirkung auf die Nordic Cuisine aus.

Noma Japan Kopenhagen
Hauptquartier von Noma in Kopenhagen: Ein altes Lagerhaus. 2017 zieht das Restaurant um, es soll ganz in der Nähe dann auch einen Bauernhof geben, der viele Zutaten produziert. (c) paz.ca / CC2.0

Umami: Erfüllende Gaumenfreuden

Die Idee archaisch-traditioneller Zubereitungsformen schließt bei Noma auch das Fermentieren von Speisen ein.

Japans Küche meistert die Fermentation. Japanische Sojasauce wird mithilfe einer Pilzkultur erzeugt. Auch gibt es in Japan katsuobushi (鰹節). Der Schimmelpilz Eurotium herbariorum lässt den Bonito-Thunfisch rubinrot werden – und so steinhart, dass er mit einem speziellen Hobel in feine Späne, kezuribushi (削り節), geschabt werden muss.

Diese Flocken bilden zusammen mit der Kombu-Alge die Grundlage für die Dashi-Brühe, eine der wichtigsten Zutaten der japanischen Küche. Dashi und shōyu sind die Essenz von Umami.

Katsuobushi
Katsuobushi, mithilfe von Schimmelkulturen fermentierter Bonito, wird mit einem Hobel (unten im Bild) gerieben, um feine Flocken zu erzeugen.
Kombu
Zusammen mit getrockneten Kombu-Algen gibt Katsuobushi sein Umami an die Brühe ab, die dann wiederum andere Geschmäcker verstärkt.

Die fünfte Geschmacksrichtung Umami lässt sich mit würzig, fleischig nur unzulänglich ins Deutsche übertragen – Umami schließt auch die befriedigende Wirkung des Essens durch Geschmacksfülle mit ein. Dieser Wirkung des Essens kommt in der japanischen Küche eine große Bedeutung zu. Auch bei Noma hat Umami einen hohen Stellenwert.

Kein bisschen muffig: Schimmelpilz-Umami

Während Schimmel normalerweise der Feind des Koches ist, rühmt Noma sich eines eigenen Schimmel-Sous Chefs. David Zilber ist für die Zucht der Kulturen und die Fermentation verantwortlich.

Um den natürlichen Geschmack der Zutaten zu verstärken, setzt Zilber auch in Kopenhagen Aspergillus oryzae ein. In seinem Heimatland Japan ist der Pilz als Kōji kabi bekannt und wird auf Reis gezüchtet.

The family's growing! (Pun intended)

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Pilzkulturen bei Noma. David Zilber: “Die Familie wächst! (absichtliches Wortspiel!)”

Der Name Kōji kommt vom Verb kamosu (醸す) für brauen und verweist darauf, dass der Pilz in der Sake-Produktion eingesetzt wird, um die Gärung des Reises herbeizuführen. Dabei erzeugt Kōji bereits in der Produktion eine fruchtige, florale Note mit dem Anklang frischer Waldpilze.

Beim Brauen von Sake wird der Reis mit Aspergillus oryzae (Kōji kabi コウジカビ) angesetzt. (c) Wikimedia CC2.0

In Japan wurde der Schimmelpilz über tausend Jahre lang ebenfalls eingesetzt, um vegetarischen Speisen mehr Geschmack zu verleihen. Die buddhistische Küche verbot tierische Produkte. Über den Geschmack hinaus wurde der Kōji-Pilz zu einer wichtigen Protein-Quelle in dieser fleischlosen Küche: Werden mit seiner Hilfe zum Beispiel Soja oder Weizen fermentiert, entsteht Glutaminsäure.

David Zilber nutzt diese geschmacksverstärkende Wirkung der Kōji-Pilz bei Noma, um Zutaten einzulegen. Hier mariniert er Makrelen mithilfe von Kōji:

Das Ergebnis: Makelen-Häppchen mit Stachelbeeren.

Die Säulen der Kōji-Küche: Umami und Textur

Die Verstärkung des natürlichen Geschmacks der Zutaten ist aber nur eine Einsatzmöglichkeit von japanischen Schimmelpilzen bei Noma. In einem Interview mit Newsweek sagte Sous Chef David Zilber: „Das Tolle an den Schimmelkulturen ist, dass sie sowohl Zutat als auch Werkzeug sind. Sie schmecken fantastisch, aber man kann sie auch anderweitig einsetzen – die Enzyme, die die Pilze produzieren, sind in der Lage, Proteine aufzubrechen. Man kann sie also auch benutzen, um Fleisch zart zu machen.“

Fleisch zart zu machen mithilfe von Schimmelkulturen – allgemein neue Texturen zu erzeugen – das ist eine Neuinterpretation des Einsatzes von Kōji, den sich die buddhistische Küche so sicher nicht hatte träumen lassen. Doch dabei wird es nicht bleiben.

„Fermentation bietet unendlich viele Möglichkeiten – soviel mehr als beispielsweise das Dünsten von Gemüse“, so Zilber. Und so versuchen sich neben dem Kopenhagener Restaurant Noma weltweit auch andere Sterne-Restaurants an der Dressur des Kōji kabi. Wir sind gespannt, welche weiteren kulinarischen Ideen der japanische Schimmelpilz in den Köpfen der Spitzenköche noch so gären lassen wird!

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